Wow, was für eine Regatta: drei Tage, 64 Teilnehmer inkl. amtierenden Europa- und Weltmeistern und das bei einer nationalen Meisterschaft!

Aber erzählen wir erst einmal von vorn! Anfang März rief mich Michael Scharmer an und erklärte mir, er hätte zwei Flugtickets von Lübeck nach London und zurück. Aufgrund von Absagen anderer Segler hätte er eins über, ob ich nicht Lust hätte vom 30.04 - 04.05 an der britischen Meisterschaft der IOM-Klasse in Südengland, genauer in Gosport, teilzunehmen? Nach kurzer Überlegung wurde Zugesagt und eine E-Mail mit den für die Meldung erforderlichen Details abgeschickt. Nach zwei, drei weiteren Telefonaten war mit Peter Kohlhoff ein weiterer Mitstreiter gefunden. Über das lnternet wurde noch schnell ein Mietwagen organisiert, so dass der Reise nichts mehr im Wege stand.

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Dann war der große Tag da, der Abflug war für 9:05 geplant. In Lübeck angekommen, gab es den Schreck in der noch frühen Morgenstunde: Die Anzeigetafel in der Abflughalle wies unseren Flug als gestrichen aus! Zwei freundliche Damen erklärten uns, dass wegen Arbeiten an der Landebahn der Flughafen Lübeck geschlossen sei und mit einer Wiedereröffnung an diesem Tag nicht zu rechnen sei! Man verteilte Handzettel mit diversen Infos und Telefonnummern sowie einer Liste der nächsten Abflughäfen nach London Standsted. Die Alternativen waren Berlin Schönefeld oder Esbjerg in Dänemark. Nach kurzer Überlegung entschieden wir uns für Esbjerg. Die Maschine sollte um 14:OO nach London starten, so dass wir genügend Zeit hatten. Glücklicherweise konnten wir in Lübeck kostenlos auf den Esbjerg-Flug umbuchen und hatten so auch die Sicherheit, noch Plätze in der Maschine zu bekommen.

2004_uk_nat_3In Esbjerg angekommen, konnten wir dann auch gleich einchecken. Die Kiste, die Michael für den Transport der Modelle gebaut hatte, erregte natürlich einiges an Aufsehen, denn der erste Blick ließ vermuten, dass wir mit einer Mumie oder Ähnlichem unterwegs waren ... In London konnten wir dann auch ohne große Verzögerung unser Gepäck in Empfang nehmen.

Der Mietwagen erwies sich als perfekt und guten Mutes machten wir uns auf die Fahrt nach Gosport. Leider hatte keiner daran gedacht, dass der folgende Montag in England Feiertag war. Zusammen mit dem „normalen" Londoner Feierabendverkehr auf der M25, auch bekannt als Europas größter Parkplatz, benötigten wir für die Strecke mehr als 6 Stunden ... In Gosport angekommen warfen wir noch einen kurzen Blick auf das Regattagelände und fuhren dann in unsere Pension.

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Am nächsten Tag waren wir gegen 8 Uhr auf dem Regattagelände. Nach einer Prüfung des Messbriefes, Wiegen und Markieren des Kiels sowie Bezahlung des Startgeldes bauten wir auf und übergaben unsere Boote das erste Mal dem Wasser. Wir hatten noch Zeit, einige Schläge zu segeln und einen Trimm zu finden. Um 9:30 Uhr bat Lester Gilbert dann alle Segler zum Skippers' Meeting und um Punkt 10 Uhr begann der erste Einteilungslauf. Die Regatta wurde nach dem auch international angewendeten HMS-System gesegelt. Hierbei gibt es eine Runde von Einteilungsläufen, die dann das Teilnehmerfeld in die entsprechenden Gruppen aufteilt. In unserem Falle segelten wir mit den 64 Teilnehmern in Gruppen A bis D, was mit den jeweiligen Auf- und Absteigern 20 Boote je Start bedeutete.

