Original erschienen in der Zeitschrift Yacht 41/1927 Autor: Paul Krüger.
Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.
Deutschland beteiligt sich zum ersten Male an internationalen Modellsegelwettfahrten:
Seit dem Jahre 1923 finden alljährlich in G o s p o r t (Südengland), in der Nähe von Portsmouth, internationale Modellsegelwettfahrten statt, die von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnen.
Der erste Preis, von der englischen Zeitschrift "Yachting Monthly" gegeben wurde 1923 und 1924 von England gegen Dänemark verteidigt, während 1925 die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika als Herausforderer auftraten. Jedesmal blieb ein englisches Modell Sieger, und da der Besitzer der siegreichen Yachten in jedem Jahr derselbe war, wurde der Pokal damit endgültig gewonnen. Daraufhin wurde der "Yachting Monthly Cup" im Werte von 2100 RM. erneuert, um den sich 1926 neben England als Verteidiger die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Frankreich und Dänemark bewarben. Wieder blieb das englische Boot Sieger, während die Herausforderer in der angeführten Reihenfolge die Plätze belegten.
Für dieses Jahrwar auch Deutschland zur Teilnahme seitens des Veranstalters, der englischen "Model Yachting Association", eingeladen worden. Dieser Verband umfaßt zurzeit etwa 40 Modell-Yacht-Clubs in England, Irland, Schottland und Wales und ist unstreitig die Vertretung der Modellsegler Groß-Britanniens. Im Jahre 1911 gegründet, wurde die Association 1923 erneuert.
Da es, trotz vieler Bemühungen, nicht möglich war, die deutschen Modellsegler in einem Verband zu vereinen, nahm der "Modell-Yacht-Club-Berlin" die an ihn ergangene Einladung an, da er auch die Verhandlungen mit England geführt hatte. Außerdem steht dieser Club mit den Modellseglern in Holland, Schweden, Lettland und Amerika in ständigem Gedankenaustausch, geleitet von dem Bestreben, stets auf dem Laufenden zu bleiben.
Nachdem die Meldung abgegeben war, begannen bereits die Schwierigkeiten. Einige Konstrukteure, die uns einen Riß für den erforderlichen Neubau zugesagt hatten, konnten ihr Versprechen leider nicht erfüllen. Da erklärte sich Herr Marine-Baurat a.D. H.Wustrau Berlin, bereit, uns liebenswürdigerweise einen Riß zu zeichnen. Das Boot wurde erst eine Woche vor der Abfahrt nach England fertig, so daß nur einige wenige Probeschläge auf dem Schlachtensee, noch dazu bei Totenflaute, gemacht werden konnten. unsere Absicht, mehrere Boote zu bauen und das beste davon mit nach England zu nehmen, ließ sich leider nicht verwirklichen.
Über Hamburg und London trafen die beiden deutschen Vertreter am Montag, den 25. Juli, in Gosport ein. Die Aufnahme war in jeder Beziehung außerordentlich freundlich. Ein jeder versuchte, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.
Im Gegensatz zu allen anderen Ländern segeln die englischen Modellsegler auf Teichen. Der Teich in Gosport soll der einwandfreieste in ganz England sein. In einem Stadtpark gelegen, ist derselbe etwa 800 Fuß (= etwa 250 m) lang und etwa 200 Fuß (= ca. 63 m) breit. Das Wasser ist Salzwasser, da der See mit dem Meer in Verbindung steht.
Vom 25. bis 28. Juli fanden die englischen Ausscheidungsrennen statt, um den Verteidiger des kostbaren Preises festzustellen. So hatten wir Gelegenheit, das Teichsegeln kennen zu lernen, die Anwendung von automatischem Ruder und Spinnaker und vieles andere zu sehen, alles Sachen, die für uns vollkommen neu waren. Hier erst lernten und sahen wir, wie man wirklichen Modellsegelsport treibt.
Jede Schmalseite des Teiches ist sowohl Start- als auch Ziellinie. Jedes Boot segelt gegen jedes, und zwar einen Gang den Teich hin und einen Gang zurück. Das Boot, welches hin zu Luv startet, hat zurück die Leeseite. Für den Halbwind- oder Spinnaker-Kurs erhält das siegende Boot 2 Punkte, für einen Kreuzkurs 3 Punkte. Zur Bedienung einer jeden Yacht gehören zwei Mann, die sich nach erfolgtem Start auf jede der Längsseiten begeben, um, wenn das Boot ans Ufer kommt, je nach Bedarf die Segel umzustellen oder beim Kreuzgang das Boot zu wenden. Es ist dieses die beste Art und weise, das Letzte aus dem Boot herauszuholen und die Kunst des Segelns anzuwenden. Auf den Längsseiten sind Unparteiische verteilt, die die Rennen und die Befolgung der Wettsegelbestimmungen überwachen.
