Pierrelatte, eine kleine Stadt im Rhone Tal in Südfrankreich, war eine Woche lang das Zentrum der IOM Segler. Denn vom 25. September bis 02. Oktober fand hier die Europameisterschaft der Ein-Meter-Boote statt. Pierre Gommet, der selbst in Pierrelatte lebt und dort einen Modellbaushop betreibt, war Hauptorganisator bei dieser EM. Er wurde dabei, außer von seinen Freunden und den Mitgliedern der französischen Seglervereinigung, auch von seinen Eltern tatkräftig unterstützt. „So etwas kann man nur durchziehen, wenn die ganze Familie hinter einem steht. Als die Anfrage der französischen ISAF wegen eines möglichen Reviers kam, war uns klar, dass wir das jetzt tun sollten oder nie, denn meine Eltern sind über 70 Jahre alt.“, erzählte Pierre. Erfahrungen im Ausrichten von größeren Regatten hatte er auch, denn er ist Organisator des Tricastin Cups, benannt nach dem ansässigen Atomkraftwerk, der an gleicher Stelle jedes Jahr mit hoher Teilnehmerzahl auf internationalem Niveau an Ostern ausgetragen wird, dieses Jahr waren es 58 Teilnehmer.
Organisiert werden musste einiges, angefangen bei der Festlegung der Örtlichkeit, die Stadt Pierrelatte kümmerte sich zudem um Zelte, Absperrgitter, Tische, Bänke und Bühne gab. Der ansässige Segelverein stellte seine Räumlichkeiten zum Vermessen zur Verfügung, zum Unterstellen der Boote, außerdem konnten die sanitären Anlagen genutzt werden und die Wohnmobilisten erhielten Strom. Außerdem musste Mittag- und Abendessen organsiert werden, der Tagesausflug, die Eröffnungsfeier und das Abschlussbankett. Nicht zu vergessen die Organisation der Umpires inklusive deren Übernachtung und Verpflegung. Sechs Umpires mussten es sein, denn jeweils vier müssen während eines Laufs gleichzeitig im Einsatz sein. Die Umpires kamen aus Frankreich, England, Irland und Kroatien.
Im Laufe des Samstag reisten die 70 Teilnehmer aus 15 Nationen an. 18 Segler kamen aus Frankreich, 12 aus Großbritannien, 8 aus Kroatien, 6 aus Deutschland, 5 aus Italien, je 4 aus Spanien und Schweden, 3 aus Belgien, je 2 aus Irland, Portugal und den Niederlanden und je einer aus Dänemark, Norwegen, der Schweiz und Australien. Australien gehört natürlich nicht zu Europa, es ist aber wohl üblich auch einen weltweiten Teilnehmer zur Europameisterschaft zuzulassen.
Einige hatten auch ihre Familien mitgebracht. Besonders beeindruckend war dabei Joe Binks, der 87 Jahre alt ist. Er reiste gemeinsam mit seinem Sohn Trevor mit dem Flugzeug und dem Leihwagen an, sein anderer Sohne Ken war mit seiner Ehefrau mit dem Wohnmobil vor Ort. Joe war jahrelang aktiver Segler, wechselte dann mit dem Älterwerden zu den Modellbooten. Sein erstes Modellsegelboot baute er selbst und er erinnert sich noch daran, dass er ständig die Finger voller Sekundenkleber hatte. Dann bekam er von seinen Söhnen eine TS2 (IOM) geschenkt, mit der er heute noch aktiv segelt. Auf meine Frage, warum er bei dieser EM selbst nicht segelt, sagte er mir, er habe sich leider nicht qualifiziert. Doch dann sagte er sehr stolz, dass er bei den Regatten niemals Letzter wäre. Das jüngste mitgereiste Familienmitglied war übrigens Oliver Stollery, 10 Monate alt, die Familie reiste mit dem Auto und der Fähre von England an. Sein Vater, Peter wurde 13.
Der 1. Offizielle Tag war zum Registrieren und Vermessen vorgesehen. Jeder Teilnehmer erhielt eine kleine Tüte mit den Segelanweisungen, dem Programm, ein Schlüsselband, eine Flasche Wein und ein T-Shirt der Euro und dem Ticket fürs Mittagessen. Anschließend ging es zum Vermessen. Hier gab es einen Wassertank zum Vermessen des zulässigen Tiefgangs, anschließend wurden Schiff und Kiel gewogen. Der Kiel darf maximal zwischen 2.200 und 2.500 g wiegen, das Schiff inklusive Kiel darf nicht mehr als 4000 g wiegen. Dann wurden die Segel auf richtige Kennzeichnung und Vermesser Stempel überprüft und abgestempelt. Die festgehaltenen Messdaten wurden dann während der Regatta stichprobenartig überprüft. Nach dem Vermessen nutzten einige Teilnehmer noch einmal die Gelegenheit zum Training, denn der Wind frischte immer mehr auf, so dass einige Teilnehmer an diesem Tag die Gelegenheit nutzten, gleich alle 3 Riggs zu testen.