Wir waren alle in unterschiedliche Einteilungsläufe gelost worden. Am Ende dieser Runde fanden Michael und Peter sich zusammen mit großen Namen wie Graham Bantock, Martin Roberts und Trevor Binks im A-Lauf wieder. Ich haderte noch mit mir, dem leichten Wind und meinem Trimm und kam als 12. meines Einteilungslaufes in den C-Lauf.

Nach der Einteilung der Gruppen ging es bei weiterhin leichten und drehenden Winden mit dem ersten Lauf los.

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Der D-Lauf konnte noch bei einer leichten aber konstanten Brise gesegelt werden. Vor dem Start des C-Laufs wurde der Kurs geändert, um dem gedrehten Wind Rechnung zu tragen. Mein Start war mittelmäßig und von da an ging alles rückwärts. Nach einer Bojenberührung und einem Bootskontakt musste ich als einer der letzten vier in den D-Lauf absteigen. Der A-Lauf war aus deutscher Sicht eines der Highlights der Veranstaltung. Michael hatte einen guten Start und konnte sich an der ersten Luvtonne die begehrte Innenposition sichern. Auf dem folgenden kurzen Halbwindschlag war er Erster, dicht gefolgt von Philip Playle. An der zweiten Tonne hatten die beiden dann bereits 4-5 Bootslängen Vorsprung auf das übrige Feld. Dieser Abstand zum Feld wurde immer größer, so dass die Schlusskreuz ein echter Matchrace-Krimi wurde. An der letzten Leetonne hatte Michael immer noch die Führung vor Philip aber beide waren weniger als eine Bootslänge auseinander. Auf der letzten Kreuz trennten sich dann die Wege: Philip machte einen weiten Schlag nach links während Michael den etwas direkteren Weg zur Ziellinie suchte. Es sah so aus, als sollte es für Michael aufgehen. Philip machte dann auf der Liegelinie zum Ziel eine Wende und hatte mehr Wind als Michael, Michael kam aber mit Backbordbug auf die Ziellinie zu. Kurz vor der Linie musste Philip Michael dann unterwenden, um eine Kollision zu vermeiden und beide gingen über die Linie. Michael konnte diesen ersten A-Lauf mit wenigen Zentimetern Vorsprung für sich entscheiden. Mit deutlichem Abstand folgten Martin Roberts, Peter Stollery und Graham Bantock. Peter wurde 12. und konnte sich damit im A-Lauf behaupten.

2004_uk_nat_5Für meinen D-Lauf in der nächsten Runde musste ich meinen Trimm deutlich verändern. Die Engländer hatten ihre Segel insgesamt sehr flach getrimmt und eng geschotet und opferten etwas Geschwindigkeit, um maximale Höhe aus dem Boot herauszuholen. Mein Trimm war zwar etwas schneller, ich konnte aber die fehlenden 4-5° Höhe damit nicht wettmachen und passte meinen Trimm daher diesen Gegebenheiten an. In den folgenden D-Läufen gelang es mir allerdings mit einem 6. und einem 5. Platz, erfolgreich an den vier Aufstiegsplätzen vorbei zu segeln ... In den verbleibenden zwei A-Läufen des Tages konnten Michael und Peter sich mit Plätzen zwischen 11 und 13 gut behaupten. Das Gesamtergebnis war nach dem ersten Tag noch sehr offen. Neben Michael hatten Graham Bantock, Martin Roberts und Philip Playle je einen A-Lauf gewonnen. Bantock und Roberts waren in der Zwischenrechnung noch ohne Streicher nach 5 Läufen nur durch einen Punkt getrennt. Michael war als bester Deutscher auf einem hervorragenden fünften Platz.

Der Sonntag empfing uns mit sehr schönem und sonnigem Wetter. Zum Start des 1. D-Laufs hatte sich auch eine stabile A-Rigg-Brise aufgebaut, die über den Verlauf des Tages noch etwas zunahm und somit für perfekte Regattabedingungen sorgte. Diese Bedingungen kamen mir deutlich entgegen und ich konnte mich mit einem 2. Platz aus dem D- endlich in den C-Lauf segeln. Dies bedeutete, dass ich gleich weitersegeln musste und mit einem 10. Platz konnte ich zumindest den Verbleib im C-Lauf sichern.

