RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Die in diesem Vergleich berücksichtigten Yachten sind aktuelle 10 Rater für die entsprechende Daten / Risse zur Verfügung standen. Die Spantenrisse sind zum Zwecke des Urheberschutzes nur rudimentär und ohne Informationen zu den Längenkoordinaten dargestellt, um dem Leser einen Eindruck von der jeweiligen Yacht zu vermitteln.

Man kann die 10 Rater als „Königsklasse“ des RC-Yachtsegelns bei den Monohulls bezeichnen, nicht nur weil diese Yachten zu den größten RC-Yachten gehören, sondern vielmehr, weil in dieser Klasse die Konstruktionsspielräume bei weitem am größten sind. Dies zeigt sich auch bei den hier betrachteten Yachten.

Die vielleicht interessanteste Frage in Zusammenhang mit diesem Vergleich ist:

Warum ist die Viry Easy den viel längeren 10 Ratern nicht hoffnungslos unterlegen?

Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Blick auf die unten dargestellte Widerstandskurve hilfreich. Diese Grafik, in der der Widerstand über die Geschwindigkeit dargestellt ist, normiert auf die Froude-Zahl, zeigt 2 Verläufe. Einmal für „normale“ Verdrängeryachten und einmal für die aktuellen 10-Rater. Normale Verdrängeryachten sind kaum in der Lage einen Zustand des Angleitens bzw. des Gleitens zu erreichen. Der Widerstand steigt im Bereich der max. Rumpfgeschwindigkeit (Fn=0,4) exponentiell an. Für die im RC-Segeln aktuell gesegelten 10-Rater ergibt sich in diesem Bereich ein viel flacherer Anstieg des Widerstandes. Diese Yachten sind in der Lage ihr schiffseigenes Wellensystem zu verlassen und in den Zustand des Angleitens überzugehen. Dieser flache Anstieg der Widerstandskurve ergibt sich aus dem geringen Gewicht bezogen auf die Hauptparameter Länge, Breite und Tiefgang.

In den letzen Yacht-Ausgaben gibt es einige Beiträge von Herrn von Ahlen (Yachtkonstrukteur) die zwei in diesem Zusammenhang interessante Darstellungen zeigen.
Einmal wird eine Widerstandkurve gezeigt, ähnlich der unten dargestellten, aber für Verdränger und im Vergleich für einen modernen Volvo Ocean Racer. Letztere Yachten zeigen einen Widerstandverlauf im Bereich von Fn=0,4, der dem unserer 10-Rater ähnlich ist. Auch die Volvo Ocean Racer erreichen Gleitfahrt.
Schon vor vielen Jahren, siehe Beitrag auf der DSV Seite, habe ich Schlepptankversuche mit einer M-Yacht durchgeführt und damals eine ganz ähnliche Widerstandskurve ermittelt und veröffentlicht (DSV Interent-Archiv Modellsegeln) Damals waren RC Yachten noch schwerer und trotzdem ergab sich schon eine Widerstandskurve, wie unten dargestellt. Für aktuelle Yachten wird der Verlauf der Kurve also noch flacher sein.

Ein zweiter Punkt aus den erwähnten Beiträgen ist im Vergleich zu unseren 10-Ratern interessant. Es wird eine Grafik gezeigt, die eine im Yachtbau übliche Kennzahl, das Verhältnis Verdrängung / Länge (D/L) darstellt. Für super leichte Yachten wird hier eine Wert von ca. 110 erreicht. Werte kleiner 150 bedeuten, dass Gleitfahrt möglich ist. Aktuelle 10-Rater liegen durchschnittlich bei einem Wert von 56 ! Das sind Werte, wie sie bei den „Großen“ nur von Multihulls erreicht werden.
Damit wird die oben gestellte Frage zum großen Teil beantwortet. Die Viry Easy kann ihre kürzere Länge ausgleichen durch Übergang von der Verdrängerfahrt zur Gleitfahrt. Im Detail muss man diese Aussage natürlich windstärkenabhängig vertiefen, das führt hier aber zu weit.

Also warum dann noch „lange“ 10er bauen?

10R1Wie immer im Yachtdesign ist alles nur ein Kompromiß. So gilt auch für die kürzeren Yachten, dass sie diesen Nachteil natürlich nur ausgleichen können, wenn genug Vortriebskraft zur Verfügung steht. Bei allen Regatten mit eher weniger Wind, aber wiederum soviel, dass die Schiffe ausreichend krängen, haben die längeren Yachten Vorteile. Dann entwickelt sich die längere Wasserlinie und es gibt einen Geschwindigkeitsvorteil. Bei ganz wenig Wind, wird eine M-Rumpf gut gesegelt, unschlagbar sein, aber sobald die Windgeschwindigkeit ausreicht, dass sich die Schiffe ihrer Rumpfgeschwindigkeit (Fn 0,4) nähern, wird die M-Yacht zurückfallen.

