IOM UK-Nationals in Aylesbury 

Zu Beginn der diesjährigen Regattasaison kamen Michael Scharmer und Nigel Winkley mit dem Gedanken rüber, dass wir (für einige: mal wieder) bei der Britischen Meisterschaft ein wenig mitmischen und unseren Leistungsstand testen könnten. Gute Idee, hatte ich sowieso schon mal vorgehabt. Neben mir fand sich noch Carsten Posmik als Mitstreiter, Nigel bekam von seinem Chef leider einen Strich durch den Urlaubsplan gemacht (Schade!!!), so dass wir letztendlich zu dritt loszogen.
Kurze Anreisebeschreibung: Michael zu Carsten, beide zu mir, alle drei nach Hoeck van Holland, mit der Schnellfähre (75km/h) nach Harwich, über den Londoner Aussenring westwärts und dann nach Aylesbury/ Buckinghamshire.
Michael kannte das Revier bereits vom letzten Jahr und hatte uns vorgewarnt: Der Teich (Ausdehnung ca. 400x400m) liegt am Rand eines recht noblen Wohngebietes. Bis auf einen 100m ... 150m langen Uferstreifen an der West- und Südwestseite (Startstellenbereich), in dessen Hintergrund auch noch ein künstlich angeschütteter Hügel thront, ist der See von Gebüsch und zweigeschossigen Wohnhäusern umgeben.
Der für alle drei Tage angesagte Süd- bis Südwestwind passte zwar halbwegs ins Landschaftsbild, jedoch wären wir mit einer mehrjährigen Gewässer-Erfahrung in der Hinterhand wesentlich besser dran gewesen. Wohl dem, der weiss, wo sich die Windlöcher auftun...
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Das Event begann mit dem Wiegen der Kiele sowie der kompletten Boote mit allen drei Riggs. Die Waage stand dabei praktischerweise auf dem Wiesenboden in einem nicht wirklich vor Wind schützendem Pavillon ... Nun ja ... ich bin mir nicht sicher, ob die zusätzlichen 30g wirklich in mein Boot gehören... Pünktlich 9.30 Uhr eröffnete Wettfahrtleiter Chris Harris die Veranstaltung in knapper Manier, gab noch ein paar Hinweise in Sachen Frequenzzuteilung u.ä. ... und los ging es!
Gesegelt wurde (keine Frage!) nach HMS-System mit 3 Gruppen (44 Teilnehmer), für den ersten Lauf hatte man uns drei in je eine derselben eingeteilt. Wahrscheinlich nach Alphabet - ich durfte mal wieder als Erster ran. Von den internationalen Erfahrungen des letzten Jahres (EM in Spanien) noch immer ein wenig beeinflusst, habe ich mich am Start sehr zögerlich verhalten und bin dann auch prompt mit einem Platz in der C-Gruppe bedient worden.
Allerdings hatte ich von Anfang an das gute Gefühl, dass die vielen Bastel- und Grübelstunden der Winterpause nicht umsonst gewesen waren: Im Vorfeld nur kurz und ohne Vergleich getestet, machte das jahrelange "Problemkind", mein 1er Rigg, von Anfang an eine sehr gute Figur. Zu Beginn war der Trimm zwar nicht ganz perfekt (man durfte übrigens zwischen den Läufen nicht einfach so rumsegeln und probieren!), aber nach ein paar Einstellungskorrekturen fing meine neue SACHSENPOWER richtig Klasse zu laufen an. Bei den Starts wurde ich nach und nach mutiger. Und prompt fand ich mich auf guten Platzierungen in der B-Gruppe wieder, schrammte erst mal mit einem 5. knapp am Aufstieg nach A vorbei und konnte gegen Ende des Wettfahrttages sogar einen Aufstieg mit Drinbleiben verbuchen. Wow, wer hätte das gedacht!
Als gegen 18 Uhr (!) der "Today´s finished!"-Ruf rundging, war ich ziemlich happy, nicht nur, weil das endlose Herumstehen (Hocker vergessen) ein Ende hatte.
Tag 2 begann windtechnisch gesehen etwas komplizierter. Die Hauptrichtung hatte ein wenig mehr nach Südwest gewechselt (Samstag SSW), wehte unbeständiger (von lau bis kräftig böig), und immer häufiger kam es zu saftigen Drehern. Der Hügel im Hintergrund war an den Verwirbelungen nicht ganz unbeteiligt.
