Nach der Einführung der NAVIGA-Ein-Meter-Klasse vergingen immerhin vier Jahre und eine Weltmeisterschaft, bis jetzt aus Mönchengladbach der Ruf zur ersten Deutschen Meisterschaft in dieser Klasse erscholl.

22 Segler folgten ihm und fanden sich frohen Mutes am ersten September-Wochenende auf dem Regattagelände ein. Als Ausrichter dieser nauticus-Meisterschaft hatte sich der SMC Mönchengladbach gefunden, dessen beteiligte Mitglieder unter der Führung des Ehepaares Holz sowie von Herrn Bohn hervorragende Arbeit zum Gelingen der Veranstaltung geleistet haben und dem ganzen einen würdigen Rahmen gaben.

1991_dm_iom_1Den Regattaablauf zu beschreiben bedarf nicht vieler Worte, es verlief eigentlich bis auf wenige bekannte personelle Ausnahmen alles ausgesprochen ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. Das Teilnehmerfeld hatte man in drei Gruppen a 7 bzw. 8 Starter aufgeteilt, was sich bei dem Gewässer und einer sehr kurzen Startlinie als vorteilhaft erwies.

4 Einteilungsläufe im italienischen System dienten zur Einteilung der Wertungsgruppen im Flottensystem. Insgesamt wurden 11 Durchgänge an den anderthalb Segeltagen gestartet, so daß es am Ende zwei Streichläufe gab. Eine sehr gute Zahl in Anbetracht des am Gelände nur mangelhaften Windes. Viele Läufe kamen dicht an das Zeitlimit von 20 Minuten heran bzw. gingen manchmal auch etwas darüber hinaus. Da aber stets ein Ende abzusehen war, wurde das toleriert, und es gab keine Laufabbrüche.

Gesegelt wurde übrigens das ganze Wochenende stets derselbe Kurs. Nicht weil der Wind immer konstant aus einer Richtung kam, schön wär's gewesen, sondern weil er, sagen wir mal "statistisch" gesehen, meist an der Startlinie aus einer Richtung hauchte. Diese Richtung galt übrigens beileibe nicht für den ganzen Kurs! Es kam häufiger vor, daß man - ohne eine Kurskorrektur vornehmen zu müssen - auf einem Bahnschenkel alle Segelstellungen durchprobieren konnte. Lag man eben noch kreuzend auf Backbordbug (mit Wegerecht), so wiegte sich das Boot zwei Sekunden später absolut identisch, aber nun auf Steuerbord voran. Das führte manchmal zu etwas undurchsichtigen Situationen, die meistens Glück erforderten. Glück mit dem Wind und letztlich auch die Erfahrung, diese Winddrehungen schnell zu erfassen, waren da erforderlich. Der Geschmack einer Lotterie lag uns aber so manches Mal auf der Zunge und ließ trotz der insgesamt sehr ruhigen und gelassenen Stimmung bei einigen die Nerven bloß liegen!

1991_dm_iom_2Dieser Umstand ließ sich bereits beim ersten Blick auf das Regattagewässer befürchten und war der einzige Schwachpunkt dieser Meisterschaft: Der denkbar kleine (Enten-) Teich, gut geschützt mit Strauchwerk und hohen Bäumen drumherum, war nun mal für eine vernünftige Segelregatta so geeignet, wie es die Westküste von Sylt für einen Hydro-Rennboot-Wettbewerb wäre.
Nun ist dafür nicht unbedingt der Veranstalter verantwortlich zu machen, er hatte sich um ein geeigneteres Gewässer bei der Stadtverwaltung erfolglos bemüht und gab sich alle Mühe, dieses Manko auszugleichen.

1991_dm_iom_10Auf der anderen Seite ist eine Meisterschaft aber auch nicht eine Allerweltsregatta und sollte ein hohes sportliches und faires Niveau bieten. Ein zumindest in etwa passendes Gewässer ist dafür eigentlich eine wesentliche Grundvoraussetzung. Leider hatte man hier wieder einmal den Fall der Kombination eines sehr leistungsfähigen Vereins mit dem Handicap eines für Segelregatten schlechten Geländes, gleichwohl es vom Vertreter der Stadt bei der Eröffnung noch gelobt wurde. Ob das Gewässer, wie in den Regeln angegeben, von nauticus-Verantwortlichen vorab geprüft worden ist, ließ sich im nachhinein nicht mehr feststellen. Auf der anderen Seite hätte dieser Wettbewerb dann vermutlich an diesem Ort und damit ganz ausfallen müssen. Schade, daß man gute Veranstalter nicht an passende Gewässer setzen kann. . .

1991_dm_iom_8Startstellen- und Regattaleitung lagen in den in solchen Dingen erfahrenen Händen von G. Meysemeyer und W. Krüll vom benachbarten Neusser Club. Freiwillige Unterstützung fanden sie bei B. Becker und F. Scholten, die sich größtenteils um die ungeliebten Observer-Rollen kümmerten. Weitere Rennbeobachter, die Bootsberührungen bzw. Behinderungen ausrufen sollen, wurden aus dem Teilnehmerfeld bestimmt, was nicht immer ganz problemlos war bzw. ist. Selbst langjährige Segler tun sich beim Beobachten und blitzschnellen Merken von Segelsituationen schwer, zusammen mit dem Ruf "Kontakt" müssen dann auch noch binnen 10 Sekunden die betreffenden Segelnummern entziffern und laut genannt werden. Dazu bitte darauf achten, wie die Betroffenen reagieren und sich die Situation für eine evtl. erforderliche Protestverhandlung merken.