Michael konnte den Tag auch gut beginnen und segelte auf den fünften Platz im A-Lauf. Peter hingegen schrammte mit einem 16. Platz haarscharf am Abstieg vorbei. In den Böen war es mit dem A-Rigg schon an der oberen Grenze und seine IKON hatte mit diesen Bedingungen deutlich zu kämpfen. Die Titelambitionen des amtierenden Weltmeisters Trevor Binks bekamen mit einem 15. Platz einen herben Dämpfer. Natürlich würde es mind. einen Streicher geben, aber in diesem engen Feld ist ein solches Resultat kaum noch zu kompensieren.

In meinem nächsten C-Lauf ging es noch etwas besser und ein 8. Platz bedeutete einen erneuten Verbleib im C-Lauf. Im A-Lauf hingegen kam es dicke: Peter hatte einen Frühstart, musste zurück über die Linie und dem Feld hinterher segeln. Auf diesem sehr hohen Niveau ist das nahezu aussichtslos und er musste mit einem 17. Platz denkbar knapp in den B-Lauf absteigen.

Michael hatte einen guten A-Lauf bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich sein Masttopp mit dem von Andrea Roberts verfing. Andrea hatte an der Luvtonne durch einen Aufschießer versucht, die Tonne zu erreichen. Sein Modell stand nun mit killenden Segeln auf der Liegelinie und Michael konnte wegen anderer Boote nicht weit genug ausweichen. Michaels Holzmast bog sich in den einfallenden Böen beängstigend und ich sah ihn schon mit gebrochenem Mast. Die Verhakung löste sich von selbst aber natürlich nicht, bevor das gesamte Feld vorbei war. Michael wurde Vorletzter, nur noch gefolgt von Andrea. Michaels Protest auf Wiedergutmachung war schnell entschieden, denn Andrea hatte von vorneherein ihren Fehler eingestanden. Ergebnis war, dass er die durchschnittlichen Punkte seiner vorherigen Läufe erhielt, somit keinen Nachteil im Gesamtergebnis hatte, aber trotzdem im B-Lauf antreten musste.

In der dritten Runde des Tages lief es deutlich besser. Der Wind hatte noch ein wenig aufgefrischt und einer der Segler hatte sogar aufs B-Rigg gewechselt. Diese Bedingungen kamen mir und meinem Boot immer mehr entgegen. Nach einem ordentlichen Start im vorderen Drittel arbeitete ich mich weiter nach vorn und segelte zwischen Platz 3 und 4. Von mir aus hätte der Lauf in diesem Moment vorbei sein können, aber nein, ich musste noch um die Luvtonne und die Zielkreuz hinter mich bringen. Tonnenrundung kein Problem, aber welche Seite wählt man jetzt? Zum einen will man ja guten Wind, aber andererseits will man sich ja nach hinten absichern. Das Feld hinter mir war noch dicht beisammen und ich wählte die linke Seite der Bahn. Das Feld hinter mehr teilte sich in beide Richtungen, so dass es keine Möglichkeit gab, zwischen der Linie und allen „Gegnern" zu bleiben. Am Ende des Laufes hatten sich auf der rechten Seite noch zwei Boote durchgemogelt und mir blieb der undankbare 5. Platz und damit kein Aufstieg.


