Die diesjährigen deutschen Meisterschaften der kleinsten und der größten in Deutschland gesegelten Modellboot-Klassen fanden am 13. und 14. September im sächsischen Eilenburg statt.
Der Name wird wahrscheinlich den wenigsten Regattaseglern etwas sagen. Ein bißchen zu Unrecht vielleicht - und das sogar in zweierlei Hinsicht. Zum einen richtet der Modellsportclub 90 Eilenburg schon seit mehr als zehn Jahren Regatten für RC-Yachten aus, und zum anderen bietet das dortige Gelände perfekte Regattabedingungen. Der im Sommer als Strandbad genutzte Kiessee hat schön abgeflachte und wenig bewachsene Uferzonen. Außerdem ist er recht groß und gibt somit die Möglichkeit, interessante Kurse auszulegen.
Schade, daß sich so viele diese tollen Bedingungen durch die Lappen gehen ließen. Startstellenleiter Jürgen Amenda und seine Crew hätten sich wohl doch den einen oder anderen Teilnehmer mehr gewünscht. Besonders in der l-Meter-Klasse blieb der Zuspruch relativ weit hinter den Erwartungen zurück.
Was war los? War der Weg zu weit oder habt Ihr die Lust am Segeln verloren?
Wie dem auch sei, am Samstag morgen waren in der IOM-Klasse 18 Segler (darunter drei Junioren) und in der 10R-Klasse 6 Teilnehmer bei der Registrierung zur Stelle und harrten der Dinge, die auf sie zukommen würden. Und sie kamen! Zuerst einmal von oben in Form netter kleiner Tröpfchen, die sich hartnäckig hielten und mit der Zeit zu ausgewachsenen Tropfen wurden! Allerdings blies dazu ein schöner A-Rigg-Wind, der die Bedingungen doch erheblich aufwertete.
Aufgrund der Teilnehmerzahlen gab es in der 1-Meter-Klasse zwei Gruppen mit je neun Startern, die 10R-Klasse bildete eine eigene Gruppe. Um 10.30 Uhr und damit planmäßig wurde der erste Lauf der Gruppe A, Klasse IOM gestartet. Fortlaufend starteten nun die Gruppen A und B der 1-Meter-Boote, danach die Klasse 10R.
In der IOM-Klasse wurden zunächst drei Vorläufe je Gruppe gesegelt, um die Gruppen für die anschließenden Wertungsläufe einzuteilen, denn die Gruppenzugehörigkeit ist entscheidend für die Punkteverteilung in den einzelnen Läufen. Natürlich hat jeder Segler der Gruppe B die Mogllchkeit, durch einen Platz unter den ersten drei Teilnehmern eines Laufes in Gruppe A aufzusteigen. Die drei Letztplazierten des vorherigen A-Laufes steigen in die Gruppe B ab.
In der Klasse 10R war eine Gruppeneinteilung aufgrund der geringen Teilnehmerzahl nicht notwendig. hier begann man direkt mit den Wertungsläufen.
Gesegelt wurde ein recht großes, durch Bojen markiertes olympisches Dreieck mit anschließender Banane. Da auch hier während der Wettfahrt gewisse Regeln eingehalten werden müssen. wurden die segelnden Boote von den Startstellenleitern mit Unterstützung von je zwei Observern aus dem Teilnehmerfeld beobachtet.
Im RC-Segeln ist übrigens vor etwa einem Jahr das Computer-Zeitalter so richtig angebrochen: Für die Auswertung der Läufe und die Gruppenneuaufteilung wird seitdem immer öfter neben der bewährten Startrafel ein eigens dafür erstelltes PC-Programm verwendet. Vor allem bei großen Regatten zahlt es sich aus, mit diesem von Michael Seela entwickelten Programm zu arbeiten, denn das Rechnen stellt bei vielen Teilnehmern doch einen erheblichen Zeitaufwand dar. Außerdem schleichen sich auch bei den besten Kopfrechnern ab und an kleine Fehler ein, die ich bei dem mittlerweile ausgereiften Programm nicht entdeckt habe. Eine feine Sache!
Auch eine feine Sache waren der frische Kaffee und der selbstgebackene Kuchen, der an beiden Tagen bereits vormittags für den kleinen Hunger angeboten wurde. Mutter und Tochter Amenda kennen den Geschmack ihrer Stammkundschaft mittlerweile recht gut, und so haben auch viele zugegriffen.
Für das leibliche Wohl zur Mittagszeit sorgte eine nahegelegene Großküche, in der sich alle sehr gut und preiswert stärken konnten.
