RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

12.Europameisterschaft der Modellsegeljachten Klasse F5

1980_em_1Wer Ungarn hört, denkt üblicherweise an Pußta, Budapest und Balaton, den Plattensee. Nichts über Nagykanizsa zu wissen, ist zwar keine Bildungslücke, man sollte die Stadt aber für die Zukunft als einen gewissen Merkpunkt im Gedächtnis behalten, Jedenfalls wussten Naviga-Verantwortliche, was sie taten, als dem Dachverband MHSZ des ungarischen Modellsports (Modellflug, Autos und Schiffsmodelle) die 12. Europameisterschaft für Modelljachten übertragen wurde. Hat man an diesem Platz doch bereits einige Male mit Erfolg nationale und internationale Schiffsmodell-Regatten und -Meisterschaften auf einem vor 6 Jahren aufgestauten See veranstaltet. Und 1984 wird in Nagykanizsa auch die Weltmeisterschaft der Klasse FSR durchgeführt.

Nagykanizsa mit seinen 40 000 Einwohnern - städtischer und industrieller Mittelpunkt einer größeren Landregion - liegt 210 km südwestlich von Budapest und nur 25 km bis zur jugoslawischen Grenze. Das Regattagelände im Südosten der Stadt, inmitten einer Erholungslandschaft mit Parkcharakter, besteht seit 1975 und wurde bzw. wird noch laufend vervollständigt. Die Stadt hat gerade zur diesjährigen Europameisterschaft nochmals erhebliche Anstrengungen unternommen, um mit beträchtlichem Aufwand alles „meisterlich" herzurichten, und das ist ihr auch gelungen!

So viel über Ort, Rahmen und äußere Verhältnisse. Es lässt sich noch vieles über Reiseerlebnisse berichten, über vielseitige und interessante Gespräche mit den Verantwortlichen des ungarischen Modellsports sowie mit den Mannschaftsführern der teilnehmenden Nationen, insbesondere aus Osteuropa; wie liegen dort die Verhältnisse, welche Chancen bestehen für eine erweiterte Zusammenarbeit in der Zukunft?

Angetreten waren 58 Segler (davon 11 Jugendliche) aus insgesamt 14 Nationen. Dies waren:

Ungarn - Polen - Sowjetunion - CSSR - Bulgarien - DDR - Bundesrepublik Deutschland - Italien - Schweden - Belgien - Frankreich - Niederlande - Schweiz - Österreich.

Die Beteiligung in den einzelnen Klassen :

  • F 5-M:
    43 Teilnehmer, davon 10 Junioren
  • F 5-10:
    42 Teilnehmer, davon 10 Junioren
  • F 5-X:
    37 Teilnehmer, davon 10 Junioren

Keine trockene Statistik: Wir sollten aber doch festhalten, wer als bundesdeutsche Mannschaft mit dem Segelzeichen „D" den nauticus und damit die Gemeinschaft unserer Modellsegler würdig und mit guten Leistungen vertreten hat:

Senioren:

  • Klaus Bremer, F 5-M
  • Hans-Joachim Hoffmann, F 5-M, F 5-X
  • Kurt Lauschmann, F 5-M
  • Hermann Etzel, F 5-10, F 5-X
  • Hermann Kardatzki, F 5-10, F 5-X
  • Günter Stasch, F 5-10
  • Peter Rutetzki, F 5-10

Junioren:

  • Jochen Weiß, F 5-M, F 5-10, F 5-X
  • Beate Höfler, F 5-M
  • Helmut Höfler, F 5-10
  • Harry Korff, F 5-10, F 5-X

Als Mannschaftsführer leitete unser Aufgebot zurückhaltend und mit Umsicht Segelobmann Alfred Keupp. Insgesamt also 11 Aktive, die mit 17 Booten in allen 3 Klassen sowohl bei den Senioren als auch den Junioren an den Start gingen.

Gesegelt wurde in (zumeist) 8'er-Gruppen nach dem sog. „Flottensystem", d.h. dass durch Wechsel der jeweils 2 Ersten bzw. der 2 Gruppen-Letzten in die nächst höhere bzw. niedrigere Gruppe die Gewähr für eine bestmögliche und leistungsgerechte Zusammensetzung der Endlaufgruppen in jeder Klasse gegeben war. Im übrigen lagen die neuen Naviga,Regeln '80 zugrunde. die allerdings - da zu kurzfristig veröffentlicht - hinsichtlich der Vermessung einige Schwierigkeiten boten. Darauf soll am Ende dieses Berichts noch hingewiesen werden.