Am nächsten Tag wurde die Regatta dann mittags mit den Einteilungsläufen eröffnet. Der Wind wehte immer noch sehr stark, damit startete diese Euro mit Rigg 3. Gesegelt wurde in 5 Gruppen, die an diesem Nachmittag je 4 Läufe segelten. Insgesamt wurden in der Woche 28 Läufe gesegelt, so dass es 4 Streicher gab.
Der 2. Regattatag begann etwas windstill, Bis zur Mittagspause segelten alle mit Rigg 1, dann frischte der Wind auf bis zu Rigg 2. Gegen Ende des Tages flachte er etwas ab, so dass Überlegungen anstanden doch zurück zu Rigg 1 zu wechseln. Auch Michael Scharmer aus dem deutschen Team stand vor dieser Entscheidung. Er entschied sich für Rigg 1 und das war genau richtig, denn unter dem Applaus des deutschen Teams gewann er den Lauf in der Gruppe A. Diesen Erfolg hatte er in einem internationalen Wettbewerb zuletzt im Jahre 2004.
Leider konnte er am folgenden Tag nicht ganz an diesen Erfolg anknüpfen, denn er hatte etwas Pech mit der Technik, damit war er nicht alleine, auch Max Lehmann hatte Probleme. Und doch gelangen allen sehr gute Läufe, so dass sie sich am Ende des Tages,der überwiegend mit Rigg 2 gesegelt wurde, fast alle in den Platzierungen verbessert hatten.
Es folgte der Ruhetag, was fast schon schade war, denn es herrschten traumhafte Windverhältnisse. Viele Teilnehmer fuhren mit auf den Tagesausflug.
Der Donnerstag mit Rigg 1 Wetter, war ein schlechter Tag für das deutsche Team. Dieter Krings kam am Vormittag überhaupt nicht ans Segeln, denn nacheinander fielen Ruderservo, Empfänger und Winde aus. Auch für die anderen lief der Tag anders, als sie sich das vorgestellt hatten. Doch sie ließen sich die Laune deshalb nicht verderben. Der Freitag machte dann alles wieder gut. Es lief für alle Teilnehmer des deutschen Teams hervorragend. Es gab international bislang noch nie den Fall, so sagte man mir, dass ein Deutscher nicht in der letzten Gruppe war. An diesem Tag gab es einen Lauf, da war auch kein Deutscher in der vorletzten Gruppe. Alle Deutschen starteten in diesem Lauf in der Gruppe C, bis auf Michael Scharmer, er startete in B. Das war ein hervorragendes Ergebnis.
Dann kam der letzte Tag und es herrsche absolute Windstille. Bis zur Mittagszeit konnte kein Lauf gestartet werden. Dann frischte der Wind langsam auf, so dass die letzten Läufe gesegelt werden konnten. Im letzten Lauf der Gruppe C mussten zwei der deutschen Teammitglieder dann noch zur Jury, sie sollen einen Kontakt gehabt haben. Beiden war das nicht bewusst, aber die Jury hatte es gesehen. Sie sollten dann eine Münze ziehen, auf der stand „Hearing“ d.h. Protestverhandlung oder „RAF“, d.h. „Recall after Finish“ und beide Teilnehmer werden dann als Letzte in diesem Lauf gewertet. Die Protestverhandlung die zeitaufwändig ist, wird nur gestartet, wenn mindestens ein Teilnehmer „Hearing“ zieht. Zur Freude der Schiedsrichterin und der anderen Segler zogen beide RAF, Freude deshalb weil die Regatta damit sofort weiter gehen konnte. Es fehlten nur noch die beiden Läufe der Gruppen B und A. und man war sowieso etwas spät dran. Das war für die Beiden zwar ein etwas frustrierender Abschluss der Regatta. Insbesondere für Walter Luitz, der sich zum ersten Mal in der gesamten Woche für den Lauf der Gruppe B qualifiziert hatte und diesen nun nicht mehr segeln durfte. Aber sie liessen sich die Gesamtfreude an der EM nicht verderben, wie man auf dem Foto sieht, welches nach Regattaende entstand. Das deutsche Team erreichte die Platzierungen: Michael Scharmer 16. Platz, Jens Amenda 43. Platz, Dieter Krings 49. Platz, Max Lehmann 54. Platz, Walter Luitz 56. Platz und Carsten Posmik 62. Platz.
Sieger wurde Matic Marko aus Kroatien, gefolgt von Brad Gibson aus England, auf dem 3. Platz war Jelacic Zvonko, der in Barbados Weltmeister wurde. Unter den ersten 20 Plätzen waren sechs Kroaten, sechs Engländer, fünf Franzose und je ein Deutscher, ein Spanier und ein Australier. Wobei je vier Kroaten und vier Briten die Top Ten ausmachten, zusammen mit dem Segler aus Spanien auf Platz 7 und dem aus Frankreich auf Platz 9.
Das Siegerschiff war, wie alle Schiffe der Kroaten, die Pikanto. Ein Design von Graham Bantock, welches von Jelacic Zvonko in Lizenzbau hergestellt wird. Auch das spanische Team segelte nur Bantock Designs, sie hatten zwei Topikos und zwei Pikantos auf dem Wasser.