Pünktlich zu Beginn der Wertungsläufe der Klasse IOM ließ sich nach der Mittagspause die Sonne blicken, und mit der Sonne frischte auch der Wind auf. Diese optimalen Bedingungen wollte natürlich jeder auskosten, und so wurde an diesem ersten Regattatag auch bis 18.30 Uhr gesegelt.
Im Laufe des Nachmittags hatte sich schon abgezeichnet, wer in den beiden Klassen um die vorderen Plätze kämpfen würde:
Den ersten bei den 1 -Meter-Booten hielt schon vom ersten Lauf an Jochen Weiß, eigentlich ein passionierter M-Boot-Segler, und die Plätze 2 und 3 würden wohl Jürgen Hoffmann und Jens Amenda unter sich ausmachen. Erik Pawlowitz lag zwar punktemäßig noch sehr dicht an beiden dran, war aber gerade im letzten Lauf in Gruppe B abgestiegen. Auch auf den folgenden Plätzen gab es nur geringe Punkt-Differenzen, die noch einiges zuließen. Es konnte also nochmal spannend werden!
Bei den 10R-Teilnehmern ergab sich ein ähnliches Bild: Haushoher Favorit und nach dem ersten Tag auch deutlich in Führung war Janusz Walicki. Die Entscheidung um Platz 2 würde am kommenden Tag wohl zwischen Werner Gerhardt und Gerhard Schmitt fallen.
Zum Abschluß des ersten Tages war ein gemütlicher Abend in einer Gaststätte geplant. Es ließ sich auch kaum einer nehmen, auf das gute Essen, auf Tips und Neuigkeiten zu verzichten. Bei guter Stimmung wurde noch eine ganze Weile locker geplaudert. Vielleicht war das der Grund, weshalb es einzelnen Personen recht schwer fiel, am Sonntagmorgen aus den Federn zu kriechen. Aber die Sonne lockte dann selbst die härtesten Langschläfer hervor. Den meisten aber kribbelte es bei strahlend blauem Himmel und kräftigem Wind schon früh in den Fingern, und so wurde der erste Lauf des Tages schon etwas überpünktlich gestartet.
Viele begannen den Tag mit dem A-Rigg, ließen dieses jedoch relativ schnell in ihren Segeltaschen verschwinden und takelten wie schon gegen Ende des Vortages auf B um, da der Wind sich ganz schön in Szene setzte. Obwohl in den einzelnen Läufen dadurch ein ganz schönes Tempo vorgelegt wurde, teilte man die Mittagspause so auf, daß jeweils die Teilnehmer der einen Klasse weitersegelten, während die der anderen Klasse essen gingen.
So kamen für die IOM-Klasse bis zum letzten Lauf gegen 14.30 Uhr ganz passable 17 Wettfahrten zusammen, in der Klasse 10R konnten 19 Läufe gewertet werden.
Nach Auswertung aller Läufe standen gegen 15.30 Uhr endlich die Ergebnisse dieser deutschen Meisterschaft fest: Wie schon am Vortag zu erkennen war, holte sich Jochen Weiß unangefochten den Titel in der Klasse IOM. Den Kampf um den 2. Platz dieser Regatta konnte Jens Amenda nach einem Kopfan-Kopf-Rennen mit Jürgen Hoffmann für sich entscheiden. Platz um Platz hatte sich Patrick Bohn bis zum Ende der Regatta auf Rang 4 vorgeschoben und damit seinen Vater Heinz Bohn auf Platz 5 hinter sich gelassen. Erik Pawlowitz war zwar im Laufe des zweiten Segeltages ein paar Plätze abgerutscht, aber dennoch mit seinem 6. Platz hoch zufrieden. Zum Ende der Regatta mußte er diesen noch hart vor Christian Humpenröder verteidigen, der sich ganz knapp dahinter auf Rang 7 plazierte. Dank dieser vier Segler blieb die Regatta bis zum letzten Lauf
spannend, denn die Punkte lagen so dicht beisammen, daß die Rangfolge wirklich erst im letzten Lauf entschieden wurde.
Als bester der drei jugendlichen Starter schnitt Torsten Wackrow mit dem Gesamtplatz 13 ab. Christoph Urban wurde auf dem 16. Platz Zweiter der Junioren und Henning Kunow auf dem 17. Platz dritter Junior.
Die 10R-Klasse gewann überragend Janusz Walicki, der während der ganzen Regatta 16 von 19 gesegelten Läufen für sich entscheiden konnte. Werner Gerhardt hatte sich den 2. Platz ersegelt und Gerhardt Schmitt auf den 3. Platz verwiesen. Auf den 4. Rang segelte sich Wilhelm Graffy vor Wilhelm Röhrkaste, der den 5. Platz belegte. Etwas abgeschlagen, aber mit viel Spaß bei der Sache, wurde Roland Regensburg auf dem 6. Platz geführt.