Den Veranstaltern bereitete es sichtlich Probleme, uns Seglern eine gute Startkreuz anbieten zu können. Als erstes musste das Absegeln der Regattabahn entgegen dem Uhrzeigersinn aufgegeben werden. Nur so war es möglich, auch weiterhin kurz neben der ersten Bahnmarke eine Verholtonne zu platzieren - äußerst positiv hinsichtlich Entflechtung des sonst entstehenden Gegenverkehrs und deshalb nur zu empfehlen. Und gleich noch eine Bemerkung: Meiner Meinung nach bringt das (neuerdings) propagierte Linksherum-Fahren des Kurses keinen wirklichen Vorteil. Das Unterwenden und bewusste Reinquetschen im Vier-Längen-Kreis vor der Luvtonne beschert genauso viele Probleme wie die aufkommenden Backbord-Steuerbord-Situationen, wenn es rechtsherum geht.
Hin oder Her - seglerisch wurde es für mich DER Tag: Nach einigem Auf und Ab gerade in der Hoffnung schwelgend, doch wieder in die A-Gruppe aufsteigen zu können, blieb mein Boot kurz vor der Leeboje am Rigg eines Konkurrenten hängen, was mir einen Durchreicher nach C einbrachte. Die Schuld war hauptsächlich meinerseits, aber der total verbogene Mast hätte nun wirklich nicht sein müssen. Zum Glück und mit etwas Gewalt ließ er sich wieder richten.
Im Verhältnis relativ unberührt davon - wer mich kennt, der weiß, dass das nicht immer so ist - gelang mir der Aufstieg nach B und weiter nach ganz oben. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Diesen A-Lauf habe ich gewonnen! Zwischenzeitlich mit 15 Metern Vorsprung unterwegs, hatte ich am Ende doch noch ein Herzschlag-Finale auszustehen. Peter Stollery (GBR 39) konnte sich meine Wende- und Windsuch-Versuche aus sicherer Aufholposition anschauen und entsprechend reagieren, so dass er am Ende bis auf einen halben Meter herangekommen war. Die Kreuz hätte keine 2 Meter länger sein dürfen...
Die Konkurrenz klinkte sich aber nicht nur bremsend in meine Takelage ein, sie unterstützte auch kräftig: Wenn man eine Boje zu runden vergisst, ist man halt draußen. Davor sind selbst solche Leute wie Martin Roberts nicht gefeit. Und den erwischte es danach gleich noch einmal, als sein Akku sich per Kurzschluss verabschiedete. Sein Gesicht sprach Bände - der Abstieg nach C hat ihm mindestens den Vize-Titel gekostet.
wat34Mir gelangen für den Rest der Regatta noch einige weitere gute Plätze, aber bei der Stärke der Konkurrenz war allein der Gruppenerhalt sehr schwer. Dennoch schaffte ich es, mehr als die Hälfte aller Läufe am Sonntag und Montag in A zu beenden, was sich dann auch positiv auf meinem Punktekonto niederschlug. Von ziemlich weit hinten über Platz 17 am Sonntagabend habe ich es letztendlich nach 20 Läufen auf den 14. geschafft. Ganz ehrlich, das gibt Auftrieb! Und die Gewissheit, dass die TEST 5 es wohl noch ein paar Jahre zu meiner Zufriedenheit machen wird.
Und wie erging es den beiden anderen? Carsten pendelte (die ganze Regatta) häufig zwischen den Gruppen B und C. Seine SPIRIT OF S. lief bei weniger und gleichmäßigem Wind recht gut, in den zeitweiligen Böen und den am 2. und 3. Tag länger anhaltenden grenzwertigen Windverhältnissen - wir segelten nur mit dem 1er Rigg - hatte sie aber so ihre Probleme. Ich vermute, dass die Icarex-Fock im Verhältnis zum Folie-Gross zu sehr nachgab und der Trimm sich dann heftig verschob. Mit ein paar Schnitzern weniger wäre vielleicht am Ende der 30. Platz für ihn drin gewesen, der 34. ist es geworden.
Michael war wohl derjenige von uns, der mit den höchsten Erwartungen angereist war. Schließlich geht es hart auf die Australien-WM zu, und so ein kleiner Leistungstest zur Standortbestimmung kommt da gerade recht.
wat25In gewohnter Manier begann er dann auch in Gruppe A, nicht allen davon segelnd, aber recht ordentlich. Allerdings war er auch so ein bisschen der "Hase" im Feld - von allen gejagt. Nicht, dass es unfair zugegangen wäre, aber jeder der britischen Spitzensegler kennt Michael mittlerweile und ist mit Sicherheit darauf bedacht gewesen, in einem Zweikampf gegen ihn nicht den Kürzeren ziehen zu müssen. Dementsprechend eng ging es zuweilen halt zu (nicht NUR um Michaels Boot herum), so dass sich die GER 09 mehrmals in der B-Gruppe wiederfand. Und ein Aufstieg war gar nicht so einfach... Dass so was an den Nerven zehren kann, weiß ich aus eigener Erfahrung gut genug. Und je länger es dauert... wat29Dazu kam meiner Meinung nach noch, dass die flachen und kurzen Wellen keine wirkliche Unterstützung für das Potential von Michaels Boot waren, sondern eher die (konventionell) rundspantigeren Boote bevorteilten. Aus dem zwischenzeitlichen Platz 8 ist am Ende der 12. geworden. (Vorsprung vor mir: 38 Zähler) Ein "nur" erspare ich mir da in jedem Zusammenhang - in meinen Augen ist das eine klasse Leistung!
