Zu der Zeit, als ich noch mit einer kleinen COLLIE das Segeln lernte, also Ende der 70er Jahre, entstand in der Werkstatt von Werner Peukert dieses M-Boot mit der Baunummer 23.
In dem Fachbuch "Marblehead-Boote" von F. K. Ries wird die Entstehung eines solchen Rumpfes aus Zedernholz anhand von Baustufenfotos recht ausführlich gezeigt, allerdings nicht das fertige Boot. Die hervorragende Bauausführung kann man ohnehin eigentlich nur am realen Boot erkennen. Der zwischenzeitlich verstorbene Werner Peukert hatte seinerzeit etliche Boote in ähnlicher oder auch gleicher Ausführung für die Klassen X, M und 10R gebaut und einige davon auch an Segler verliehen.
Das Boot M 23 ging nach Fertigstellung in den Besitz von Horst Krönke (G 31) über, er war damals ein sehr aktiver Modellregattasegler. Das Boot war bei ihm bis 1987 im Einsatz und es hat dabei neben vielen Veranstaltungen in Deutschland auch an Regatten in England, Norwegen, Östereich und der Schweiz teilgenommen. Es war also alles andere als ein Schönwetterboot.
1988 habe ich es dann bekommen, allerdings nicht, um damit noch Regatten zu segeln. Bis auf den etwas stumpfen Lack und ein paar kleinere Gebrauchsspuren war das Boot trotz des aktiven Vorlebens in einem guten Zustand und ich habe damals nur sehr wenig renoviert. Das Holz ist völlig intakt, obwohl das Boot leicht undicht war (und leider immer noch ist) und daher häufig im Inneren etwas Wasser herumschwappt, wenn es bei frischem Wind gesegelt wird. Einzig die stark verrundete Rumpfkante weist Alterungserscheinungen auf, da einige Stoßstellen der einzelnen Massivholz-Stücke für diese Kante leider immer wieder etwas aufreißen und dort dann der Lack absplittert. Auch die neue Lackierung hat an diesen Stellen bereits nach kurzer Zeit versagt. Irgendwann muss ich wohl mal in den sauren Apfel beißen, die gesamte Außenlackierung abbeizen und eine neue mit Bootslack (oder G4) aufbauen.
Die Schotführung wurde etwas geändert und das ursprünglich extrem große Ruderblatt um gut ein Drittel verkleinert. Auch der Segelsatz ist nach wie vor einwandfrei, es ist allerdings nicht mehr der ursprüngliche Satz aus einteiligem Dacron. Anfang der der 80er Jahre wurde die aktuelle Garderobe nämlich von Winfried Weiss (Hamburg) bereits aus Mylar angefertigt. Die Segel entsprechen der damaligen Naviga-Richtlinie mit einer gleichmäßigen und damit noch richtig harmonischen Achterlieksrundung.
Unverändert blieb auch die Fernsteuerung, eine der früher sehr verbreiteten Graupner-Anlagen aus dem Hause Grundig, die bis vor kurzem auch noch brav ihren Dienst tat. Ausgerüstet ist sie mit einem für heutige Verhältnisse langsamen Linearservo für die Rudersteuerung und natürlich der bekannten, sehr lauten Graupner/Schuhmacher-Segelwinde, deren Getriebe leider auch im hohen Alter nicht leiser wird. Die Anlage ist in einer separaten, herausnehmbaren Plexiglas-Box montiert, die mit nur einer Schraube im Boot befestigt ist und so sehr schnell auch in einem anderen Boot montiert werden konnte. Damals zählte noch nicht das Gewicht in Gramm. sondern die praktischen Vorzüge beim Einsatz verschiedener Boote. Die Plexiglas-Box wiegt nämlich allein schon so viel, wie heute eine komplette Fernsteuerung!
