In letzter Zeit zeigt ein Hobby zunehmende Tendenz: das lautlose Segeln mit RC-Segeljachten, Waren es anfänglich die Bedenken hinsichtlich der eigenen Steuerkünste, die Modellbootkapitäne vor Segeljachten zurückschrecken ließen, so tauschen nach und nach immer mehr Steuerleute ihr „Steuerrad" gegen eine „Ruderpinne" ein.

1980_merlin3Fast alle namhaften Modellbauartikelhersteller haben heute wenigstens eine RC-Jacht in ihrem Programm. Meistens handelt es sich um vorbildähnliche Nachbauten bekannter Segeljachten und nicht um Klassenboote für den Regattaeinsatz. Aber gerade diese reinen Zweckboote sind es, die einem Modellsegler den wahren Genuß an der Segelei vermitteln. Konstruiert und gebaut, um unter allen Wetterbedingungen ein optimales Fahrverhalten und maximale Leistung zu garantieren, wird das äußere Erscheinungsbild dieser Boote durch ihre Funktion bestimmt. Ziel ihrer Konstrukteure und Skipper ist es, bei Regatten immer etwas schneller als die anderen Boote zu sein.

So ist es nicht verwunderlich, daß es einige wenige Hersteller gibt, die sich voll und ganz auf diesen Zweig des Modellbaus spezialisiert haben. Einer davon ist die Firma Adolf Klug KG in Öhringen in Baden-Württemberg. Diese Firma beschäftigt sich schon seit Mitte der sechziger Jahre mit dem Modelljachtbau und bietet seitdem eine Vielzahl von Segeljachten an. Die Palette reicht vom handlichen 1-Meter-Boot über mehrere M-Boote und Ten- Rater bis zum klassenlosen Zweimaster und exklusiven Catamaran.

Als neuestes Produkt präsentiert Klug die MERLIN, die in verschiedenen Versionen hinsichtlich ihrer Vorfertigung angeboten wird. Siehe Anzeigenteil.

Bei der hier beschriebenen Version der MERLIN handelt es sich um ein Fertigmodell in Luxusausführung. Der GfK-Rumpf ist gelb eingefärbt und hochglanzpoliert. Das Holzdekor-Deck ist ebenfalls hochglänzend und von einem echten Holzdeck kaum zu unterscheiden. Mast, Bäume und Lukendeckel sind aus schwarzem GfK gefertigt. Passend dazu die Messingbeschläge von guter Qualität. Mit zum Lieferumfang gehören die bereits installierte, aufwendige Schotführung, ein klappbarer Bootsständer, GfK-Grundplatte für die RC-Anlage und ein relativ großer, stabiler Verklicker. Allerdings sollte eines nicht verschwiegen werden: wer Eigner einer so hervorragend gefertigten Mini-Jacht werden will, muß recht tief in die Taschen greifen!

Das Auffälligste an der MERLIN ist ihr voluminöser Rumpf, der den für M- Boote typischen geraden Vorsteven erhielt und gleichzeitig mit einem in die Rumpfform integrierten Bugfender aus Gummi versehen wurde. Betrachtet man den Rumpf vom Bug her, fällt das flache, jollenförmige Unterwasserschiff auf, das gute Gleiteigenschaften verspricht. Auch das ist neu. Trotz des Volumens wirkt das Boot elegant. Es ähnelt in seiner Form den modernen Rennmaschinen für den Admirals Cup: Große Rumpfbreite, negativer Spiegel mit Abrißkante und weiche, runde For- men statt scharfer Kanten zwischen Rumpfschale und Deck. Der Kiel ist tief und schmal und hat eine trapezförmige Form. Die Übergänge zwischen Rumpf und Kiel sind ebenso einwandfrei geformt, wie die zwischen Kielflosse und dem tropfenförmigen Kielgewicht. Der Ballast ist in die GfK-Flosse mit eingeschlossen. Die Kielflosse und das Ruder sind hydrodynamisch gut geformt, so daß optimale Wirksamkeit bei geringem Widerstand erzielt wird.

Der Zugang zum Rumpfinneren erfolgt durch einen großen Lukendeckel, der durch seine besondere Konstruktion selbsthaltend und absolut wasserdicht auf dem konischen Süllrand sitzt. Der lange, profilierte und relativ dünne Mast ist drehbar gelagert und kann sich so günstig dem Segelprofil anpassen. Um einem solch leichten, sich frei drehenden Mast die notwendige Festigkeit zu verleihen, ist eine aufwendige Verstagung notwendig. Drei Salings, Oberwanten und Diamond-Verstagung, je zwei Unterwanten und ein Jumpstag geben diesem „weichen Mast" die erforderliche Steifigkeit. Dabei wird manch einer sicher an die Verwirbelung denken, die ein so verspannter Mast erzeugt. Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, daß dieser Mast selbst bei starkem Wind noch „in Form" bleibt und somit auch das Großsegel seinen Trimm behält. Außerdem entsteht hinter dem sich dem Segel an- passenden Mast keine Verwirbelung, wie es bei dickeren und nicht drehbaren Masten der Fall ist.

Groß- und Fockbaum sind ebenfalls sehr leichtgängig gelagert. Dabei ist der Großbaum an einer stabilen Baumabstützung angelenkt, über die mit Hilfe einer Gewindespindel das Achterliek des Großseglers gespannt wird. Der Fockbaum lagert in einer metallarmierten GfK-Halterung. Eine Schraube mit Langloch im Baumgelenk erlaubt hier die gewünschte Achterliek-Spannung. Der Segelbauch beider Segel ist leicht und schnell durch die an den Baumenden in Langlöchern geführten Klemmschieber einzustellen.