Zu der britischen Meisterschaft hatten 35 Modellyachten gemeldet, von denen 28 starteten. Die Wettfahrten fanden bei mittlerem bis starkem Wind statt. Nachdem an den ersten drei Tagen iedes Boot gegen jedes gestartet hatte, kamen am vierten Tage nur die acht besten Boote in das Endrennen. Das in Führung liegende Boot "Gleam" brach am letzten Nachmittag durch Kollision mit dem Zielflaggenstock den Mast. Obwohl das Rennen sofort unterbrochen wurde. bis "Gleam" mit dem Mast eines anderen Bootes neu getakelt war, kam es nicht mehr recht in Trimm und verlor die britische Meisterschaft um nur einen Punkt an ein vier Jahre altes Schwerwetterboot "Gertrude". Letzteres hatte nunmehr die Ehre, den Pokal gegen die Herausforderer zu verteidigen.
Am Freitag, dem 29. Juli war der Teich für die an dem internationalen Rennen teilnehmenden Boote zum Trainieren frei, damit dieselben Gelegenheit hatten, sich mit dem Teichsegeln vertraut zu machen.
Es waren zur Stelle:
"Gertrude" England, gezeichnet und gebaut 1922 von Dr. G. Thompson, Eigner, und gesegelt von Mr. R. Jurd jr., "Gosport Model Yacht Club". Ein gutes Schwerwetterboot, hervorragend kreuzend und von seinem erst achtzehn Jahre alten Besitzer vorzüglich bedient.
„Bostonia II" U.S.A., gezeichnet, erbaut und gesegelt von ihrem Eigner, Mr. John Black, Commodore des „Boston Model Yacht Club" und Präsident der"Model Yacht Racing Association of Nordamerika". Dieses Boot war als bestes unter neun Yachten in den amerikanischen Auswahlrennen ausgesucht worden. Gut bei leichtem bis Mittel-Wind, weniger gut am Wind.
„Marianne II", ebenfalls gezeichnet, gebaut und gesegelt von ihrem Eigner, M. Aubourg vom "Havre Model Yacht Club" als Vertreter der "Federation of French Model Yacht Clubs". Extrem lang und schmal mit geringem Deplacement und langen Überhängen, zeigte "Marianne II" ihr Bestes bei leichter Prise, dabei sich allen anderen überlegen zeigend. Es war das einzige Boot mit einer kurzen Gaffel.
"Berlin", der deutsche Vertreter, war, wie bereits erwähnt, von Herrn Marine-Baurat H. Wustrau gezeichnet, von dem Schriftführer Herrn Erich Roloff erbaut. Als Eigner zeichnete der "Modell-Yacht-Club Berlin". Es war das mächtigste Fahrzeug mit dem größten Deplacement und zeigte sein Bestes bei leichter bis Mittel-Brise in glattem Wasser auf Halbwind- Kursen. Leider bewährten sich seine stark bauchigen Segel mit stark gerundetem Achterliek und Masttasche, welche auf Grund aerodynamischer Erfahrungen mit Flugzeugen entworfen waren nicht.
Der schwedische Herausforderer sagte leider im letzten Moment ab.
Durch die Liebenswürdigkeit der Teilnehmer bin ich in der angenehmen Lage, nachstehend die wichtigsten Vermessungsdaten der einzelnen Boote mitzuteilen:
Als es sich bei unserer Ankunft herausstellte, daß unsere "Berlin" durch eine Gewichtsdifferenz außerhalb der Vermessung war, wurde das Boot auf der bekannten großen Yachtwerft von Camper & Nicholson im Bleikiel erleichtert und überholt, so daß wir am nächsten Tage nach nochmaliger Vermessung in Ordnung waren. Nicht genug, das diese langwierige Arbeit vollkommen kostenlos ausgeführt wurde, durften wir am nächsten Tage die riesigen Anlagen dieses mustergültigen Werftbetriebes besichtigen. Unter anderem sahen wir einen bis auf den Innenausbau fertigen, hölzernen Dreimastschuner von ca. 200 Fuß (etwa 60m) Länge, der mit zwei Dieselmotoren und zwei Schrauben ausgerüstet wird und für Amerika bestimmt ist. Weiter besichtigten wir die 23-m-R-Yacht "White Heather" und zwei 12-m-R-Yachten, die aufgeslipt waren, um für die Cowes-Woche überholt zu werden.
Inzwischen war "Berlin" durch die Liebenswürdigkeit englischer Modellsegler mit verschiedenen, uns unbekannten Vorrichtungen versehen und eingesegelt worden.
Am ersten Tage, Sonnabend, dem 30. Juli, weht eine leichte Brise, hin und zurück eine Halbwindtur ergebend, Punktzahl 2 und 2. Der Bürgermeister von Gosport, Konter-Admiral Mogg, heißt die Teilnehmer willkommen und wünscht ihnen guten Sport. Alsdann startet seine Gemahlin die ersten beiden Paare. "Gertrude" und "Bostonia" laufen in Front, "Berlin" und "Marianne" können das Tempo nicht halten. Letztere kann nur 2 Punkte machen, verliert alle anderen an die Gegner, dagegen gewinnt "Berlin" 2 Punkte von "Gertrude".