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Der Veranstaltungsablauf war glänzend vorbereitet und organisiert. Dass die Windverhältnisse in der Vorwoche bei strahlend blauem Wetter ideal waren, ein gleichmäßiger Nordwest von etwa 4-5 Beaufort, die während der Regattatage aber dann doch hin und wieder Wünsche offen ließen (ohne allerdings den Ablauf wesentlich zu beeinträchtigen), dafür kann bekanntlich kein Veranstalter verantwortlich gemacht werden.

Es begann am 26. Juli mit der traditionellen Eröffnungszeremonie vor dem modernen Kulturzentrum der Stadt. Aufmarsch der teilnehmenden Mannschaften mit Polizeikapelle, Fahnen, jungen Pionieren, Ansprachen von Stadt- und Verbandsgewaltigen, alles sehr feierlich und würdig. Anschließend Empfang der Mannschaftsführer beim Bürgermeister.

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„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft": Mannschaftsführer Alfred Keupp überreichte bei dieser Gelegenheit dem Bürgermeister der gastgebenden Stadt einen handbemalten 3-Liter-Bocksbeutel mit gutem Frankenwein, was Freude und sichtliche Überraschung auslöste. - Die Regatten begannen am Sonntag, 27. Juli, mit der Klasse F 5-M, bei strahlendem Wetter, leichtem Nordwest-Wind und einem erfreulichen Besucherandrang.

 

Der Dreieckskurs mit abschließender Schleife gab allen Seglern die Möglichkeit, sei es auf der Kreuz, mit raumen oder achtlerlichem Wind, jeweils die Stärken (oder auch Schwächen) ihrer Boote gegeneinander zu messen. Unsere 3 Segler als Vertreter des nauticus schlugen sich beachtlich: Nachdem der Endlauf auf Dienstag, 29. 7., verlegt wurde, ergaben sich folgende Endergebnisse:

  1. Platz, Europameister der Klasse F 5-M Senioren
    und Goldmedaillen-Gewinner Igor Nalevski, Sowjetunion
  2. Platz und Silbermedaillen-Gewinner Helmut Lupart, Schweiz
  3. Platz und Bronzemedaillen-Gewinner Pierre Jahan, Frankreich
  4. Platz Valeri Bondarenko, Sowjetunion
  5. Platz Rainer Renner. DDR
  6. Platz Klaus Bremer, Deutschland.

H.-J. Hoffmann, Berlin, belegte im 33'er-Feld einen guten 7. Platz.

1980_em_6Es liegt auf der Hand, dass hier nicht minutiös und protokollarisch alle Details von jedem Wettbewerbstag wiedergegeben werden können. Und als engagierter Berichterstatter muss man sich bekanntlich vor Superlativen hüten. Aber: Wenn wir jetzt zu den Junioren-Klassen F 5-M und F 5-10 kommen, fällt es fast schwer, nicht zu schwärmen. Beide Wettbewerbe wurden zügig am Montag und Dienstag, 28./29.7., abgewickelt. Nach spannenden Läufen siegte in der Klasse F 5-M klar und unangefochten der Junioren-Europameister von 1978 in Mailand Thomas Fahnler, Österreich. Allerdings bedrängt von einem DDR- und einem ungarischen Boot. Unser Jochen Weiss belegte den undankbaren 4. Platz, der ohne das besondere Pech bei einer Bojenrundung noch eine Korrektur um 1 oder 2 Plätze hätte erreichen können. Die Ergebnisse:

  1. Platz, Junioren-Europameister der Klasse F 5-M
    und Goldmedailllen-Gewinner Thomas Fahnler, Österreich
  2. Platz und Silbermedaileln-Gewinner Steffen Nerger, DDR
  3. Platz und Bronzemedaillen-Gewinne Zsolt Lennert, Ungarn
  4. Platz Jochen Weiss, Deutschland
  5. Platz Oleg Batanov, Sowjetunion
  6. Platz Marek Zola, Polen.

Beate Höfler, Berlin, belegte den 8. Platz.

Ja, und jetzt wird es dramatisch: Im Junioren-Wettbewerb der Klasse F 5-10 belegten nämlich unsere drei Jungs alle 3 Medaillenplätze; und zwar ohne Überheblichkeit, fast im Alleingang. Noch in den Vorläufen, als um Gruppen-Auf- oder -Abstieg gekämpft wurde, haben wir natürlich ein wenig gezittert. Aber dann lief es fast von alleine. Ich will auch nicht von einer Deklassierung des übrigen Feldes sprechen, das täte den Jungs aus Polen, Ungarn, der DDR und der Sowjetunion unrecht. Schließlich wurde am Abend des Dienstag, 29. Juli, bei nur noch leichten Winden aus verschiedenen Richtungen ein klarer, unangefochtener Dreiersieg herausgefahren. Die Sensation der 12. Europameisterschaft war perfekt:

  1. Platz, Junioren-Europameister der Klasse F 5-10
    und Goldmedaillen-Gewinner Harry Korff, Deutschland
  2. Platz und Silbermedaillen-Gewinner Jochen Weiss, Deutschland
  3. Platz und Bronzemedaillen-Gewinner Helmut Höfler, Deutschland
  4. Platz Steffen Nerger, DDR
  5. Platz Zsolt Lennert, Ungarn
  6. Platz Oleg Batanov, Sowjetunion.