Ich kann trotzdem und durchaus verstehen, wenn Michael nun doch nicht mehr nach Down Under fahren will - angesichts der Preisgestaltung und ohne Sponsor - vor den anderen verstecken braucht er sich aber noch lange nicht! Die Leistungsdichte der Insel-IOM-Segler ist nun mal um einiges höher als hierzulande, nicht zuletzt auch daran zu sehen, dass selbst im vorderen Mittelfeld Platzierte sich mehrere Ausflüge weit nach hinten haben gefallen lassen müssen.
Die Wettfahrtleitung hat im Grossen und Ganzen ihre Sache gut gemacht. Zu verbessern gibt es sicher immer etwas, und so haben wir uns beispielsweise das eine oder andere Mal über die Kursgestaltung ein bisschen wundern müssen - etwas weniger Krampf hätte es auch getan. Tja, und der Regattaleiter selbst... eine weniger rauhe Stimme und etwas weiter geöffnete Augen am Morgen wären in so einer Position sicher angebrachter. Aber so ist er nun mal, der Chris... Auch nicht wirklich gut gefallen hat mir die permanente Ein-Mann-Jury. So kompetent der Mann auch sein mag, die mehrstimmige Beratung über einen Protest ziehe ich der Urteilsfindung zuliebe schon vor. Aus eigener Erfahrung.
Bei Booten und Technik war an und für sich nichts wirklich Neues zu entdecken. Neben einigen Bantock- und Dicks-Konstruktionen waren in erster Linie GADGETs, ERRICAs, STEALTH´ und ISIS´ am Start.
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wat55Nicht unerwähnt lassen möchte ich natürlich das Sieger"team" - Peter Stollery und seine ISOTONIC, bereits bei der letztjährigen EM als Zweitplatzierte(r) sehr erfolgreich. Die Rumpfschale entspricht der Ur-TONIC, die u.a. unser Eric Pawlowitz während der Europameisterschaft 2000 in Frankreich segelte und damals nicht so recht zum Laufen brachte. Diese Erstversion war sehr unruhig und schwer zu kontrollieren.
Laut Peter haben die Neuanordnung von Kiel, Ruder und Rigg dem Boot absolut ausgeglichene Segeleigenschaften beschert. Die Änderung des Decks ist zwar äußerst nützlich, aber ein wesentlich kleinerer Faktor im Gesamtkonzept.
Die Verwendung von Segelservos und -winden hielt sich in etwa in Waage, ein echter Umschwung hin zum Servo ist aber erkennbar und wird sich im Zuge von Bootsneubauten durchsetzen.
Am Rigg der meisten vorn platzierten Boote habe ich gesehen, dass sie einen gespannten Jackstag aus Stahllitze oder dünnem Draht verwenden, der oben am drehbaren Drahthaken befestigt ist. Eine zweischneidige Sache, da der Zug auf dem Draht die Drehbarkeit des Drahthakens hemmt (theoretisch). Im Gegensatz dazu sind mir auch Riggs aufgefallen, die nur so vor Schnürlis und Häkchen und was-weiss-ich-nicht-alles-noch strotzten, so dass ich feststellen kann, dass wir hierzulande recht vernünftig und aufgeräumt dahergeschippert kommen.
Mein Fazit: Im Grossen und Ganzen war dieser Trip wirklich eine Bereicherung in Sachen Regattasegeln. Es hat mächtig viel Spaß gemacht, und das nicht nur, weil ich mit meiner Platzierung alle selbst gesteckten Erwartungen weit übertroffen habe: Hier wurde hart, aber fair gesegelt, und was das wichtigste war: Man konnte sich auf seine Gegner verlassen, weil die nämlich mitdachten! Eine Kollision bremst nun mal beide aus, und deshalb wurde (fast) nie sinnlos draufgehalten und einem als Wegerechtsboot alle Chancen zunichte gemacht. Diese Art und Weise würde auch unserer Regattaszene gut zu Gesicht stehen, nur leider lässt sich so etwas nicht im Handumdrehen verwirklichen.
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Übrigens haben wir versucht, einige der britischen Kollegen zu überzeugen, auf dass sie unsere Meisterschaft mit ihrer Anwesenheit bereichern. Wäre doch der beste Grund, an sich zu arbeiten...

In diesem Sinne Mast- und Schotbruch
Jens Amenda
Geschrieben von: Jens Amenda
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