Servos sind inzwischen zur Massenware geworden. Für so gut wie jeden speziellen Anwendungsfall gibt es ein passendes Servo. Da sieht der Markt an Segelwinden schon dünner aus. Wie man die Vielfalt der Standard-Servos nutzen kann, um sich daraus eine ,,maßgeschneiderte" Winde zu bauen, beschreibt der folgende Artikel.
Ein Servo zu einer Segelwinde umzurüsten ist deshalb reizvoll, da man damit in der Lage ist, sich eine quasi maßgeschneiderte Winde zu bauen. Sie wird in vielen Fällen kleiner und damit auch leichter ausfallen, nicht zuletzt ist auch der niedrigere Preis einer solchen Segelwinde besonders für die jüngeren Segler ein wichtiges Argument.
Neben dem Einsatz als Segelwinde bietet sich ein solcher Umbau aber auch für Sonderaufgaben an, wie zum Beispiel für das Drehen von Löschmonitoren um 360° oder für das Lichten des Ankers, kurz für alle Sonderfunktionen, die einen größeren Drehwinkel oder Stellweg erfordern als die ±90° des Standard-Servos.

Das Prinzip

Die Idee ist folgende: Man tauscht das Servo-Potentiometer gegen einen Spindeltrimmer aus, entfernt den Endanschlag im Servogetriebe, und schon hat man eine Winde. Allerdings: Nicht alle Servos lassen sich auf diese Art umrüsten. Manche haben einen Mitnehmerstift, der in eine geschlitzte Scheibe eingreift. Damit ist der Drehbereich auf ca. 100° beschränkt. Am besten öffnet man die Servos, die man gerade hat, und prüft sie auf ihre Verwendbarkeit.
Spindeltrimmer werden in der Elektronik für den Präzisionsabgleich verwendet. Sie haben eine spielfreie Betätigung, der Widerstandskörper hat eine gute Langzeitstabilität und der Antrieb erfolgt über einen Spindeltrieb mit einer Untersetzung von 15:1 bis 25:1.
Es gibt verschiedene Bauformen. Die am häufigsten verwendeten haben ein längliches Gehäuse mit den Maßen 19 X 6 X 5 mm mit axialer Betätigung und einer Untersetzung von 15:1. Für unsere Zwecke eher geeignet ist ein Typ im quadratischen Gehäuse (10 X 10 x 5 mm), der von Spectrol hergestellt wird und eine Untersetzung von 25:1 bietet.
Mit dem Widerstandswert des Spindeltrimmers bestimmt man auch die Anzahl der Umdrehungen, die die Winde bei einer vollen Knüppelbewegung vollzieht. Ersetzt man das 5-k-Poti des Servos durch einen 5-k-Spindeltrimmer, dann erhält man etwa eine Umdrehung für eine Pulslängenänderung von 0,1 ms. Dies wären bei einer Pulslängenänderung von 1 ms etwa 10 Umdrehungen mit dem Spectrol-Trimmer, mit dem anderen Trimmer ergäben sich etwa 6 Umdrehungen.
Bei verringertem Widerstandswert und entsprechenden Vorwiderständen erreicht man bis zu maximal 25 Umdrehungen.
Die Stellgeschwindigkeit bleibt dabei natürlich unverändert. Besaß das Servo eine Stellgeschwindigkeit von 0,15 sec/90°, dann wird es als Segelwinde eine Drehgeschwindigkeit von 0,6 sec pro Umdrehung haben.