Der abnehmbare, sehr großflächige Kiel besteht im Kern aus Aluminiumblech, dem offenbar mit viel Polyesterspachtel ein Profil gegeben worden ist. Mit deutlich über 0,5 kg ist er gewichtsmäßig ebenfalls weit von den heutigen Kohlefaserflossen entfernt. Ursprünglich kamen dazu zwei Bleibomben mit Ca. 4.5 kg und 4 kg (je nach Wetter) zum Einsatz. Bereits mit dem 4-kg-Gewicht tauchte der flache Heckspiegel aber ins Wasser ein. bei den 4.5 kg bin ich im Zweifel, ob die je genutzt worden sind. Ich habe die 4-kg-Bleibombe hinten abgefeilt und so auf Ca. 3,5 kg reduziert, wodurch der Spiegel jetzt völlig frei über der Wasserlinie liegt, ein sauberer Wasserablauf gegeben ist und damit das Boot in meinen Augen harmonischer im Wasser liegt. Den Verlust an aufrichtendem Moment kann das Modell gut verkraften. Die Vermutung liegt nahe. dass dieses Boot mit dem recht weit hinten angeordneten Rigg und Kiel für stärkeren Wind konzipiert worden ist und dafür das eintauchende Heck in Kauf genommen wurde. Soweit ich weiß, soll W. Peukert damals verschiedene, aber sehr ähnliche Boote gebaut haben. die für unterschiedliche Windbedingungen gedacht waren. Leider habe ich bis heute aber keines dieser Schwesterschiffe gesehen.
Die Verbindung des Kiels zum Rumpf ist ausgesprochen aufwändig gearbeitet: Der Kiel sitzt mit einer relativ breiten Aluminium-Fläche stumpf am Rumpfboden, in dem dort außen als Gegenstück ebenfalls eine Aluminiumplatte exakt passgenau eingearbeitet ist. Wie das genau angefertigt worden ist, kann ich leider nicht sagen. Es sieht nicht nur sehr sauber aus, sondern hat auch exakt passende Übergänge! Der Kiel wird lediglich mit einem M8-Bolzen verschraubt. Erstaunlich, dass diese Konstruktion mit den erheblichen Hebelkräften auch heute noch einwandfrei in Schuss ist.
Das Ruder ist durch eine Steckruderachse aus Messingrohren mit einem Schnappverschluss abnehmbar, ebenfalls eine originale Peukert-Konstruktion.
Das knapp 2 m hohe Rigg hat etwas eigenwillige, klassische Proportionen mit einer auffallend schmalen, kleinen Fock und einem sehr großen, breiten Großsegel, fast wie bei einem Drachen-Boot. Es steht wie gesagt recht weit achtern und der Bug wird damit entlastet. Allerdings erzeugt das breite Großsegel in Böen leider ein recht kräftiges Luvmoment, auch wenn das Boot ansonsten neutral segelt. Zur damaligen Zeit hat man halt noch nicht mit max. 9 verschiedenen Segel-Sätzen während einer Regatta hantiert, sondern dieses eine Rigg war die Universallösung und hatte über die Segeleinstellung alles zu verarbeiten.
Der gar nicht mal so schwere und doch stabile Mast aus Kiefernholz steht auch heute noch unverspannt schnurgerade. Er ist nach oben hin konisch zugeschliffen und hat zur Großsegelbefestigung ein als Keep dienendes Alurohr eingearbeitet, womit das Holz auch bei Regen und einem nassen Segel sehr gut geschützt ist. Warum die sehr breite Saling recht hoch und so breit ausgeführt wurde. kann ich mir weniger erklären. Das Jumpstag allerdings erfüllt seinen Zweck und versteift den Masttopp wirkungsvoll.
Eine weitere Besonderheit zeigt die Gestaltung der beiden Segelbäume, deren Querachsen kugelgelagert und herausnehmbar im Deck befestigt sind. Auffallend ist hier der sehr große Abstand der Drehachse zu der Vorderkante der Segel. Damit werden die Segel beim Fieren deutlich bauchiger, als sie es im dichtgehalten Zustand an der Kreuz sind: Eine automatische Profilverstellung also. Sie sollen so auf raumen Kursen mit viel Proiltiefe mehr Kraft liefern. Allerdings verliert man platt vor dem Wind auch einiges an projizierter Fläche, besonders bei der sehr schmalen und kleinen Fock.
