RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

- mit einfachen Mitteln -
Irgendwann kommt für jeden Modellbauer der Moment, in dem er sich wünscht, die Eigenschaften seiner zukünftigen Modelljacht von vornherein festlegen zu können. Er möchte dann wissen, wie sich der Gesamtwiderstand aufbaut, welche Bootsform am günstigsten ist und wie sich diese oder jene Maßnahme auf die Geschwindigkeit auswirkt. Glücklich ist nun, wer nur ein Buch hat. Er weiß wenigstens, woran er ist. Wehe dem aber, der nach einer zweiten oder gar dritten Information sucht. Mit Jeder weiteren Quelle, die er zu Rate zieht, glaubt er sich mehr auf unerforschtem Boden. Hier gilt es, dem Autor zu folgen, der einem Pfadfinder gleich den Weg zu kennen vorgibt. Zunächst meint man, es führen viele Wege zum Ziel. Bei näherem Hinsehen stößt man dann auf seltsame Ähnlichkeiten, und man trifft in etwas anderem Kleid vielfach auf die gleichen Aussagen, ja sogar auf die gleichen Diagramme - ein wenig verändert natürlich . Da gibt es offenbar mehrere, die jemanden kennen , der von einem weiß , der geschrieben hat , . . . - selbstverständlich wird die Quelle vertraulich behandelt. Wen wundert es dann, wenn sich die Autoren mit Zahlenmaterial oder gar Relativzahlen sehr zurück halten.

geschwindig_1Ich wollte im letzten Sommer wenigstens die Größenordnung der Kräfte erfahren, die an unseren Modellen zerren. Nach dem Motto: "Die Einfachheit ist die Mutter der Wahrheit" begann ich mit zunächst noch recht einfachen eigenen Messungen, über deren erste noch bescheidene Ergebnisse ich hier berichten möchte.

Das notwendige Gerät war bald zusammengeborgt und zurechtgebastelt (vgl. hierzu Abb. 1). Eine geeignete Stelle in einem Bach ließ sich nach einer Suche im Faltboot auch finden. So stand den ersten Versuchen an einem der wenigen Sommertage '84 nichts mehr im Wege. Mit vorherausgeknobeltem Meßprogramm und dem nötigen Gepäck machte ich mich auf den Weg.

Zunächst wurde die Strömungsgeschwindigkeit mit dem Log gemessen und die Strömung in jenem Teil des Baches auf Geschwindigkeitsabweichungen geprüft, in dem die Messungen erfolgen sollten. Dazu ließ ich vom Logbrett, das mit der Strömung trieb, einen Faden über eine Rolle von einer Spule abwickeln. Die Rolle befand sich auf der Achse des geeichten Geschwindigkeits- und Beschleunigungsanzeigers. Solch eine Messung ist auf Abb.2 wiedergegeben. Diese Meßart mit Logbrett, das im Wasser treibt, wählte ich aus, weil auch der Bootskörper in den obersten Wasserschichten gemessen werden sollte (Eintauchtiefe). Wie diese Versuche ausgeführt wurden, zeigen die Abbildungen 3 und 4.

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Ich habe die Werte in einer Tabelle zusammengefasst, damit der Leser meine daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen kontrollieren kann und gegebenenfalls selbst eigene Schlüsse zieht (vgl. Tabelle). Aus dieser Tabelle lassen sich unmittelbar folgende Aussagen ableiten:

  • 1. Mit zunehmender Verdrängung wächst auch der Widerstand, jedoch nicht im gleichen Maße.
  • 2. Eine leichte Krängung bedeutet nicht unbedingt eine Zunahme des Widerstandes.
  • 3. Das Aufbiegen der Schale vergrößert die Tragfähigkeit, aber auch den Widerstand im beladenen Zustand.
  • 4. Der Reibungswider stand im Wasser ist recht groß.

Ich möchte diese vier Aussagen jetzt näher betrachten und danach mir möglich erscheinende Schlüsse ziehen.

geschwindig_2Also zu Punkt 1:
Vergleicht man die gemessenen Widerstandswerte bei den einzelnen Belastungen miteinander, so erkennt man, dass der Widerstand immer weniger stark zunimmt, je schwerer das Boot ist. Auch der Unterschied in der Form wirkt sich dabei nur wenig aus. Dies zeigen die Messungen 6, 7, 9 ebenso wie 10, 11 und 12 oder 1 und 2. Die Breite beeinflusst dieses Verhalten wenig.