Die Mechanik

Der eigentliche kritische Punkt ist die Koppelung der Servoachse mit dem Spindeltrimmer. Es muß eine starre Verbindung sein, die aber einen geringen Achsenversatz auffangen muß, da man nie beide Achsen genau fluchtend zueinander bekommt.
b1Ich hatte mir ein preiswertes Servo (Typ HES-088 von Hobby Electronic, wahrscheinlich baugleich mit dem Conrad Servo S30) besorgt. Die Geometrie dieses Servos sah so aus, daß im Abtriebszahnrad des Servos eine kleine Mitnehmerscheibe integriert war, die eine Nut von 3 X 2 mm besaß.
Exakt 10 mm darüber ist der Boden des Getriebes. Darüber befand sich das Stellpoti und die Elektronik.b2 Es ist nun kein Problem, aus der ringförmigen Halterung des Potis einen kleinen Schlitz auszuschneiden, in den der Spindeltrimmer (stehend) eingeklemmt wird. Später, nachdem alles eingebaut und getestet ist, wird der Trimmer mit etwas Zweikomponentenkleber gesichert.  b3

Die Kopplung zwischen Mitnehmerscheibe und Spindeltrimmer erfolgt durch ein kleines Messingblech von 0,2 mm Stärke. Dieses wird an der einen Seite mehrfach gefaltet, bis es in die 3 X 2 mm-Nut der Mitnehmer-Scheibe ohne Spiel hineinpaßt. Dann wird die Länge des Blechs auf das erforderliche Maß gekürzt (in meinem Fall 10 mm) und mit dem flachen Ende des Blechs in die Nut der Spindeltrimmerachse gelötet.
Dazu sollte man mit einem kleinen Elektronik-Lötkolben (max. 20 W) zuerst die Achse verzinnen und anschließend mit einer Entlötpumpe von überflüssigen Lotresten säubern. Genauso verfährt man mit dem Messingblech. Dann werden beide Teile miteinander verlötet, wobei je ein kleiner Lötpunkt auf beiden Seiten des Blechs ausreicht. Am Spindeltrimrner darf nicht zu lange gelötet werden, damit das Kunststoffgehäuse nicht beschädigt wird.
Nun wird das Messingblech etwas verdrillt, und zwar so, daß die eine Schmalseite um 90° zur anderen Schmalseite verdreht wird. Jetzt sieht das Blech aus wie eine kleine rudimentäre Schraube.
b4
Dadurch kann das Blech einen etwaigen kleinen Versatz zwischen den Achsen ausgleichen. Die Drehbewegung wird trotzdem ausreichend genau übertragen.

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Die Elektronik

Damit haben wir die mechanische Seite gelöst. Nimmt man nun die neue Segelwinde in Betrieb, so wird man feststellen, daß die Drehzahl des Motors bereits eine Umdrehung vor Erreichen der Sollstellung reduziert wird und die Sollstellung nur langsam erreicht.
Dies ist die Folge der speziellen Abstimmung der Elektronik auf das Servo. Es würde sich anbieten, die Servoelektronik neu zu bauen und sie dabei entsprechend zu dimensionieren. Man kann aber auch, sofern die Elektronik nicht vergossen ist oder kein Hybridbaustein ist, die vorhandene Schaltung modifizieren.
Drei Parameter sollten angepaßt werden: die Dämpfung, die Totzeit und das Maß der Pulsverlängerung. Die Dämpfung ist eine Art Rückkopplung von der Motorendstufe zum Pulslängenmodulator. Die Dämpfung ist beim Servo so eingestellt, daß die Sollstellung schnell und ohne Überschwingen erreicht wird. Mit dem Einbau des Spindeltrimmers haben wir die Dämpfung auf der mechanischen Seite stark erhöht. Daher können wir die elektrische Dämpfung entsprechend verringern. Dazu muß man auf der Platine denjenigen Widerstand finden, der von einem der zwei Motoranschlüsse an das Servo-IC führt. Bild 5 zeigt das Schaltbild der Servoelektronik und die Verdrahtung des Dämpfungswiderstands R2 bei meiner Servoschaltung. b5
Die Totzeit bestimmt denjenigen Winkelbereich, in dem das Servo oder die Winde mögliche Unterschiede zwischen Sollposition und Istposition nicht ausregelt. Es ist klar, daß die Winde jetzt ohne zusätzliche Maßnahmen eine um den Faktor 25 erhöhte Totzeit hat.
Die Totzeit wird bei dem in meinem Servo verwendeten IC M51660L mit einem Widerstand (R4, siehe Bild 5) festgelegt, der den Differenzimpuls (also die Differenz zwischen Soll und Ist) mit Hilfe des nachgeschalteten Kondensators nur dann durchläßt, wenn die Impulslänge ein Minimum überschritten hat. Bei anderen Schaltungen ist dieser Widerstand im IC integriert, so daß dort nur der Kondensatorwert verändert werden kann.