1991_dm_iom_9Da war es eine sehr große Hilfe, daß das Geschehen auf dem Wasser exzellent über eine doppelte Videoanlage festgehalten wurde. Eine Kamera war dabei mobil und an der Startstelle, also bei den Seglern, während die andere ferngesteuert auf einem Stativ im Startzelt - also auch mit einem anderen Blickwinkel - ihren Dienst tat und ihre Bilder gleich über einen Fernseher wiedergab.

Ein in solchem Umfang angebotener Service ist bisher einmalig und absolut erstklassig! Die wenigen anfallenden Regelunstimmigkeiten konnten so mühelos rekapituliert und Streitigkeiten aufgrund mehr oder weniger subjektiver Eindrücke vermieden werden. Natürlich darf der nötige Aufwand dazu nicht übersehen werden, man braucht neben dem Material zumeist auch geeignete ständige Kameramänner (also noch mehr freiwilliges Personal), aber zumindest bei größeren Regatten ist dieses System absolut empfehlenswert und trägt zu einem faireren Regattaablauf bei.

Wie das Ganze nun ausging, kann man der Liste entnehmen. Die beiden ersten Plätze in der sog. Senioren-Wertung gingen an langjährige Regattasegler („. . . die in dieser Klasse ja nur die Pokale einheimsen wollen, weil sie das in der M- oder 10R-Klasse nicht schaffen . . ." - ohne Kommentar). Der dritte Platz wurde dagegen mit G. Schulze von einem noch relativ neuen und bisher reinen Ein-Meter-Segler ersegelt. Auf den nachfolgenden PlätZen fanden sich auch wieder bekannte Gesichter. Erfreulich die Teilnahme von immerhin fast 14 % Jugendlicher, so daß eine eigene Junioren-Wertung zustande kam. Die 15jährige Sonja Bohn schaffte hier den ersten Platz vor Tim Eichert (17) und Christian Kraft (10).

 

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Abschließend noch ein paar Worte zur Technik:

Beherrscht wurde das Feld mit 8 "Mini-Cedar"-Rumpfvarianten sowie 7 "Miramare"-Rumpfschalen/Yachten, also 70 % ähnlicher Rümpfe. 60 % der Boote hatten Kohlefaser-Masten. Bis auf drei Ausnahmen waren alle Großsegel mit Ringen befestigt. Fast alle Segel waren aus Folien-Material, meist Zeichenfolie. 5 Teilnehmer benutzten einen festen Fockbeschlag, alle anderen eine Pendelfock. Die max. Rigghöhe von 165 cm wurde bis auf eine deutliche Ausnahme von allen angestrebt.

Die Bootsgewichte lagen zwischen 3,7 und 4,3 kg, im Mittel bei 3,9 kg, wobei nur wenige zusätzlich Blei im Rumpf hatten, um die 1,7-kg-Regel zu erfüllen, andere dagegen deutlich schwerer waren.

1991_dm_iom_7Bei den verwendeten Baumaterialien blieben 90 % der Teilnehmer bei den herkömmlichen Mitteln, also Holz, ABS oder GfK. Neunmal fanden sich Whirlwind-Winden, davon allein 7 unter den ersten 10 (der Senioren). Zweithäufigstes Modell war die Graupner-Winde (7 x). Insgesamt machte das Feld einen technischen Eindruck, wie ihn die M-Boote Anfang der 80er Jahre vor der großen MaterialSchlachtwelle machten.

Das Siegerboot wurde in den SM-Ausgaben 5 und 6/91 bereits ausführlich vorgestellt und ist unverändert geblieben. P. Gernerts Yacht war auch bereits bei der WM'90 dabei (SM 12/91) und hatte sich im wesentlichen nicht verändert: High Tech a la M-Boot vom Feinsten, incl. des umstrittenen Butterfly-Fock-wenders. Aber die Regel, die auch eine mechanisch angesteuerte Trimmung verhindern soll, ist nunmal diesbezüglich leider noch nicht geändert worden. Zusätzlich hatte das Boot erstklassige neue Mylar-Segel und ein perfektes Lackfinish bekommen.

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Auch der Trimm seiner aufwendigen Beschläge stimmte jetzt, und das ganze Boot machte einen ausgezeichneten Eindruck, man konnte richtig neidisch wer den. Gernert fertigt übrigens inzwischen seine erfolgreichen Rümpfe aller drei Segelklassen, Kielflossen und Segel auf Bestellung. Zwar nicht ganz am unteren Preisrand, aber aus hochwertigem Material und in guter Qualität. (P. Gernert, High-Tech-Boatsl Sails, St. Kilianstr. 11, 8722 Wülfershausen, Tel. 097281 757).

1991_dm_iom_4G. Schulzes Yacht basiert auf einer "Miramare"-Rumpfschale und Original-Kiel, war aber ansonsten gründlich modifiziert worden. Neues Deck und eigene funktionelle Beschläge sowie gute Foliensegel von H. Bohn führten zu einer schnellen Yacht, die gut gesegelt wurde. Seine Gedanken über eine schnelle E-Yacht, basierend auf einer "Miramare", sind in SM 3/91 erschienen.

1991_dm_iom_5Die nächste DM steht zwar noch nicht fest, dafür aber die nächste Weltmeisterschaft der NAVIGA-Segler, die nächstes Jahr in Sopron (Ungarn) am Neusiedlersee stattfinden wird. Mindestens unsere jeweils drei Erstplazierten können sich dafür nun schon mal Urlaub freihalten, wahrscheinlich auch noch ein paar der nachfolgend Plazierten. Der Neusiedlersee ist allerdings nicht als Leichtwindrevier bekannt.

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 11/1991 Autor:Thomas Dreyer.
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Geschrieben von: Thomas Dreyer
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