Im anschließenden B-Lauf wollte Michael den Wiederaufstieg in den A-Lauf schaffen, um nicht den Anschluss an die Spitze zu verlieren. Peter war mit dem gleichen Ziel am Start, um wieder an die guten Leistungen vom Vortag anzuschließen. Es war aber klar, dass dies kein einfaches Unterfangen sein würde, denn die Leistungsdichte in den B-Läufen war enorm. Von den 20 Startern in jedem B-Lauf hatte mind. die Hälfe das Zeug für einen der vier Aufstiegsplätze. Michael kam gut von der Linie weg und setzte sich an der Luvtonne in der Spitzengruppe fest. Peter hatte weniger Glück und war einen Moment zu früh über der Linie, so dass er erneut neu starten musste. Er segelte mit dem sprichwörtlichen Messer zwischen den Zähnen, aber das Glück war in diesem Lauf definitiv nicht auf seiner Seite. Er kämpfte. am Ende des Feldes um den Verbleib im B-Lauf und nicht wie geplant um einen Aufstiegsplatz. Durch gutes taktisches Segeln gelang es ihm noch, 7 Boote hinter sich zu lassen und so wenigstens den Verbleib im B-Lauf zu sichern. Michael hingegen kontrollierte den Lauf und stieg wieder auf. Im anschließenden A-Lauf konnte er dann hinter Peter Stollery und Graham Bantock auf den dritten Rang segeln. Somit hatte die Kollision mit Andrea Roberts und der damit verbundene Ausflug in den B-Lauf keine weiteren Folgen für Michaels Gesamtergebnis.

Dieses Ergebnis ist exemplarisch für die Fairness und die Möglichkeiten des HMS-Regattasystems. Während andere Flottensysteme das Absteigen - ob verschuldet oder nicht - stark bestrafen, ist es im HMS-System möglich, einen Abstieg durch einen sofortigen Wiederaufstieg und ein gutes Ergebnis im Folgelauf ohne negative Folgen für das Gesamtergebnis zu überstehen. Es sei erwähnt, das Andrea zusammen mit Michael den Aufstieg in den A-Lauf schaffte, hier aber nur auf den 18. Rang segelte und somit wieder in den B-Lauf abstieg. Dies war symptomatisch für ihr ganzes Wochenende. Es gab niemanden der so oft in den B-Lauf abstieg, um anschließend sofort wieder aufzusteigen. Wobei an dieser Stelle noch das Ergebnis von Trevor Bamforth erwähnt sei. Trevor ist vor einigen Jahren aus Neuseeland nach Großbritannien gezogen und gehört in der IOM-Szene sicherlich zur Spitze. An diesem Wochenende aber gelang es ihm, neben einem 6. und einem 8. Platz im A-Lauf bis in den D-Lauf abzusteigen und hier mit einem 51. Platz auch den Wiederaufstieg zu verpassen. Speziell am dritten Tag der Regatta schien er nicht ganz bei der Sache zu sein.

Im letzten C-Lauf des Tages wollte ich es nun endlich wissen und mit dem guten Gefühl, am nächsten Tag im B-Lauf zu starten, den Regattatag beenden. Die ersten beiden Plätze waren schnell bezogen und ich segelte in einer Dreier-Gruppe um
die verbleibenden zwei Aufstiegsplätze. John Fairbairn, Rick Ford und ich kämpften bis zur Ziellinie und hier gab es erneut die Höchststrafe mit Platz fünf und damit wieder keinen Aufstieg! Peter erwischte es hinter mir aber noch schlimmer, er musste nach einem katastrophalen Lauf in den D-Lauf absteigen. Michael segelte im A-Lauf ein ordentliches Rennen und wurde Zehnter.

Am Ende des zweiten Regatta-Tages hatte Graham Bantock mit zwei ersten, einem zweiten und einem dritten Platz 7 Punkte Vorsprung auf Martin Roberts, der wiederum 6 Punkte vor Peter Stollery lag. Den amtierenden Weltmeister Trevor Binks trennten 8 Punkte vom dritten, aber bereits 19 vom ersten Platz. Es war aber noch nichts entschieden und Trevor hatte mit einem Sieg im letzten Lauf des Tages wieder Boden gut gemacht, denn Graham Bantock wurde in diesem Lauf nur sechster, Peter Stollery gar nur 11. Der erste Platz war für Trevor schon in recht weiter Ferne, aber ein Podestplatz doch wieder erheblich greifbarer.

Der Montag empfing uns nicht so freundlich: Es war deutlich kühler und Regen schien auch nicht ausgeschlossen. Als Entschädigung gab es aber eine stabile Brise und es sah nach einem guten letzten Segeltag aus. Die Preisverteilung war für 15:30 Uhr angesetzt und es sollte bis 15 Uhr gesegelt werden. Bei dem Wind waren alle zuversichtlich, vier bis fünf weitere Läufe zu schaffen.