Das Maß der Pulsverlängerung bestimmt, bis zu welchem Punkt vor dem Erreichen der Sollstellung der  Servomotor noch mit voller Spannung läuft. Der Sender liefert ja bekanntlich Pulse von nominell 1,5 ms Dauer, die mit der Knüppelstellung zwischen 1 und 2 ms variieren. Mit diesen kurzen Pulsen würde jedoch der Servomotor nur sehr langsam und mit recht geringem Drehmoment laufen. Daher werden die Pulse ,,verlängert". Läuft nun ein Servo in Richtung der gewünschten Sollstellung, so gibt es einen Zeitpunkt, bei dem die Differenz zwischen Soll- und Istposition so gering geworden ist, daß der Motor nur noch mit immer kürzer werdenden Pulsen betrieben wird; er bremst sozusagen ab.
b7Will man nun ein Servo in eine Segelwinde umfunktionieren, so müssen diese drei Parameter neu abgestimmt werden. Dabei sollte man pragmatisch an die Sache herangehen: Die Widerstände, die die Totzeit, die Dämpfung und die Pulsver- Iängerung bestimmen, werden durch entsprechende Trimmwiderstände ersetzt. Durch vorsichtiges Variieren der Trimmerstellungen kann  man dann bequem das Regelverhalten der Winde einstellen (Bild 6).
Als ersten Schritt stellt man eine möglichst kurze Totzeit ein. Eine untere Grenze ist erreicht, wenn das Servo beginnt, um seine Sollstellung zu oszillieren. Kurz bevor diese Oszillationen einsetzen, ist der optimale Punkt für die Totzeit erreicht.
Dann erhöht man die Pulsverlängerung etwas. Das ist wichtig für ein möglichst hohes Drehmoment in der Nähe der Sollstellung. Damit erreicht man auch ein hohes Rückstellmoment, sollte der Winddruck die Winde verstellen. Die Winde sollte mit voller Drehzahl auf die Sollstellung zulaufen, und nur kurz davor abbremsen. Ein gewisses Maß an Regelschwingungen kann mit einer Vergrößerung der Dämpfung ausgeglichen werden. Jetzt kann man versuchen, die Pulsverlängerung weiter zu erhöhen. Ein mögliches Überschwingen kann wiederum durch eine höhere Dämpfung ausgeglichen werden. Man sollte sich die Stellungen der Potis markieren, um leichter zum Ausgangspunkt zurückkehren zu können, falls einmal eine Einstellung nicht in allen Punkten befriedigend war.
Ist das optimum gefunden, werden die Widerstandswerte der Trimmer ausgemessen. Die gewünschten Werte werden nie genau mit Widerstands-Normwerten zu erreichen sein. Daher setzt man die gefundenen Widerstände zuerst provisorisch anstelle der Trimmer ein und testet das Regelverhalten nochmals sicherheitshalber. Ist alles in Ordnung, setzt man die Festwiderstände in die Platine ein.
Die Werte, die ich als Optimum herausgefunden habe, sind in dem Schaltbild (Bild 5) wiederzufinden. Als grober Anhaltspunkt für die Modifikation anderer Schaltungen hilft es sicher, wenn ich die Widerstandsänderungen kurz quantitativ beschreibe. Der Widerstand für die Totzeit (R4) wurde von 3 k auf 1,6 k halbiert, der Widerstand der Dämpfung (R2) von 240 k auf 2,4 M erhöht, und der Widerstand der Pulsverlängerung (R3) wurde von 220 k auf 510 k vergrößert.
In anderen Schaltungen werden andere ICs verwendet. Daher eine kurze Übersicht über die Verdrahtung der  entsprechenden Bauteile in der Tabelle.
b6
Falls man sich dennoch an die Modifikation der Elektronik nicht heranwagen mag, bestellt man bei Conrad einfach einen Bausatz einer Servoelektronik. Der Bausatz ist ebenfalls mit dem IC M51660L bestückt, so daß man in den meisten Fällen die Dimensionierung aus dem Schaltbild übernehmen kann.{mospagebreak title=Dimensionierung der Segelwinde}