Zu Punkt 2:
Diese Beobachtung bestätigt eine bei Seglern bekannte Tatsache, dass krängend segelnde Boote meist schneller laufen als aufrecht segelnde.

Zu Punkt 3:
Oftmals ist es erforderlich, eine Bootsschale aufzubiegen, um di e Verdrängung zu erhöhen. Wie hier die Versuche 8 und 12 zeigen, lässt sich die Tragfähigkeit im erforderlichen Maße vergrößern. Damit wächst der Widerstand gegenüber der schlankeren Variante. Zugleich nimmt aber auch die Stabilität zu. Die Versuche 3 und 4 lassen bei gleichem Abstand der Ladung von der Kiellinie eine geringere Krängung erkennen.

geschwindig_3Ein Phänomen scheint hier jedoch die Widerstandsabnahme zu sein, die man bemerkt, wenn man eine Bootsschale aufbiegt, unbeladen misst und diesen Wert mit der Messung der zusammengezogenen leeren Schale vergleicht. Die breitere Form ist widerstandsärmer! Die Erklärung hierfür liegt im Eintauchverhalten. Durch den hochgezogenen Bug und das aufgebogene Heck besitzt sie jetzt eine kleinere Oberfläche. Damit verringert sich ihr Strömungswiderstand trotz der plumperen Form.

Zu Punkt 4:
Dass die leere Schale mit nur 480 g Masse kaum weniger als halb so viel Widerstand verursacht wie der sechs mal so schwere Bootskörper ist allein auf den Einfluss der Oberfläche auf den Gesamtwiderstand zurückzuführen, was man sich nur schwer vorstellen kann (vgl. hierzu die Versuche 1 und 2 , 4 und 5, 6 und 7 bzw. 10 und 11).

Fasst man nun die einzelnen Beobachtungen abschließend zusammen, erhält man für unsere Modelljachten weitere Hinweise:

  • 1. Es lohnt offenbar doch nicht, so leicht wie möglich zu bauen.
  • 2. Legt man einen Rumpf breiter aus, so gewinnt man an Segeltragevermögen durch die größere Stabilität und das dann mögliche höhere Kielgewicht, bedingt durch höhere Verschrägung. Man zahlt dafür mit einem etwas höheren Strömungswiderstand.
  • 3. Bei der Wahl der Bootsform sollte man weiter beachten, daß nicht unnötig viel Fläche benetzt wird. Dadurch kann leicht eine schlanke Form gegenüber der molligeren benachteiligt werden. Formen sind anzustreben, die bei Krängung die Oberfläche nicht vergrößern und raumschots eher aus dem Wasser steigen.

Für die Versuche 1 - 5 herrschten andere Bedingungen als für die Messungen 6 - 12, die am zweiten Tag erfolgten. Bei den letzten Messungen wurde ein abgeänderter Versuchsaufbau verwendet. Auch bewegte sich der Rumpf im unruhigen Wasser, weshalb die Messwerte hier nicht immer deutlich scharf eingegrenzt werden konnten. Die Messung 8 war nicht möglich, weil die Schale wegen Überladung voll lief.

Die Messungen erfolgten bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 1, 1 m/s, was etwa 4 km/h entspricht. Als Messobjekt diente eine 1,55 m lange Schale eines Modelljachtrumpfes, die auf 24 cm verengt bzw. auf 30 cm aufgebogen wurde.

Ngeschwindig_4ach diesen Versuchen möchte ich den Schluss wagen, dass die Größe der benetzten Fläche um so wichtiger wird, je kleiner und leichter eine Modelljacht gebaut werden soll. Und weil in diesem Fall die Oberfläche an Bedeutung gewinnt, sollte auf ihre Güte besonders geachtet werden.

Zur Wertetabelle erscheint mir folgender Hinweis nötig: "Für jene unter uns, die sich mit den neuen Einheiten der Physik nicht so recht anfreunden können, ist folgende Anmerkung gedacht: 1 N (ein Newton) ist die Kraft, die einer Masse von 1 kg eine Beschleunigung von 1 m/s erteilt. Diese Kraft entspricht in etwa der Gewichtskraft eines gewöhnlichen 'Hundertgrammgewichts'."

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 2/1985 Autor:Dietmar Lux. Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.