Klasse sind die Rumpflinien, auch heute noch! Das jetzt immerhin noch gut 6,5 kg schwere Boot geht bei entsprechend etwas frischem Wind hervorragend balanciert raumschots durch die Wellen und hat dabei einen wunderschönen Wasserverlauf, verursacht durch ein schlankes V-förmiges Vorschiff, welches weich und elegant durch das Wasser geht und dabei einiges an Auftrieb liefert. Leider ist das dafür zwar flache aber recht bauchige Heck die Schattenseite des Rumpfs, denn um das damals nötige Gesamtgewicht tragen zu können, musste halt irgendwo die Verdrangung herkommen. Dieses Heck hat leider deutliche Saug-Eigenschaften, d.h. wenn das Boot in einer Böe eigentlich richtig einen auf Speed machen will, saugt sich der Rumpf hinten erkennbar ins Wasser und bremst sich damit aus! Würde man diesen Rumpf heute als Vorbild für einen Neubau nehmen, so könnte man das Vorschiff so lassen und wegen der heute nur noch knapp 5 kg schweren Boote das Achterschiff deutlich gestreckter zeichnen.
Mir wurde erzählt, dass seinerzeit einmal ein Originalrumpf dieses Typs wahrend einer langen Regattanacht in einer Hau-Ruck-Aktion angeblich illegal abgeformt und eine Negativform erstellt worden sei. Ein gutes Zeugnis für die Leistung des Rumpfs auf der einen Seite, aber W. Peukert soll, so heißt es, darüber lange Zeit verstimmt gewesen sein.
Günter Voelz aus Berlin hatte Anfang der 90er nochmal ein derartiges Boot mit einem Kohlefaserrumpf und im Stand der damaligen Technik mit Walicki-Drehmast gebaut, das gar nicht schlecht lief, auch wenn der Rumpf natürlich nicht mehr mit über 6 kg belastet wurde und er mit der entsprechend deutlich geringeren Verdrängung nicht mehr ganz optimal im Wasser lag.
Wenn man die M 23 heute segelt, so ist der Entwicklungssprung der M-Boote in den letzten 20 Jahren nicht zu übersehen, nicht nur was die reine Leistungsfähigkeit der Boote angeht. Dieses Boot, obwohl ja damals auch als reine Regattayacht konzipiert, ist jetzt doch eher ein ruhiger Genießer und kann einer heutigen Konstruktion leider keinen Zahn mehr ziehen. Das resultiert aus dem hohen Gewicht und den großflächigen Anhängen aber auch aus der Ausführung des Riggs. Es ist allerdings auch heute noch auf einem speziellen raumen Kurs mit einer guten Portion Wind in den Segeln ein überraschend schnell werdendes Schiff, dem man wegen seiner schon bald klassischen Linien sehr gerne einfach so belm Segeln zuschaut. Die reine Segelleistung ist ja nicht alles, was Spaß machen kann. Und dabei kommt einem dann der Gedanke, dass es doch eigentlich schade ist. dass man von diesen alten Booten, von denen es ja einige gegeben hat, so gar nichts mehr sieht. Wo sind die denn alle versteckt?
Ein „Oldtimer"-Treffen wäre doch mal eine nette Idee, bei dem dann die ganzen guten alten Stücke mal wieder betrachtet und auch gemeinsam gesegelt werden könnten.
In England und Amerika - man ist geneigt zu sagen: "wo auch sonst" - gibt es solche Treffen, bei denen dann 50 und mehr Jahre alte Boote, teilweise liebevoll restauriert, im Einsatz zu sehen sind.
Original erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell des Neckar-Verlags 5/2003 Autor:Thomas Dreyer. Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.