Um den Modellsegelsport nicht zersplittern zu lassen, war es erforderlich, ebenfalls Bootsklassen zu schaffen, die es ermöglichen, den Zielen der Modellsegel-Abteilung gerecht zu werden. Da nun der Modellsegelsport in den letzten Jahren eigentlich nur in Hamburg betrieben wurde, und zwar mit Modellbooten, die mehr Ausgleicher als Klassenboote waren, so brauchte man bei Festsetzung der neuen Klassen keine Rücksicht auf Bestehendes nehmen, sondern konnte die Klassen rein aus sachlichen Erwägungen heraus schaffen und ihre Anzahl möglichst beschränken; so entstanden sechs Klassen.

Im Gegensatz zum Yachtbau steht an erster Stelle die Forderung, dass die Klassenvorschriften nicht nur auf den Selbstbau der Modellboote, sondern auch auf das Selbstentwerfen der Risse abgestellt sein müssen, denn ganz davon abgesehen, dass gerade darin der große erzieherische Wert des Modellsegelsports liegt, verfügen die Jünger dieses Sportes weit weniger als die des Segelsportes über Mittel, die ihnen den Ankauf von Modellbooten und Rissen gestatten. Also die Klassenvorschriften müssen so einfach wie möglich sein, damit auch der kleine Hosenmatz, der eben erst das Ein-mal-Eins gelernt hat, sie verstehen kann. Trotzdem sollen andererseits die Vorschriften die Entwicklung gesunder Bootstypen fördern, die auf der Linie der Entwicklung des Yachtbaus liegen. Wurden 6 Bootsklassen, und zwar A-F geschaffen.

Im Gegensatz zu den einfachen Vorschriften der Klassen C-F stehen die Klassen A und B, für deren Aufstellung noch andere Gründe mitsprachen. Ebenso wie der Segelsport im Großen wieder die internationalen R-Boote in den Vordergrund stellt, um durch internationale Wettkämpfe die Kunst des Segelns und den Jachtbau hochzuentwickeln, durfte sich gerade der deutsche Modellsegelsport dem viel höher entwickelten Modellsegelsport des Auslandes nicht verschließen, es musste also eine internationale Klasse aufgenommen werden, in der im Auslande die wichtigsten Kämpfe ausgefochten werden, und das ist die internationale A-Klasse.

Die Klasse A, deren Boote eine Länge von etwa 1,90 m bei einer Verdrängung von circa 22 kg haben, sind recht verwickelt, und die Risse im Allgemeinen nur von Jachtkonstrukteuren zu entwerfen, aber aus vorstehenden Gründen konnte auf die A-Klasse nicht verzichtet werden.

Die Klasse B ist eine Klasse der Schiffbaubeflissenen; sie soll der Forschung dienen, inwieweit Schlüsse aus den Eigenschaften segelnder Modelle auf die der großen Jachten zu ziehen sind, und wenn diese Frage im positiven Sinne beantwortet ist, den Modellsegelsport unmittelbar in den Dienst des Jachtbaus stellen. In diese Klasse gehören alle naturgetreuen Modelle großer 6 m R-Jachten in dem Maßstab 1 : 6.

Die Klassen C-F (siehe die kleine Druckschrift der Modellsegel-Abteilung) sind auf diesen Grundsätzen aufgebaut worden. Die Klasse F, die dem Konstrukteur am wenigsten Freiheit lässt, begrenzt die Länge über Deck zwischen 950 und 1000 mm und die Segelfläche nach oben mit 1/3 qm, außerdem ist eine Mindestbreite, eine größte Tiefe und ein Höchstgewicht von 3,5 kg vorgeschrieben. Die Klasse F ist die kleinste Klasse und ist für die jüngste Jugend gedacht, die auch schon Schiffchen schwimmen lassen wollen, deren Kräfte und Können für große Modellboote aber noch nicht ausreichen. Sie soll schon bei dieser Jugend die Liebe zum Wasser, zum Segelsport und zum Schiffbau wecken.

Die Klasse C ist wenig beschränkt, um zu weitgehenden Versuchen Gelegenheit zu geben. Man hat hier an eine Entwicklung in Richtung der Schärenkreuzer gedacht, und dürfte sich die Länge über Deck dieser Boote zwischen 1,50 und 1,60 m bewegen. Begrenzt ist in der C-Klasse nur das Verhältnis der Länge zur Breite, indem die Länge höchstens das 6,5fache der Breite betragen darf; außerdem darf die Segelfläche 0,5 qm nicht überschreiten. Das Mindestgewicht ist auf 6 kg festgesetzt.