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Und ähnliches ereignete sich dann am nächsten Tag, am Mittwoch, 30. Juli, in der Klasse F 5-X Junioren. Die beiden Vertreter des nauticus, Jochen Weiss und Harry Korff, traten gegen Jungs aus weiteren 5 Ländern an. Das 10'er Feld segelte in 2 Gruppen und schon sehr bald stellte sich heraus, dass die eigentlichen Konkurrenten um Gold und Silber Thomas Fahnler, Österreich, und Jochen Weiss waren.

Die Entscheidung zwischen diesen beiden - uns stand fast das Herz still - fiel schließlich auf den letzten Metern eines Vormwindkurses ins Ziel: Hatte Thomas Fahnler bis dahin noch mit unterschiedlichem Abstand aber stetig in Führung gelegen, gelang es Jochen Weiss auf der Zielstrecke seinen „Schmetterling" besser zum Stehen zu bringen und sich damit Meter um Meter an dem österreichischen Boot vorbeizuschieben.

Nach so viel Dramatik lauter Jubel bei den deutschen Teilnehmern. Freudentränen waren zu sehen.

  1. 1980_em_2Platz, Junioren-Europameister der Klasse F 5-X
    und Goldmedaillen-Gewinner Jochen Weiss, Deutschland
  2. Platz und Silbermedaillen-Gewinner Thomas Fahnler, Österreich
  3. Platz und Bronzemedaillen-Gewinner Marek Zola, Polen
  4. Platz Peter Todtenhaupt, DDR
  5. Platz Oleg Batanov, Sowjetunion
  6. Platz Steffen Nerger, DDR.

Nach diesen, für die deutsche Mannschaft so überaus erfolgreichen Jugend-Wettbewerben nun zurück zu den „Senioren". Immerhin hatten wir ja in die Klasse F 5-10 vier Vertreter entsandt und die Hoffnung auf einen der vorderen Plätze schien nicht unbegründet. Es sollte aber anders kommen: Die 3 Erstplazierten wurden von den Mannschaften aus der Schweiz, Frankreich und der Sowjetunion gestellt; bester Deutscher auf dem 8.Platz Hermann Kardatzki. Im Feld der 32 Konkurrenten verteilten sich unsere restlichen 3 Vertreter auf die Plätze 12, 24 und 27. Die Ergebnisse:

  1. Platz, Europameister der Klasse F 5-10 Senioren
    und Goldmedaillen-Gewinner Helmut Lupart, Schweiz
  2. Platz, Silbermedaillen-Gewinner, Pierre Jahan, Frankreich
  3. Platz und Bronzemedaillen-Gewinner Valeri Bondarenko, Sowjetunion
  4. Platz Istvan Toth, Ungarn
  5. Platz Igor Nalevski, Sowjetunion
  6. Platz Klimentin Golovin, Sowjetunion.

Anders verlief es in der Klasse F 5-X: Hier glaubten wir von Anbeginn an nur geringe Chancen. Die 3 deutschen Teilnehmer in einem starken Feld von 28 Booten kämpften aber verbissen um Gruppenaufstieg und um jeden Platz. So wurden sie auch nach dem Zieldurchgang mit 2 vorderen Plätzen belohnt: Hermann Etzel als 4., Hans-Joachim Hoffmann als 6., punktgleich mit dem Russen Nalevski. Die Ergebnisse:

  1. Platz, Europameister der Klasse F 5-X Senioren
    und Goldmedaillen-Gewinner Helmut Lupart, Schweiz
  2. Platz Silbermedaillen-Gewinner Hermann Stigler, Österreich
  3. Platz Bronzemedaillen-Gewinner Valeri Bondarenko, Sowjetunion
  4. Platz Hermann Etzel, Deutschland
  5. Platz Werner Uttinger, Schweiz
  6. Platz H.-J. Hoffmann, Deutschland.

