Da ich aus den letzten Nummern der Yacht sehe, dass die Interessen für den Modell-Segelsport hier in Deutschland in letzter Zeit sehr groß geworden sind, wird es vielleicht für die Leser der Yacht von Interesse sein, zu hören, wie die Entwicklung des Modell-Segelsports in Norwegen vor sich gegangen und dort zu einem unschätzbaren Wert für den wirklichen Segelsport geworden ist.
Im Jahre 1904 wurden die beiden ersten Modellyacht-Vereine gebildet. Der eine in Christiania und der andere in der Nähe von Christiania, wo der innere Teil des Christianiafjords mit seinen vielen schönen Inseln ein ausgezeichnetes Bassin für das Segeln mit Modellyachten bietet, und es hat sich gezeigt, dass das Interesse für Bau und Segeln mit Modellen sehr groß war.
Schon von Gründung der Vereine an legte man großen Wert darauf, die Modellboote so auszuführen, dass sie möglichste Ähnlichkeit mit den Rennbooten hätten, um die Resultate der Modellyachten aus die größeren Yachten übertragen zu können, was sich indessen nicht leicht ausführen lässt.
Die erste Messformel, die wir hatten, lautet:
L + B + Gr + 1/4 S
---------------------- = Segellänge
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Es zeigte sich aber, dass die Modelle eine abweichende Form der gewöhnlichen Rennboote bekamen, denn diese Formel begünstigt die flachen Flundern zu sehr, und man ging deshalb im nächsten Jahre von dieser Messformel zu
L + B + 3/4 Gs + 1/2 √S
--------------------------- = Segellänge
2
über. Statt Rechteckumfang wurde Spantumfang, und statt S/4 wurde 1/2 eingeführt. Im Jahre 1910 ist man zu der internationalen Messformel auch für diese Boote übergegangen.
Es ist ganz interessant, zu sehen, wie man in Norwegen auf dem Gebiet des Modell-Segelsports dieselbe Entwicklung beobachtet hat, wie bei den internationalen Yachten, während man hier in Deutschland zu dem reinen Deplacement-Messverfahren gelangt ist. Eine Entwicklung, die der unseren entgegen gerichtet ist.
Dieser Sport wird am meisten von jüngeren Leuten betrieben, aber man sieht oft ältere Herren, die mit großer Freude ihre selbstgebaute Modellyacht in einer Regatta manövrieren.
Die Bahn der Regatta war früher geradlinig, jetzt aber wird immer eine Dreiecksbahn gesegelt. Der Modellyachtsport ist jetzt so weit fortgeschritten, dass er etwas mehr bieten kann, als die geradlinige Bahn. Die Dreiecksbahn ist ebenso berechtigt bei den Modellyacht-Regatten, wie bei anderen Regatten, denn hier hat man die beste Gelegenheit , zu sehen, wie weit jeder in der Manövrierfähigkeit gekommen ist, und darauf kommt es hauptsächlich an.
Die gebräuchlichste Bauart ist Spantensystem, es gibt aber auch andere Methoden, die bei uns sehr üblich sind, wie das englische „Bread and Butter" und das Boot aus einem Stück herzustellen.
Die Modelle werden jetzt gewöhnlich nur mit Fock und Großsegel ausgestattet. Das Großsegel ist selbstverständlich mit Patentreff versehen. Früher wurden viele Boote auch mit Patentfock, sowie mit Schonerrig angefertigt, jetzt aber ist man allmählich wieder davon abgekommen. Seitdem wir bei den Regatten Dreiecksbahn eingeführt haben, sind auch die Modellboote mit Spinnaker und Ballon versehen.
Um den jungen Leuten Gelegenheit zu geben, sich ein Modellboot bauen zu können, werden im Laufe des Winters Kurse gehalten, wo sie ihre Kenntnisse im Zeichnen, Konstruieren und Bauen erweitern können.
Im Jahre 1908 war man schon so weit gekommen, dass man eine Ausstellung von Modellyachten in Christiania veranstalten konnte. In dieser Ausstellung waren 43 Modellyachten, davon waren 6 Modelle von jungen Leuten unter 14 Jahren gebaut und ungefähr 20 Yachten von Herren zwischen 14-18 Jahren, und hierin liegt die große Bedeutung des Modell-Yachtsports.
Diese jungen Leute bauen immer größere und größere Modelle, bis die Grenze der ersten Klasse erreicht ist.
Dann gehen sie weiter und verlassen den Bau ihrer Modellyachten, um etwas Größeres zu bauen, und im Jahre 1910 musste unser Modellyachtclub eine Sonderklasse errichten. Schon in demselben Jahre erschienen 5 Boote in dieser Klasse, die alle von den Eigentümern selbst gebaut waren. Diese Boote haben eine Länge von 4,5 Meter und Breite 1,6 Meter mit Schwert. Segelareal 13 m².
Ein solches selbstgebautes Boot kostet ca. 100 Mark und erfüllt vollständig die Erfordernisse, die man an ein Boot mit so kleinen Dimensionen stellen kann.
Sie werden sowohl als Tourenboote, wie Rennboote benutzt.
Ich glaube diese Bilder zeigen, was Herr „Plebs" in der letzten Nummer dieser Zeitschrift unter „Yacht des kleinen Mannes" meint. (Fahrten und Segelboote bis 5 m Länge Yacht 1912/12)
So ist die Entwicklung des Modellyachtsports in Norwegen vor sich gegangen, und es hat sich schon gezeigt, dass der Sport der Modellyacht eine unschätzbare Vorbildungsschule für den wirklichen Yachtbau und das Rennsegeln geworden ist.
Original erschienen in der Zeitschrift Yacht 15/1912 Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.