Peters Tag begann nicht besonders gut und es gelang ihm nicht, aus dem D-Lauf herauszusegeln. Mein C-Lauf verlief sehr gut, denn es gelang mir, mit einem zweiten Platz endlich in den B-Lauf zu segeln. War doch gar nicht so schwierig ... hätte ich doch schon viel früher machen können ... Der B-Lauf brachte dann aber wieder Ernüchterung und meine Mitsegler
in diesem Lauf schickten mich zurück in die C-Gruppe. In diesem B-Lauf war für mich eindeutig zu spüren, welche Qualität die englischen Segler haben. Um sich hier zu behaupten, durfte man keinen Fehler machen und zwei Kontakte sowie die damit verbundenen Strafkringel waren in diesem Feld die Rückfahrkarte in den C-Lauf.

Den A-Lauf beendete Michael als 8., während Martin Roberts endlich wieder einen Sieg verbuchen konnte. Bantock wurde Zweiter und Ken Binks, der Bruder des Weltmeisters, konnte das erste Mal an diesem Wochenende unter die ersten drei segeln. Im Gesamtklassement ging es für Peter Stollery mit einem 19. Platz klar in die falsche Richtung, vor allem da sein direkter Gegner um Platz drei, Trevor Binks, Fünfter wurde.

Der nächste D-Lauf brachte für Peter keine Besserung. Nach zwei allgemeinen Rückrufen wurde unter ISAF-Regel 30.1 gestartet. Dies bedeutet, dass man in der Vorstartphase nicht in das Dreieck segeln darf, welches von den beiden Starttonnen und der Luvtonne gebildet wird. Ein Verstoß hätte eine Punktstrafe zur Folge. Peter ging Sekunden vor dem Start über die Linie und damit in die Verbotszone. Als der Start erfolgte wurde er darauf hingewiesen, verstand dies aber als Frühstart und segelte unnötigerweise wieder zurück, um neu zu starten. Neben der Punktstrafe bedeutete dieser fehlverstandene Frühstart erneut einen Verbleib im D-Lauf. Peters Stimmung war damit auf einem Punkt irgendwo bei null angekommen!

In meinem C-Lauf lief es für mich nur mittelmäßig und an einen erneuten Aufstieg war nicht zu denken, stattdessen musste ich einen Abstieg in den D-Lauf vermeiden, was aber auch gelang.

Der nächste B - Lauf verlief ohne deutsche Beteiligung, war aber für den restlichen Regattaverlauf ausschlaggebend. Nicht nur, dass zu diesem Zeitpunkt der Regen einsetzte, sondern die Regatta wurde durch Proteste für nahezu zwei Stunden unterbrochen. Der A-Lauf konnte nicht gestartet werden, da ein noch offener Protest aus dem vorherigen C-Lauf die Anwesenheit eines Beobachters erforderte, der aber leider gleichzeitig im A-Lauf hätte starten sollen. Daneben gab es zwei Proteste aus dem absolvierten B-Lauf bei denen es um den Aufstieg in den A-Lauf ging.

Nachdem alle ordentlich durchgeregnet worden waren, konnte bei aufklarenden Bedingungen endlich der A-Lauf gestartet werden. Michael konnte sich noch einmal steigern und wurde Sechster. An der Spitze konnte Graham Bantock den vierten Sieg einfahren und Trevor Binks wollte mit einem zweiten Platz noch mal zeigen, warum er Weltmeister ist. Martin Roberts segelte in diesem Lauf zu aggressiv und kam nur als 10. ins Ziel. Martin musste sich jetzt vorsehen, denn ein weiterer Punkteverlust auf Trevor in dieser Größenordnung würde ihn den zweiten Platz kosten. Auch Peter Stollery konnte trotz seines 19. Platzes vom Vormittag und seines 11. vom Vortag noch auf das Siegertreppchen hoffen. Er musste dazu allerdings vier Boote zwischen sich und Trevor Binks bringen.

