RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Technik

Man glaubt es kaum, aber es hat doch tatsächlich einen Ruck in den eingefrorenen Krusten deutscher M-Technik gegeben: Das Swing-Rig ist da! Und dazu der Durchbruch schmaler Bootsrümpfe. International schon lange gang und gäbe, tat man sich hier bei uns doch mit beidem etwas schwer ...

Lediglich P. Gernert benutzte bereits seit längerer Zeit mit wechselndem Erfolg eine eigene Konstruktion, ansonsten waren unsere Spitzenleute bis letztes Jahr scheinbar unbeirrbar (oder besser unbelehrbar?) auf die bekannte Walicki-Spitzen-Technik mit konventioneller Takelage und drehbarem Profilmast sowie auch seine Rümpfe fest eingeschworen. Doch dann tauchten einige Bantocksche PARADOX-Yachten im Feld auf und erzielten deutliche Ergebnisse, und dies nicht nur in erfahrenen Händen. Dieses Jahr sieht man nun diese erfolgreiche Yacht auch in den Händen zuvor eingefleischter „SCALPEL-Jünger".

1995_dm_m_3

1995_dm_m_4Offenbar hat auch Walicki die Zeichen der Zeit erkannt - er war mit einer neuen, schmalen Yacht im Stil der heutigen Zeit erschienen. In der Tat hat sich dabei aber lediglich die Rumpfschale einer Modernisierung unterziehen müssen, alle anderen Komponenten wie Kiel, Ruder, Deckslayout und Rigg entsprechen seiner alten Yacht. Neuerdings ist auch noch das Achterstag in die umfangreichen Trimmfunktionen mit einbezogen. Allerdings hat die neue Rumpfschale offenbar bei wenig Wind ein deutlich besseres Potential als die alte, recht breite SCALPEL.

Aufgrund der schlanken Rumpfform muß das Boot vermutlich eine geringere Verdrängung als die alte SCALPEL haben. Sie hat dazu eine ausgesprochen schmale Wasserlinie und flache. V-förmige Seitenflachen, übrigens sehr ähnlich der englischen ROAR
EDGE von R. Stollery. K. Schröder fuhr den australischen Prototyp dieser Yacht, den er seit Saisonbeginn mit viel Erfolg stets auf zweite Plätze segeln konnte. Dieses Boot ist entgegen Walickis Version noch mit einer Kielflosse sowie Ruderblatt von G. Bantock ausgerüstet, ebenfalls ist der Heckbereich flacher, d. h. U-förmig ausgeführt. Um dieses Boot hatte es im Winter bereits Diskussionen gegeben, nachdem im Herbst letzten Jahres der australische Designer Alan Robinson mit dieser Yacht auf einer international besuchten Ranglisten-Regatta in München erschienen war, eine beeindruckende Schau  ablieferte und das Boot anschließend in Deutschland ließ.

1995_dm_m_5

Bei der zweitplazierten Yacht handelt es sich um eine der bereits erwähnten PARADOX-Yachten von G. Bantock (vgl. SM 5/94). Dieses bereits 1991 entworfene Boot ist mittlerweile zweifacher Weltmeister und unlängst auch aktueller Europameister in der Hand des Konstrukteurs geworden. Allein fünf dieser Yachten finden sich unter den ersten zehn und insgesamt waren im ganzen Feld zehn Boote vertreten. Wenn ich mir die seglerischen bzw. taktischen Fehler anschaue, die ich während dieser Regatta so gemacht habe, dann muß ich mich bei meinem Boot entschuldigen, das mir häufig aus der Patsche geholfen hät. Manchmal hatte es dazu wohl aber auch keine Lust. Ich werde an anderer Stelle dieses Boot einmal ausführlicher vorstellen, sowie ich etwas mehr Hintergrund-Infos vom Konstrukteur zur Hand habe.

1995_dm_m_6

P. Gernert ist kein Freund fertig gekaufter Ware und bleibt so sein eigener Konstrukteur und Bootsbauer. Er hat sich in letzter Zeit etwas rar gemacht und lediglich Meisterschaften besucht. Also auch bei ihm ein leichtes Trainingsdefizit, wodurch es gelegentlich auf und ab ging. Seine MEGA IN ist ebenfalls ein schlankes Boot mit unauffälligen, sehr harmonischen Rumpflinien, welches er nun schon seit einigen Jahren segelt. Es kann sehr schnell sein! Auffallend seine eigene Swing-Rig-Variante mit Walicki-Drehmast und herkömmlichem Segelplan (Verhältnis Großsegel zu Fock wie bei konventioneller Takelung), der einen versetzten Drehpunkt der Riggkonstruktion erforderlich macht.

Zudem ist der Fockausleger im begrenzten Winkel, schwenkbar gestaltet, so daß die Fock bei dichter - Segelstellung (Am Wind) nicht nach Luv über die Schiffsmitte hervorsteht. In der Theorie müßte man dadurch etwas besser kreuzen können, gelegentlich hatte man auch diesen Eindruck.

In der Kombination von einem drehbaren Profilmast und dem Swing-Rig-Prinzip sehe ich übrigens noch einige Entwicklungsmöglichkeiten. Das funktionelle Bantocksche Swing-Rig mit seinem einfachen Kohlefaser-Rundrohr-Mast und der primitiven Segelbefestigung per Ringen dürfte unseren High-Tech-begeisterten SCALPEL-Fans jedenfalls wie ein Schritt zurück erscheinen, selbst wenn es sehr gute Leistungen erzielt. Man darf daher gespannt sein, was da in Zukunft noch so ausgetüftelt wird.          

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 8/1995 Autor:Thomas Dreyer.
Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.