Besonderer Erwähnung bedarf auch das Segel, das zur Zeit leider nur in weiß lieferbar ist. Es ist von guter Qualität und ergibt in Verbindung mit dem aufwendigen Rigg einen ausgezeichneten Segelstand. Als sehr nützlich hat sich eine im Achterliek des Großsegels mit ZZ-Nähten befestigte Schnur erwiesen, die durch leichtes Spannen eine weitere Profilierung des durch sein hohes Seitenverhältnis extrem schmalen Segels gestattet.

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Trotz all dieser technischen Raffinessen läßt sich die MERLIN schnell und ohne Werkzeug aufriggen. Lediglich zum Einstellen der Segel sollte man immer einen kleinen Schraubenzieher dabei haben. Besondere Schnellspanner ermöglichen ein gleichmäßiges Festsetzen des Riggs. Das durch die Fock geführte Vorsteg bestimmt durch seine Länge stets den gleichen Winkel zwischen Mast und Decks-Längsachse.

Problematisch könnte nur der Transport dieses modernen M-Boots werden, da weder die Bäume noch Kielflosse oder -gewicht und auch nicht das Ruder abnehmbar sind. Dabei kommt dem Ruder natürlich besondere Bedeutung zu, ist es doch mit seiner Anlenkung das am meisten beim Transport gefährdete Teil. In diesem Falle aber sind Ruder und Ruderachse so stabil ausgeführt, dass man hier keine Bedenken zu haben braucht. Um eine eventuelle Übertragung von Stößen auf die Rudermaschine zu verhindern, sollte man die Ruderstangenverbindung zum Servo beim Transport regelmäßig aushängen. Trotzdem, eine Steckruderachse gefällt mir besser!

Weniger schön ist meines Erachtens auch die etwas klobige Schotführung auf dem sonst aufgeräumt wirkenden Deck. Die vorgesehene Schotführung ist absolut funktionssicher, erfordert aber eine besonders kräftige Winde, wie sie z. B. auch durch die Klug KG geliefert wird. Für eine handelsübliche Winde sollte man aber tunlichst eine leichtgängigere Schotführung installieren. Ich habe hier kugelgelagerte Blöcke verwendet und unter Deck die Schoten an ein Endlosband angeschlagen. Auch diese Methode ist sicher und hat sich sehr gut bewährt. Auf alle Fälle sorgen die zierlichen Blöcke auf Deck für ein noch gefälligeres Äußeres des Modells.

Fahrverhalten

Schon die ersten Fahrten bei mittlerem Wind bekräftigen den guten Eindruck, den das Boot bereits äußerlich macht. Es ist beeindruckend, wie ausbalanciert dieses Boot über einen großen Windgeschwindigkeitsbereich im Trimm bleibt. Ruhig und kursstabil läuft die MERLIN beim Kreuzen am Wind. Sie ist andererseits extrem wendig. Überhaupt hat man stets das Gefühl, das Boot sicher im Griff zu haben. Selbst bei starken Krängungswinkeln ist die Ruderwirkung noch voll ausreichend. Leichtes Ansprechen auf den leisesten Windhauch und Kursstabilität bei kräftigen, böigen Winden weisen auf gute Allroundeigenschaften hin. Doch wie vertragen sich gutmütige Segeleigenschaften mit den von Regattabooten geforderten' optimalen Segelleistungen?

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Diese Frage kann nur durch Vergleiche mit anderen Jachten und bei Regatten beantwortet werden. Da es unter den M-Booten spezielle Leichtwetter- und Schwerwetterjachten gibt, müßte man die MERLIN wegen ihres hohen Gewichtes eher den letzteren zuordnen. Um so erstaunlicher ist die Feststellung, wie gut dieses Boot auch bei Flaute mithalten kann. Die Gründe dafür dürften wohl die hohe 2-Meter- Rigg und die gut stehenden Segel sein.

So kommt es, daß bei 1-2 Beaufort leichte 6-kp-Boote unserer Jacht nicht auf und davon laufen können. Das große Gewicht garantiert eben ein höheres Durchstehvermögen, und das ist immer dann gut, wenn dieses hohe Gewicht auch leicht in Bewegung gebracht werden kann. Bei mittleren Winden dagegen, so um Windstärke 3-4, war keine erkennbar bessere Leistung festzustellen. In diesem Bereich neigt wohl keine Jacht dazu, auf irgendeinem Kurs bedeutend schneller als andere Boote zu sein. Unsere Marblehead-Boote sind wohl gerade im mittleren Bereich besonders gut durchkonstruiert.

Interessant wird es dann von 4 Beaufort aufwärts, also dann, wenn die RC- Segelei so richtig Spaß macht. Und hier zeigt die MERLIN so richtig, was in ihr steckt! Einfallende Böen setzt sie elegant in Fahrt um, ohne daß sie ihrem Skipper dabei aus dem Ruder läuft. Wenn man mit zunehmender Windstärke die Segel entsprechend auffiert, ist kein bremsendes Gegenhalten mit dem Ruder notwendig. Fällt man dann bei dieser Windstärke vom Wind ab und Iäuft mit halbem Wind oder geht auf Raumschotskurs, kommt sie schnell ins Gleiten. Der breite Bug hebt sich sichtbar aus dem Wasser.

Mit erstaunlicher Geschwindigkeit schießt das Boot auf die nächste Boje zu, umrundet diese und geht platt vor dem Laken auf Vorwind-Kurs. Auch hier bleibt sie im Gleitzustand und reagiert brav auf leichte Ruderausschläge, ohne eine Tendenz zum ,,Geigen" zu zeigen. Ich muß gestehen, noch nie eine Modelljacht gesegelt zu haben, die so leicht und andauernd ins Gleiten kommt.

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 9/1980 Autor: Jürgen Schwiering. Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.

Geschrieben von: Jürgen Schwiering
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