Nachmittags dreht der Wind und frischt auf Punktzahl 2 und 3. "Gertrude" setzt zweites Stell Segel, "Bostonia" drittes, "Marianne" refft, während "Berlin" sein volles Zeug tragen muß, da nur ein Stell vorhanden und dieses infolge der Masttasche nicht zu reffen ist. Dafür versucht "Berlin" ein kleineres Vorsegel. Trotzdem ist das Boot nicht an den Wind zu bekommen und kann am Nachmittag nicht einen Punkt machen. Am Schluß des Tages führen "Gertrude" und "Bostonia II" mit je 44 Punkten, es folgt "Marianne II" mit 12 und "Berlin" mit 8 Punkten.
Kurz entschlossen setzt am Abend "Berlin" seine Takelage erheblich nach achtern und benutzt den Sonntag vormittag zum Trimmen.
So können wir dem zweiten Tag, Montag, dem 1. August, in Ruhe entgegensehen. Punktzahl 2 und 3. Es regnet den ganzen Tag, dazu leichter, veränderlicher Wind. Für "Bostonia" das richtige Wetter. Sie läuft zeitweise mit 12 Punkten in Front, doch auch "berlin" und "Marianne" zeigen zu Zeiten ihre guten Eigenschaften. So gewinnt "Berlin" von "Marianne" 10 Punkte, von "Bostonia" 11 und von "Gertrude" 4. Auch letztere kann etwas gutmachen, so daß das Resultat am 2. Tage wie folgt lautet: "Bostonia II" 83 Punkte, "Gertrude" 80 Punkte, "Berlin" 33 Punkte, "Marianne II" 32 Punkte.
Auch am dritten und letzten Tage, am Dienstag, dem 2.August, herrschte leichter Wind, so daß die Aussichten Englands, den Pokal zu behalten, sehr gering waren. Mehrere tausend Zuschauer wohnten dem Schlußkampf bei, darunter drei Admirale und viele Großsegler, u.a. der Eigner des Schuners "Westward". Wieder gab es eine Spinnakertur hin und eine Kreuztur zurück, so die Punktzahl 2 und 3 ergebend. Während "Bostonia II" und "Gertrude" um die Führung kämpften, lieferten sich "Berlin" und "Marianne II" einen harten und schweren Kampf um den dritten Platz. "Berlin" hatte recht wenig Aussichten, hatte doch M.Aubourg die größere Erfahrung, da er bereits im Vorjahre in Gosport an den Wettfahrten teilgenommen hatte.
"Bostonia" zog mächtig auf und davon, doch gelang es im Laufe des Tages "Gertrude", begünstigt durch das Auffrischen des Windes, mit einem Punkt in Führung zu gehen, als nur noch die letzten beiden Läufe England gegen Frankreich und Amerika gegen Deutschland zu segeln waren. Noch einmal gab es spannende Augenblicke, als "Marianne" auf der Spinnakerstrecke "Gertrude" die beiden Punkte abnahm, wodurch "Bostonia" wieder mit 1 Punkt führte. Da besann sich unsere "Berlin" und schlug "Bostonia" ganz knapp ebenfalls auf der Spinnakertur, so daß das Ergebnis der drei Tage sich folgendermaßen stellte:
1."Gertrude" (England) 129 Punkte
2."Bostonia II" (U.S.A.) 128 Punkte
3."Berlin" (Deutschland) 47 Punkte
4."MArianne II" (Frankreich) 44 Punkte
Es war ein selten spannendes und scharfes Rennen, sowohl um den ersten als auch um den dritten Platz. Das zeigt am besten die Differenz der ersegelten Punkte.
Am Abend fand ein Dinner statt, zu dem die Teilnehmer der Wettfahrten, der Vorstand des englischen Verbandes sowie die Herren der Wettfahrtleitung als Gäste des Bürgermeisters geladen waren. Hierbei erfolgte die Übergabe der Preise.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, den Herren des Vorstandes der Model Yachting Association, den Herren der Wettfahrtleitung und allen englischen Seglern zu danken für die freundliche Aufnahme und liebenswürdige Hilfe und unterstützung, die uns in so überaus reichem Maße zuteil geworden ist. Mit Erfahrungen reich beladen, konnten wir die Heimreise antreten.
Ebenso möchte ich es nicht unterlassen, denjenigen unseren Dank auch an dieser Stelle auszusprechen, die uns durch freundliche Unterstützung zum Teil unsere Reise nach England ermöglicht haben. War auch die Zahl dieser Freunde unserer Sache noch gering, so hoffen wir doch, im nächsten Jahre vielen und neuen Gönnern danken zu können. Als einziger Großsegelklub ist der "verein Berliner Segler" zu verzeichnen, der uns und unsere Bestrebungen wohlwollend unterstützt hat.
Paul Krüger
Vorsitzender, Modell-Yacht-Club Berlin