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Die lange Unterbrechung durch die Protestverhandlungen erlaubte nur noch einen kompletten Lauf. Im letzten D-Lauf konnte Peter einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg verbuchen. Somit durften wir gemeinsam im C-Lauf starten. Der mittlerweile abgeflaute Wind sowie die Windrichtung, die eine Luvtonne in die Abdeckung des Clubhauses brachte, versprachen ein schwieriges Rennen. Peter kam am Start wieder gut weg und machte sich mit der Spitzengruppe auf und davon. Ich war mit meiner Starttaktik unschlüssig und ging mit dem Hauptfeld auf die Reise. An der ersten Luvtonne kam es dann zum unvermeidlichen Knäuel mit acht oder neun Booten. Ich war mittendrin und verlor für einen Moment den Sichtkontakt zu meinem Boot. Als ich es wieder sah, hatte ich bereits Kontakt mit einem Leeboot und durfte einen Kringel drehen. Dies war besonders ärgerlich, da ich diesen an der Stelle des Kurses mit dem wenigsten Wind machen durfte. Nach absolvierten 360° fand ich mich in der Schlussgruppe des Feldes und machte mich auf die Verfolgung. Das Feld war zu diesem Zeitpunkt schon recht weit auseinandergezogen und außer Schadensbegrenzung war nichts mehr möglich. Die Zielkreuz war noch einmal spannend, denn die Linie bildete die Luvtonne und eine weitere Tonne oben an der vom Clubhaus abgedeckten Seeseite. Es war schwierig, eine bessere Seite auszumachen. Ein Schlag nach rechts brachte einen relativ früh in die Abdeckung, allerdings schien es am Ufer einen Zieher zu geben, der einen ohne weitere Wende bis ins Ziel brachte. Die linke Seite hatte länger Wind, aber dafür kam man auf dem falschen Bug auf die Linie zu und musste möglicherweise noch eine Wende mehr fahren. Peter hatte sich mit einem Schlag auf die rechte Seite und einem Sprint zur Linie den erneuten Aufstieg und damit einen Platz im B-Lauf gesichert. Ich wollte mit meinem Boot lieber länger im Wind bleiben und entschied mich für die linke Seite. Dies schien auch aufzugehen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich umlegte, um den Schlag zur Linie zu machen. Der Wind schien mit mir mitzudrehen und es war klar, dass ich nicht mehr zur Linie kommen würde, um dann an der Tonne nur noch eine Wende ins Ziel zu fahren. Ich beendete den Lauf mit nur drei weiteren Booten hinter mir und hätte somit wieder in den D-Lauf gemusst, dies blieb mir aber erspart, da die Zeit einen weiteren Lauf nicht mehr zulassen würde.

Im darauf folgenden B-Lauf konnte Peter wieder gut mithalten und verpasste als Fünfter denkbar knapp den A-Lauf. Das war dann doch noch ein versöhnlicher Abschluss für ihn, der vom D-Lauf kommend nur äußerst knapp den kompletten Durchmarsch in den A-Lauf verpasste.

Im letzten A-Lauf musste die Entscheidung fallen. Graham Bantock ging mit einem Vorsprung von 6 Punkten auf Martin Roberts in diesen Lauf, wobei Roberts wiederum 5 Punkte vor Trevor Binks lag. Peter Stollery hatte die Aufgabe, vier Punkte auf Trevor Binks aufzuholen, ohne dabei zu viele seiner 9 Punkte auf Philip Playle zu verlieren. Michael hatte zu diesem Zeitpunkt nur zwei Punkte Vorsprung auf den  siebten Chris Harris.