Dimensionierung der Segelwinde

Anhand eines konkreten Beispiels soll gezeigt werden, wie man die Segelwinde dimensioniert bezüglich erforderlichem Drehmoment, Wickelzeit und Trommeldurchmesser, und welches Servo man verwenden kann. Servos haben üblicherweise eine Stellzeit von 0,15 Sekunden für 90°. Soll nun die spätere Segelwinde beispielsweise den folgenden Anforderungen genügen:

Verstellweg: S = 50 cm
Maximale Zugkraft: F=2kg
Stellzeit: t
= < 3 sec,

dann kann man mit diesen Angaben zuerst die benötigte Anzahl der Umdrehungen N der Wickeltrommel berechnen:

N =

90°

x

Stellzeit (Winde)

360°

Stellzeit (Servo)

In unserem Fall ergibt sich  für N = 5 Umdrehungen. Daher  reicht es aus, das Stellpoti durch einen Spindeltrimmer  mit dem gleichen  Widerstandswert zu ersetzen.
Bei mehr als 10 Umdrehungen nimmt man einen Spindeltrimmer mit dem halben Wert und schaltet dazu in Serie mit der Widerstandsbahn je einen Widerstand mit einem Viertel des Widerstandswertes (siehe Bild 5).
Braucht man hingegen weniger als 5 Umdrehungen, bietet sich der Einsatz des 19 X 6 X 5 mm Spindeltrimmers an, da er nur 15:1 untersetzt ist.
Jetzt kann der erforderliche Durchmesser D der Wickeltrommel bestimmt werden:

Braucht man hingegen weniger als 5 Umdrehungen, bietet sich der Einsatz des 19 X 6 X 5 mm Spindeltrimmers an, da er nur 15:1 untersetzt ist.
Jetzt kann der erforderliche Durchmesser D der Wickeltrommel bestimmt werden:

D =

[cm] 

Π x N 

Es ergibt sich ein Durchmesser von D 3,2 cm.
Das erforderliche Drehmoment M des Servos ergibt sich dann zu:

Es ergibt sich ein Durchmesser von D 3,2 cm.
Das erforderliche Drehmoment M des Servos ergibt sich dann zu:

M = F x D / 2 [kgcm] (1 kg cm ≈ 10 N cm)

Das Servo muß in unserem Fall ein Drehmoment von mindestens 32 Ncm aufweisen. Es ist also durchaus möglich, ein preiswertes Standard-Servo zu einer Segelwinde umzurüsten.
Zuletzt wird eine passende Wickeltrommel (etwa eine Garnrolle) auf dem Servo befestigt. Dazu können Servoarme mit vier oder sechs Armen verwendet werden, an denen sich die Trommel dann leicht und spielfrei befestigen Iäßt.
Aus den obigen Formeln folgt, daß man jeden der drei Parameter Zugkraft, Wickelzeit und Wickelweg jeweils auf Kosten  der anderen zwei verbessern kann. Es ist daher ein weiter Spielraum gegeben, die Winde den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen.

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 9/1996 Autor: Jürgen Heidbreder.
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Geschrieben von: Jürgen Heidbreder
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