Bei der Siegerehrung gab es für jeden Teilnehmer eine Urkunde, für die drei Erstplazierten jeder Klasse zusätzlich Pokale und Tassen mit dem Eilenburger Wappen. Unter den drei jugendlichen Teilnehmern dieser Meisterschaft wurde zwar kein offizieller Jugendmeister ausgesegelt, aber ihren Pokal hatten sie sich dennoch verdient.
Auch der Letztplazierte erhält bei uns Seglern meist eine kleine Erinnerung an die Regatta. So bekam Ralf Kleine, der Pechvogel dieser Regatta, ein kleines Buddelschiff als Trost. Nachdem zu Beginn der Regatta seine Segelwinde die Dienste versagt hatte, ließ ihn gegen Ende des ersten Tages auch sein Sender im Stich, so daß diese Regatta für ihn beendet war.
Auch andere Teilnehmer hatten ab und an ein wenig Pech und mußten ihrer Yacht hinterherrudern. Aber in den meisten Fällen waren es nur kleinere Probleme, die recht schnell wieder behoben werden konnten. Und wenn sich das Problem doch als etwas schwerwiegender zeigte, so konnte man auf Tips und Unterstützung der anderen Segler zählen.
Auch auf dem Wasser wurde Fairneß an diesem Wochenende ganz groß geschrieben. Es kam zwar zu den üblichen Wegerechtsverletzungen und Bojenberührungen, für die sich auch entlastet wurde, aber größere Streitigkeiten, die durch eine Protestverhandlung geklärt werden mußten, waren hier die Ausnahme.
Auch technische Neuheiten waren auf dieser deutschen Meisterschaft Ausnahmen. Bei den Tenratern tut sich in dieser Hinsicht so gut wie gar nichts mehr, daran sind wohl die ständig sinkenden Teilnehmerzahlen verantwortlich.
In der Klasse IOM waren immerhin eine Vielzahl unterschiedlicher Yachten zu sehen. Bei nur 18 Teilnehmern waren elf verschiedene Konstruktionen am Start!
Eine dieser Konstruktionen ist die "Tinto", die von Graham Bantock entworfen und in Eilenburg von fünf Seglern mitgebracht wurde. Damit ist die "Tinto" in unseren Kreisen wohl die verbreitetste Konstruktion. Nicht so oft zu sehen ist die "Tonic" mit der Erik Pawlowitz auf dieser Regatta gesegelt ist. Die Yacht hat sehr gute Eigenschaften, und hätte der Besitzer nicht nur ein A-Rigg gehabt, wäre er wohl doch noch ein „Meisterjäger" geworden! Von diesem schlanken Rumpf ist
also noch einiges zu erwarten. Eine ebenfalls sehr schlanke Yacht ist die von Michael Wolf konstruierte "Kristall", mit der Jürgen Hoffmann durchweg gute Ergebnisse erzielen konnte.
Auf jeden Fall erwähnenswert ist das Boot, mit dem Jochen Weiß diese Meisterschaft gewonnen hat. Der schön gearbeitete Holzrumpf in Knickspantbauweise wurde von Michael Scharmer konstruiert und ist entgegen dem derzeitigen Trend relativ breit.
Eine ganz neue IOM-Yacht ist die TEST 4 von Jens Amenda. Die Eigenkonstruktion ist eine Mischung aus "Crossbow" und "Metric Magic" und hat für die erste Regatta doch sehr zufriedenstellende Ergebnisse eingebracht.
In welche Richtung sich der Trend bei dieser Klasse fortsetzt, ob nun schlanke oder breitere Rümpfe. bleibt abzuwarten. So verschieden die einzelnen Boote auch aussehen, so ähnlich sind sie in ihrem Verhalten auf dem Wasser. Durch die recht eng gefaßten Klassenvorschriften sind Gewichte, Abmessungen und Materialien genau vorgeqeben und lasSen keine "High-Tech-Tricksereien" zu. So ist es eigentlich kaum moglich, sich technische Vorteile zu verschaffen, und die Yachten bleiben auf dem Wasser etwa chancengleich. Außerdem halten sich die Kosten für eine IOM-Yacht im Rahmen. Damit grenzt sich diese Klasse doch recht deutlich von den Marbleheads und den Tenratern ab und wird gerade deshalb für Neueinsteiger interessant.
Hoffen wir also, daß sich der Trend bezüglich dieser Klasse weiter fortsetzen wird und die Teilnehrnerzahlen der diesjährigen Deutschen Meisterschaft nicht mehr als ein kleiner „Ausrutscher"waren.
Original erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell des Neckar-Verlags 12/1997 Autor:Sonja Bohn
Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte