RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

„Klasse statt Masse"
Erste Europameisterschaft der IMYRU für Modelljachten der Marblehead-Klasse in Stockholm, 8. bis 13.August 1983

1983_em_1Stellen Sie sich vor: Eine großzügige parkähnliche Golfplatzanlage mit Seeufer, strahlend blauer Himmel, dazu hochsommerliche Temperaturen und, was wichtig ist: kein laues Lüftchen, stramme Winde, mal aus Westrichtung über den See, mal Landwind aus Nordost mit unberechenbaren Fallböen. Wenn Sie sich das vorstellen können, dann haben Sie zumindest den Rahmen vor Augen, in welchem die erste Europameisterschaft der IMYRU, der International Yacht-Racing-Union, vonstatten ging.

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Der interessierte Leser weiß: Bei diesem internationalen Verband handelt es sich um die weltweit (ausschließlich für Modellsegler) tätige Parallel-Organisation zum europäisch orientierten Dachverband Naviga. Und da die regelmäßig alle 2 Jahre durchgeführte IMYRU-Weltmeisterschaft abwechselnd in verschiedenen Ländern, aber auch auf verschiedenen Kontinenten stattfindet, was u.U. mit aufwendigen Reisen verbunden sein kann (1978 Durban, 1980 Toronto, 1982 Dünkirchen), die nicht jedem möglich sind, darum also entschloss man sich, 1983 erstmals eine Europameisterschaft zu veranstalten, eine ERMC, European Radio-Marblehead-Chamionship.

1983_em_3Der schwedische Dachverband, Svenska Modellseglarförbundet, mit seinem Chairman Lars-Eric Mallner übernahm mit viel Mut und Engagement die nicht einfache Aufgabe, erstmals eine derartige Veranstaltung vorzubereiten, zu organisieren (an alles zu denken!) und durchzuführen. Es gelang hundertprozentig!

Als Regattagelände fiel die Wahl auf einen der wunderschönen Seen, an denen Schweden so reich ist, auf den großen, aber nicht zu großen Ullnasjön mit seinen hervorragenden, eingangs geschilderten Begleitumständen des Ullna-Golfclubs im Norden des Stockholmer Stadtteils Täby. Die Einladungen ergingen an 13 europäische Landesverbände, u.a. auch an den DSV, deren Modellsegler inzwischen - entweder ausschließlich oder auch als Doppelmitgliedschaft zur Naviga - der IMYRU angeschlossen sind. Nach dem Verteilerschlüssel wären aus diesen Organisationen 58 Segler startberechtigt gewesen.

Aus unterschiedlichen Beweggründen, zumeist war es die leidige Kostenfrage, aber auch wegen Terminüberschneidungen, entsandten nur 9 europäische Landesverbände (als 10. Verband Hongkong mit 2 Seglern, allerdings mit englischer Club-Mitgliedschaft) insgesamt 29 Teilnehmer. Die gewisse Schwierigkeit wird an Zahlenvergleichen deutlich: England 1 Segler statt 8 (!), Frankreich 2 (6), Deutschland 1 (4), Holland 2 statt 4, dagegen Schweiz und Italien je 3 statt jeweils 4. 4 europäische Länder, Mitglieder der IMYRU, fehlten ganz. Schweden (6) und Norwegen (4) nutzten dagegen ihre Kontingente voll aus. Am Schluss des Berichts soll nochmals auf Ursachen und Gründe dieser Minderbeteiligung eingegangen werden.

Wer nun allerdings glaubt, diese Mini-EM hätte unter qualitativen Mangelerscheinungen gelitten, irrt; vielmehr galt im wörtlichen Sinne „Klasse statt Masse". Es waren schon starke Felder, die in den zur Verfügung stehenden 5 Tagen um Meisterehren segelten. Eindeutig beherrscht von den Seglern aus Norwegen und Schweden; aber auch Schweiz, Belgien und Frankreich hatten gute, teilweise sehr gute Segler entsandt und konnten mit ihrem Abschneiden zufrieden sein. Umso mehr bedauerte es der Berichterstatter, von unseren deutschen Kollegen, und da besonders von den (nunmehr auch) IMYRU-berechtigten Spitzenleuten, alleingelassen zu sein.

1983_em_4Gesegelt wurde nach einem modifizierten Flottensystem sowie nach den IMYRU- Regeln, die sich strikt an die IYRU-Regeln der „big size boats" anlehnen, was in einigen Punkten (m. E. vermeidbare) Schwierigkeiten ergab. Der Kurs entsprach den olympischen Regattabahnen, d. h. es wurde ein Dreieck gesegelt, anschließend eine Schleife mit Rundung der Luv- und Leeboje und dann nochmals ein voller Dreieckskurs. Die drei Gruppen bestanden zweimal aus 10 und einmal aus 9 Teilnehmern. Die Windverhältnisse, wie gesagt, ausgezeichnet, im Gegenteil, bei Windgeschwindigkeiten von zumeist 5 bis 7 m/s. teilweise aber auch 8 bis 10 m/s. d.h. also bis zu Stärken von 5 bis 6 Bft. war es streckenweise schon eine harte Prüfung für Boote, Material und Skipper. Es kann darum auch nicht verwundern, dass es auch Ausfälle und Enttäuschungen gab.

Nun sind offensichtlich aber die IMYRU- Segler auf solche und ähnliche Bedingungen besser präpariert, als wir es aus nauticus und Naviga zumeist kennen: Fast alle Segler hatten mindestens 2, häufig 3 bis 4 Segelsätze unterschiedlicher Größe zur Verfügung, bis herunter zu Sturmsegeln mit etwa auf die Hälfte reduzierter Segelfläche. Unsere Segler, die 1982 in Dünkirchen dabei waren, kennen dies, Günther Voelz berichtete bekanntlich ausführlich in SchiffsModell.

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Und hier kann ich anknüpfen an die gleichfalls vor einem Jahr in Dünkirchen gesammelten Erfahrungen: Sie sind schon stark, die der IMYRU angehörigen Segler! Sicherlich hätten auch einige unserer Spitzensegler (mit IMYRU-vermessenen Segeln!) mithalten können; es ist bedauerlich, dass dieser Vergleich einmal mehr nicht zustande gekommen ist. Aber eines scheint mir sicher: Der Modellsegelsport erhält seine Impulse z. Z. im wesentlichen von den der IMYRU angehörigen Verbänden und Seglern, Auch als langjähriges und engagiertes nauticus-Mitglied sehe ich das ganz nüchtern: Hier wird Spitzensport mit harter Auslese betrieben, denn die Europameisterschaft in Täby hat es auch den anfänglich (scheinbar) eindeutigen Favoriten nicht leicht gemacht.

1983_em_7Nun zum Sport selbst: Das Wochenende diente der Vermessung von Booten und Segeln, eine aufwendige, notwendige und sehr sorgfältige Arbeit im Hinblick auf die Mehrfach-Sätze vieler Teilnehmer. Es ist klar, dass dann auch vielfach „geschnibbelt" und anschließend erneut nachvermessen werden musste. Am Montag, den 8. August wurden ohne Punktwertung die Gruppeneinteilungen auf kleiner Bahn ausgesegelt und ab Dienstag bis Sonnabend, 9.- 13. August, also an vier vollen Tagen (Mittwoch, 10.8. war segelfrei und diente anderen Unternehmungen), ging es dann auf der großen Bahn um Punkte, um Auf- und Absteigen, wie wir es auch von unseren Regatten her kennen. Es wurde hart, aber durchweg fair gesegelt. Die strikte Anwendung der IMYRU-Regeln ließ auch keinerlei Unklarheiten zu. Bei Bootskontakt oder Bojenberührung mussten als „penalties" die bekannten Kringel gedreht werden, so wie aber auch Proteste sorgfältig von der Jury geprüft und verhandelt wurden und verschiedentlich (Lauf-)Disqualifikationen für den einen oder anderen Teilnehmer erbrachten.

1983_em_8Am Sonnabend, den 13. August, etwa um 15.30 Uhr, standen dann Sieger und Erstplazierte fest:

1. Platz und Europameister 1983 Torvald Klem, Norwegen 31,7 Punkte
2. Platz Sven Andresen, Norwegen 49,6 Punkte
3. Platz Jan Mooijman, Holland 68,4 Punkte
4. Platz Carl Fagergren, Schweden 70,4 Punkte
5. Platz Lars Andren, Schweden 73,4 Punkte
6. Platz Patrick Tailliez, Frankreich 115,4 Punkte.

Apropos Jury: Die hier getroffenen Entscheidungen waren jeweils eindeutig und ohne Wenn und Aber. Allerdings kann man unterschiedlicher Auffassung sein, ob es so ganz den Interessen der EM-Teilnehmer entsprochen hat, einen (sehr erfahrenen) Judge der IYRU, also der großen Segler, für die Jury zu gewinnen. Dieser Aufgabe unterzog sich mit Verantwortung, Sorgfalt und großer Sachkenntnis Trygve Bernhardsen, Norwegen, der in Täby allerdings erstmals mit einer Modellyacht-Regatta befasst war. Ihm zur Seite stand als Schiedsrichter Norman Hatfield, England, einer der ganz alten und erfahrenen Modellsegler, gleichzeitig Chairman der IMYRU und des englischen Modellsegler-Verbands MYA.

Es ist nämlich die Frage, ob die Regelangleichung an die großen Boote so weit gehen soll, dass für die Modellsegler während einer Regatta von den beobachtenden Jury-Mitgliedern bei einem Regelverstoß, Bootsberührung o.ä., keinerlei Zurufe mehr erfolgen, die Aktiven vielmehr (so wie in Täby erfolgt) allein auf ihre Beobachtung angewiesen sind. Wenn ein Segler z. B. also im Gegenlicht und in glitzerndem Wasser sowie auf die Distanz von vielleicht 60 m eine Bojenberührung nicht selbst registrieren kann (und er nicht inoffiziell doch noch darauf hingewiesen wird), kann es ihm passieren, dass er nach Laufbeendigung sehr freundlich von der Jury mit einer Disqualifikation überrascht wird. Wir waren jedenfalls der Meinung, dass die Angleichung an die IYRU hier wohl etwas zu weit geht.

1983_em_5Die Organisation dieser ersten IMYRU- Europameisterschaft war perfekt. Als erfahrener Int. Secretary des schwedischen Verbands war Jan Dejmo als Startstellenleiter verantwortlich für Kursfestlegung und zügigen Durchgang der Läufe. Zwei Minuten Zeit nach Beendigung des einen bis zum Start des nächsten Laufs waren allerdings recht knapp; an viel Zeit zum Basteln, Reparieren oder Ändern war da nicht zu denken. Nachdem der Wettbewerb auf dem Golfplatz des schwedischen Eishockey-Idols Sven Tumba stattfinden konnte, stand auch das Restaurant mit einem preiswerten Lunch täglich zur Verfügung. Die Boote konnten nachts in einem Nebengebäude des Ullna-Golfclubs untergestellt werden. Ein Wort der Anerkennung auch an Lars Andren vom Stockholmer Modellyachtclub, der mit seiner Frau Carol und anderen Clubmitgliedern offensichtlich in monatelanger Vorbereitungszeit die notwendigen Voraussetzungen in der Organisation geschaffen hat. So war ebenso an einen Computer gedacht, der laufend und ganz kurzfristig alle Daten und Zwischenergebnisse ,,ausgespuckt" hat, wie auch zum Abschluss an ein festliches Regatta-Dinner am Sonnabend. Ein besonderes Erlebnis war für die Teilnehmer am „arbeitsfreien" Mittwoch, 10. August, die gemeinsame Dampferfahrt durch die so reizvolle Schärenwelt Stockholms nach Sandham, dem Mekka der schwedischen Segler.

Arbeit, Zeit- und Kostenaufwand der schwedischen Segelkameraden hätten sicherlich eine noch größere Teilnehmerzahl an dieser Europameisterschaft verdient, als nur gerade 50 % der Startberechtigten. Lag es für viele nun nur an der Kostenfrage, dass sie nicht dabei sein konnten. oder wollten? Die Antwort ist schwierig. Sicherlich war der Platz Stockholm bzw. Täby annähernd ideal, was die allgemeinen Bedingungen anbetrifft. Stockholm liegt nun einmal schon am oberen Rand des (noch einigermaßen) erreichbaren Nordeuropas. Die Frage der Entfernungen sollte man bei der Wahl von Austragungsorten nicht unberücksichtigt lassen.

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Und die leidigen Terminüberschneidungen: Es ist doch bekannt, dass genau in der gleichen Augustwoche wie in Täby seit vielen Jahren traditionell auch die Segelwoche in Champex Lac/Schweiz stattfindet. Musste der EM-Termin so gelegt werden? 1984 werden wir voraussichtlich ähnliche Terminsorgen haben: Einmal die Europameisterschaft der Naviga in Wien, zum anderen (2-Jahres-Turnus) die nächste Weltmeisterschaft der IMYRU, wo, ist noch offen.

Nicht nur zur Regelangleichung sollten die beiden Verbände IMYRU und Naviga zusammenkommen, sondern sich freundschaftlich und rechtzeitig auch über Terminplanungen verständigen; ob wir das jemals schaffen werden? Dies liegt ganz besonders im Interesse der Aktiven aller Vereine und Verbände. Wir sollten nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass der Vergleich der Modellsegler aus Naviga und IMYRU untereinander so wichtig ist und gleichzeitig auch einen besonderen Reiz ausübt.

In diesem Zusammenhang und zum Abschluss des Berichts muss ich noch etwas erwähnen, was mich ganz besonders berührt und erfreut hat. Da kommt also aus Holland ein Knabe zusammen mit Mama und Papa angereist, ist gerade 16 Jahre alt, und dieser Jan Mooijman ersegelt sich als einziger Jugendlicher auf Anhieb gegen die harte Konkurrenz der Senioren den 3. Platz dieser Europameisterschaft. Ich denke, wir sollten das als etwas besonders Erfreuliches registrieren.

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 10/1983 Autor: Horst Krönke.
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