Das französische Team segelte recht gemischt. Sechs Teilnehmer segelten die Pikanto, Vier Teilnehmer segelten die Shark, ein Modell welches von Pedro Ambrosi entworfen und von Pierre Gommet gebaut wird. Drei Teilnehmer segelten Schiffe von Jeff Byerley, zwei hatten die Mad Max und einer hatte eine Cockatoo II. Zwei Segler segelten die Modelle von Ian Vickers, zwei weitere Teilnehmer segelten einen Eigenbau und ein Teilnehmer segelte eine Viper von Mark Dicks.
Im englischen Team fanden sich überwiegend Designs von englischen Designern. Die ISIS1 bzw. ISIS2 des englischen Designers Barry Chisam konnte man im englischen Team drei Mal sehen.Es gab 2 Modelle der Robot, hierbei handelt es sich um einen Teil Eigenbau. Der Rumpf stammt von Martin Firebrace, der Rest ist ein Eigenbau von Tony Edwards. Eine ähnliche Variante segelte Peter Stollery, hier stammt der Rumpf von Alex Austin, der Rest ist ein Eigenbau, sein Schiff nennt sich Isotonic. Außerdem sah man im englischen Team eine Lintel von Dave Creed, eine Obsession von Craig Smith, eine Viper von Mark Dicks und eine Widget, der Designer ist Chris Dicks, gebaut wird sie ebenfalls von Dave Creed. Graham Bantock segelte natürlich eine Pikanto und Brad Gibson zeigte sein neues Design „Britpop“. Er segelte dieses Schiff zum ersten Mal international, seinen Stapellauf hatte es 2 Wochen zuvor in einer englischen Regatta. Es gab übrigens bereits während der Regatta diverse Kaufangebote für dieses Schiff.
Das deutsche Team segelte mit zwei Test 5 von Jens Amenda, der eines der beiden Schiffe selbst segelte. Außerdem waren zwei V7 von Ian Vickers auf dem Wasser, eine Widget und Michael Scharmer segelte seinen Eigenbau.
Im italienischen Team war ebenfalls eine V7 von Ian Vickers am Start, außerdem eine Pikanto und eine Stealth von Trevor Bamforth. Außerdem 2 Schiffe von italienischen Designern, eine Chicarre und das gelbe Schiff mit der Nummer 49 war ein Eigenbau von Mauro Folicaldi.
Die schwedischen Segler segelten alle Schiffe von schwedischen Designern. So baute Hakan Grönvall sein Schiff selbst nach einem Design von Hakan Södergren. Die anderen 3 Segler aus Schweden segelten alle eine Norlin. Peter Norlin ist ein bekannter schwedischer Designer von Großyachten und baut seit einigen Jahren auch Modellsegelboote, er begann 2006 mit einer Marblehead, so sagte er mir. Denn er war selbst für 2 Tage vor Ort. Er hatte in den Niederlanden zu tun und ließ sich dann nach Frankreich bringen um bei der Regatta zuzuschauen.
Bei den Belgiern sah man eine Cockatoo 2 von Jeff Byerley, eine Korrigan von Pierre Tercinet und eine Shark. Die Niederländer segelten eine Obsession und eine V7. Die beiden Portugiesen segelten die S9 des portugiesischen Designers Sertorto Lares. Bei den Iren segelten eine Cockatoo 08 von Jeff Byerley und eine ISIS 2 von Barry Chisam. Sören Andresen aus Dänemark segelte eine Mad Max von Jeff Byerley, Torvald Klem aus Norwegen segelte eine Pikanto, Enrico Ambrosio aus der Schweiz eine Topiko und der australische Segler Jeff Byerley segelte ein Schiff namens Cobber. Dieses Schiff ist sein neuestes Design und er segelte es zum ersten Mal. „Cobber“ bedeutet im Australischen „Freund“, sagte er mir.
Zusammengefasst waren 55 Designs aus Europa und nur 15 Designs kamen aus dem fernen Australien (9) bzw. Neuseeland (6). 36 der 55 Designs kamen aus England, wobei alleine 22 Mal Graham Bantocks Schiffe zu sehen waren. Sieben Schiffe hatten portugiesische Designer, vier Schiffe schwedische Designer, je drei Schiffe hatten deutsche bzw. französische Designer und zwei Schiffe stammen von italienischen Designern.
Beachtlich ist, dass 16 der englischen Designs unter die ersten 20 Plätze gesegelt wurden, zwölf davon sind Bantock Designs. Alleine die Plätze 1 – 13 sind ausschließlich von englischen Designs belegt.
Nach Regattaende gab es noch was zum Lachen, denn das gesamte kroatische Team sprang ins Wasser und freute sich überschwänglich. Sie sind eine starke Europameisterschaft gefahren, denn sie sind alle in den Top 30, 6 von ihnen in den Top 15. Sie riefen dann gemeinsam nach dem Zweitplatzierten Brad Gibson, der ihrem Ruf folgte. Am Ende standen dann drei tropfnasse Sieger neben der kroatischen Flagge.
Original erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell des Neckar-Verlags Autor:Ingrid Blüm.
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