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Graham Bantock ließ nichts mehr anbrennen und gewann auch den letzten Lauf der Veranstaltung. Trevor Binks kämpfte bis zum Schluss und wurde Zweiter mit einem deutlichen Abstand zu seinem Bruder Ken auf dem dritten Platz. Der vierte Platz von Philip Playle reichte nicht mehr aus, um den als Achter einlaufenden Peter Stollery vom vierten Platz zu verdrängen. Der fünfte Platz sicherte Martin Roberts den Vizetitel. Michael konnte mit einem sechsten Platz auch einen sehr guten sechsten Gesamtrang vor Chris Harris sichern. Ken Binks wurde achter, gefolgt von Mark Holt und Mark Dennis.

Zur Technik

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Graham Bantock hat seine ITALIKO weiter optimiert. Er hat eine neue Kielflosse, bei der die Hinterkante mit dem Schwertkasten fluchtet und somit die Gesamtfläche in Richtung Bug verschoben ist. Außerdem hat er das Ruderblatt leicht verändert. Auffällig ist weiterhin die Sorgfalt, mit der auch die kleinsten Details des Bootes perfekt vorbereitet sind.

Das meist gesegelte Boot neben der ITALIKO war die GADGET, mit der Martin Roberts Zweiter wurde. Dieses Boot hat durch Martins Erfolge als Welt- und Europameister viel Zulauf erfahren und war unter allen Bedingungen schnell. Mein Eindruck war, dass Martin mit einer etwas defensiveren Art besser gefahren wäre, denn am Boot hat es sicher nicht gelegen, dass er "nur" Zweiter wurde.

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Trevor Binks hat die ISIS gesegelt, mit der er letztes Jahr in Kanada Weltmeister geworden ist. Auffällig war vor allem die gute Geschwindigkeit des Bootes vor dem Wind, er konnte hier immer wieder Plätze gut machen. Trevors WM-Titel hat dazu geführt, dass Barry Chisam mittlerweile einen 18-monatigen Vorlauf an Bootsbestellungen für die ISIS hat.

Peter Stollery segelte mit einer neuen TONIC. Dabei hat er diesen in die Jahre gekommenen Riss unter Wasser unverändert gelassen, hat aber die Mastposition verändert und das Deckslayout modernisiert. Ein vierter Platz spricht für sich.

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Michael Scharmer segelte seinen neuesten Eigenbau, der mit 15 cm maximaler Breite extrem schmal ist. Die Folge davon ist, dass er mit der Rumpftiefe an die Grenzen der Klassenvorschrift von 60 mm stößt. Mit seinen Holzriggs und den Segeln aus Cellophanfolie hat sicher kein Boot mehr Aufsehen erregt. Michael hat unzählige Fragen beantwortet und sein gutes Ergebnis hat auch bei erfahrenen Designern wie Graham Bantock für reges Interesse gesorgt. Insgesamt geht der Trend in England zu schmaleren IOM-Booten. Von den 68 Teilnehmern waren nur noch drei mit einer "TS 2" am Start.

Bei den Segeln waren die Segel von Graham Bantock und Martin Roberts etwa gleich verteilt. Bei der Segelwinde setzt man immer mehr auf das von den Binks-Brüdern umgebaute HITEC-Jumbo-Servo mit einem langen Arm. Das bringt neben ultrakurzen Reaktionszeiten auch eine sehr hohe Präzision mit sich.

Fazit

Die Regatta war ohne jede Einschränkung die Reise wert. Es war eine hochklassige Veranstaltung, wie man sie in dieser Qualität sonst in Europa vermutlich nur auf einer Europameisterschaft findet. Es ist bemerkenswert, auf welch hohem Niveau die Modellsegelei in England betrieben wird. Alle Teilnehmer waren regelfest, was zur Folge hatte, dass sehr hart, aber jederzeit fair gesegelt wurde. Jeder Winddreher wurde von der Regattaleitung beobachtet und mit Kurskorrekturen beantwortet. Man muss leider neidlos anerkennen, dass wir in Deutschland einiges aufzuholen haben, wenn wir auf diesem Niveau bestehen wollen.

Abschließend kann nur jedem empfohlen werden, der Einladung der Engländer zu folgen und im nächsten Jahr an dieser Regatta teilzunehmen.

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 8/2004 Autor:Nigel Winkley.
Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.

Geschrieben von: Nigel Winkley
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