Was bleibt noch anzumerken? Parallel zu den für uns wichtigen 3 Wettbewerbsklassen F 5 wurden auch die Meisterschaften der Freisegler in den Klassen D-M, D-10 und D-X ausgetragen. Die teilnehmenden 79 Boote (!) kamen ausschließlich aus Ostblock-Ländern; Grund, verständlicherweise Materialfragen und der schwierige Zugang zu Fernsteueranlagen.

1980_em_7Nicht nur, weil unsere Junioren so hervorragende Ergebnisse ersegelt haben, möchte ich von einem „Triumpf der Jugend" auf der 12. Europameisterschaft 1980 sprechen. Die Jugendlichen haben darüber hinaus gezeigt, wie fair gesegelt wird und dass jeder, der zu einer EM fährt, die Regeln aus dem „ff" beherrschen muss. Es war jedenfalls die einhellige Meinung, daß sich mancher Teilnehmer aus den Senioren-Klassen hier noch einiges „abgucken" kann.

A propos Fairneß, auch das sollte gesagt werden: Wenn es einen Fairneß-Preis zu gewinnen gäbe, sollte man ihn den Mannschaften aus Österreich und der Schweiz zuerkennen. Wir als Beobachter am Rande haben uns jedenfalls gefreut, daß in mancher Situation eben nicht „draufgehalten", sondern mit Ausweichmanövern Rücksicht genommen wurde.

Soll man in einer Nachbetrachtung Namen nennen? Ich glaube eine Ausnahmeerscheinung der diesjährigen Europameisterschaft muss man einfach erwähnen, Helmut Lupart, Schweiz. Das vorderste Feld der Spitzensegler ist zwar sehr eng geworden, aber als einziger Teilnehmer mit zweimal Gold und einmal Silber, ich glaube, das spricht für sich! Lupart stellt dabei die glückliche Synthese eines sympathischen, fairen Sportsmannes, eines glänzenden Seglers und Taktikers sowie eines Bootskonstrukteurs dar, der offensichtlich das ganze Register vom Bootsrumpf mit Superfinish, über ein optimales Rigg bis zur Elektronik beherrscht.

Einen Namen muß man noch nennen: Werner Peukert aus Frankfurt. Wer kennt ihn nicht seit Jahren von vielen deutschen und europäischen Wettbewerben? Wer kennt nicht seine einmaligen Boote aus Zedernholz? Vier seiner Boote stellte er nauticus-Teilnehmern zur Verfügung, 3 in den Junioren, Klassen F 5-10 und F 5-X sowie 1 in der Senioren-Klasse F 5-X. Sie errangen zweimal Gold, einmal Silber und einen 6. Platz.

Nun nützt niemanden von den Aktiven ein gegenseitiges Schulterklopfen, „wie war doch alles so schön", auch unfreundliche Dinge muss man ansprechen. Herbe Kritik an dieser Stelle ist nicht Aufgabe des Berichterstatters. Aber die Feststellung sei erlaubt, dass die so kurzfristige Inkraftsetzung einer in verschiedenen Punkten noch ,,unausgegorenen" Regel einschließlich Vermessung ein bedauerlicher Fehlgriff der Naviga war.

Verärgerungen. Missverständnisse und Unsicherheiten hätten leicht vermieden werden können, wenn zum Beispiel die Vermessungsregel erst für das Jahr 1981, nämlich ohne Europaineisterschaft der Klasse F 5, inkraftgesetz worden wäre.

Ähnliches gilt für die Besetzung der Schiedsrichterposten: Unsicherheiten und eine zu geringe Stellenbesetzung sind Erscheinungen, die bei einer Europameisterschaft einfach nicht auftreten dürfen. Ich bin aber sicher, die Naviga wird daraus lernen und spätestens zur Europameisterschaft 1982 die erforderlichen Konsequenzen ziehen.

Großer Dank gebührt unseren ungarischen Segelkameraden: Sie haben mit viel Aufwand alle Vorbereitungen für einen reibungslosen Ablauf der Wettbewerbe getroffen. Sie haben allen Teilnehmern die Tage zu einem Erlebnis gemacht, sei es der wunderschöne Folklore-Abend am 30. Juli oder die eindrucksvolle Siegerehrung und Schlußfeier am 1. August. Die Organisation ließ keine Wünsche offen. Wir erlebten die sprichwörtlich ungarische Gastfreundschaft, ebenso wie das allgegenwärtige Bemühen, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Einen Dank auch an die Stadt Nagykanizsa, an den Bürgermeister und die Stadt-Offiziellen. Wir werden alles in guter Erinnerung behalten. Es war eine gelungene Europameisterschaft und ein für alle Beteiligten schöner Aufenthalt in dieser Stadt.  

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 9/1980 Autor:Horst Krönke.
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