Die Klassen D und E haben die gleichen Abmessungen. Sie sind an die amerikanische 50 inches 800 sqare inch Marblehead-Modellklasse, in der in Amerika über 1000 Modellsegelboote laufen, angelehnt worden, um einmal auf den amerikanischen Erfahrungen, z.B. durch Beschaffung von amerikanischen Rissen aufbauen zu können., und um zweitens im Wettstreit zwischen deutschen und amerikanischen Konstruktionen deutsches Können zu beweisen. In diese Klassen gehören alle die Modelle, deren Rumpf über Deck gemessen nicht länger als 1270 mm ist bei einer wirklichen Amwindsegelfläche von höchstens 0,5 qm. Der unterschied zwischen der Klasse D und E ist der, dass der Klasse E nur Scharpiemodelle angehören können. Man ist von der Voraussetzung ausgegangen, dass Scharpieboote mit Rundspantbooten bei gleicher Formgebung nicht konkurrieren können. Um aber Anfängern im Modellbootsbau, die der leichten Bauweise wegen bei einem Bau auf Spanten zuerst fast immer ein Scharpieboot auflegen werden, die Freude am Modellsegelsport durch Misserfolge der Regattabahn nicht von vornherein zu trüben, ist für diese die Scharpieklasse geschaffen worden.

Nachdem die Klassen festgelegt waren, galt es allgemeine Richtlinien für Wettsegelbestimmungen für die Modellbootregatten festzulegen. Hier musste man natürlich ganz andere Wege als im Segelsport gehen, da die Modellboote unbemannt sind und nur durch die genaue Einstellung des Mastes, der Segel und des Ruders, soweit ein solches vorhanden, auf dem gewünschten Kurs gehalten werden, während der Steuermann bei Segeln auf Teichen am Ufer steht oder bei Segeln auf größeren Gewässern vom Beiboot aus nur hin und wieder in den Lauf seines Bootes eingreifen kann und darf.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch schon die Tatsache, dass man Wettsegelbestimmungen zweierlei Art haben muss, einmal für Segeln auf Teichen, wie es hauptsächlich in England betrieben wird, und dann vom Beiboot aus, wie es hauptsächlich in Amerika betrieben wird. Da in Deutschland bisher das Wettsegeln mit Modellbooten in recht primitiver Form vor sich ging, so lagen auf diesem Gebiet bei uns keine großen Erfahrungen vor, und die Modellsegel-Abteilung sah sich daher gezwungen, auf die sehr sauber durchgearbeiteten Wettsegelbestimmungen von England und Amerika zurückzugreifen, um so mehr, als die englischen Bestimmungen für Modellsegeln auf Teichen von dem internationalen Wettsegelverband (International Model Yacht Racing Association), der 1927 in England gegründet wurde, für die internationalen Rennen in der A-Klasse vorgeschrieben worden sind.

Diese internationalen Wettsegelbestimmungen, die hauptsächlich für Segeln auf Teichen abgestellt sind, regeln die Bedienung der Boote von den Ufern aus und legen ein bestimmtes Punktsystem fest, da ja das Rennen nicht in einem Zuge durchgeführt werden kann, wo der erste am Ziel Sieger ist, sondern jeder Kurs nach Neueinstellung der Boote am Ufer für sich gesegelt werden und bewertet werden muss. Außerdem wird genau die Bedienungsmannschaft, die Wettfahrtleitung, das Protestwesen usw. geregelt.

Ganz anders sind die Modellsegelbootregatten auf größeren Gewässern vom Beiboot aus geartet, Regatten wie sie vorläufig für uns hauptsächlich in Frage kommen werden, da wir leider in Deutschland über Teiche, die für den Modellsegelsport geeignet sind, nicht verfügen. Letzteres ist um so bedauerlicher, als das Modellsegeln auf Teichen viel einfacher und billiger ist, da es nicht von teuren Begleitfahrzeugen abhängig ist, es würde daher einen großen Auftrieb für den Modellsegelsport bedeuten, wenn sich die städtischen Behörden zum Bau von Teichen entschließen könnte.

Die Wettsegelbestimmungen nach amerikanischem Muster vom Beiboot aus, lassen die Modellboote Bojen runden, ausweichen nach allen Regeln der Kunst und, wer zuerst am Ziel ist, hat gewonnen. Das erfordert natürlich einen sehr geschickten Bedienungsmann, und wie im großen Segelsport kann es vorkommen, dass nicht das bessere Boot sondern der bessere Mann entscheidet.

Interessant ist bei den Ausweichregeln, dass das Boot vor dem Winde das Wegerecht hat gegenüber dem Boot am Winde im Gegensatz zum Segelsport im Großen, was dadurch begründet ist, dass das Einstellen des Bootes mit Spinnaker vor dem Winde das Schwierigste ist.

Wer sich einmal der Mühe unterzieht, das Heftchen „Klasseneinteilung und Wettsegelbestimmungen", von der Modellsegel-Abteilung des Deutschen Seglerverbandes herausgegeben, genau durchzulesen, wird einsehen, dass weder der Modellbootsbau noch das Wettsegeln der Modellboote ein Kinderspiel ist, und dass sicherlich mancher Segler mehr aus seinem Boote herausholen könnte, wenn er durch die Schule des Modellsegelsports gegangen wäre.

Aus dem Jahrbuch des DSV 1935

Geschrieben von: August Behringer
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