Kleine Berechnung dazu :

M-Yacht Länge 1,27 m v = 4,5 * √ L = 5,07 m/s
10 Rater Länge 1, 45 m v = 4,5 * √ L = 5,42 m/s also 21 m weiter nach 60 sec!

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt, der für längere Yacht spricht. Die flacheren Ein- und Ausfallswinkel, betrachtet in der Seitenansicht, verursachen geringere Druckspitzen bezgl. der Druckverteilung um das Unterwasserschiff. Flachere Winkel sind bei größerer Länge und konstanter Verdrängung möglich. Da diese Druckverläufe letztlich den Widerstand der Yacht bei Fahrt durchs Wasser ausmachen, ergibt sich ein Vorteil für das längere Schiff, natürlich unter der Voraussetzung, dass das Gewicht nicht wesentlich steigt.

Und schon ist man bei der nächsten Überlegung, die unmittelbar mit der Breite der Yacht zu tun hat. Macht man das Schiff schmaler, verringert sich der Widerstand. Da man aber irgendwie die Verdrängung unterbringen muss, wird es zwangsläufig zu einer Vergrößerung des Tiefgangs kommen und damit wieder zu Widerstandszuwachs wegen der ungünstigeren Druckverteilung insbesondere im Heckbereich. 
Unter diesem Aspekt ist ein Blick auf die hier relevanten Yachten interessant.

 

Yacht

LüA

[cm]

B 

[cm]

T

[cm] 

V

Rumpf

[cm³]

V

mit Kiel
und 
Ruder

CP

Zylinder-
Koeffizi.

Aw 

[m²]

LWL

[cm]

LWL

Potential

LWL

bei 20 Grad
Krängung

LWL

bei 30 Grad
Krängung

Form-
stabilität
30 Grad
Krängung
Normiert

[ % ]

Form-
stabilität
30 Grad
Krängung
Blei Diff,

[ g ]

 

Diamond

 

159,0

18,7

6,3

5250

5750

0,55

0,222

123,0

148

135,2

139,5

94,3

240

 

Viry Easy

 

137,0

23,7

4,7

5060

5560

0,61

0,212

127,7

130

127,0

127.0

95,3

190

 

Karneol 2

 

156,0

28,0

4,3

4600

5100

0,53

0,234

122,0

147

127,0

130,0

100,0

0

 

Tension

 

154,0

19,7

5,3

5150

5650

0,56

0,213

130,2

145

131,3

132,5

93,5

280

 

Achat

 

163,0

23,4

4,8

4800

5300

0,53

0,223

128,3

154

138,7

142,3

96,0

160

 

Caprice

 

160,0

25,7

4,2

5000

5500

0,51

0,240

122,8

145

133,7

136,7

99,5

30

Tabelle 1 : Daten 10 Rater Vergleich

Bemerkungen zu Tabelle 1 :
• Für Kielflosse, Blei und Ruder wurde eine Verdrängung von 500 cm³ angenommen (Blei ca. 3900 g)
• Benetzte Oberfläche für aufrechte Schwimmlage
• LWL für die angebene Rumpfverdrängung
• LWL Potential als Annahme aus konstruktiven Überhängen der Yacht und Länge über Alles
• LWL bei Krängung ist der theoretische Wert bei glatter Wasseroberfläche, relevant als Konstruktionskriterium
• Formstabilität in Prozent bezogen auf die Yacht mit der größten Formstabilität.
• Blei Differenz gibt die notwendige Größe Blei in g an, zur Erzielung gleicher Formstabilität wie 100 % Yacht.

zu einer Vergrößerung des Tiefgangs kommen und damit wieder zu Widerstandszuwachs wegen der ungünstigeren Druckverteilung insbesondere im Heckbereich.
Unter diesem Aspekt ist ein Blick auf die hier relevanten Yachten interessant.

diamondDiamond (Graham Bantock)

Die Diamond ist im Hinblick auf Verlängerung der Wasserlinie bei Krängung nahezu perfekt oder besser extrem konstruiert (siehe Tabelle). In Verbindung mit der geringen Breite, die zur Erzielung dieses Effektes notwendig ist, ergibt sich aber ein ziemlich großer Tiefgang, mit den oben erwähnten Nachteilen. Fast hat die Diamond etwas von einem Schärenkreuzer, schnell aufgrund der Länge, aber Schärenkreuzer gleiten nie. Hier gilt das natürlich nur eingeschränkt, denn auch die Diamond ist ein sehr leichter 10er.

Damit die Yacht bei Krängung die lange Wasserlinie erzielt, ist die Verdrängung in der Rumpfmitte konzentriert. Wäre das nicht so, würde die Yacht sich bei Krängung sozusagen aus dem Wasser heben, die Wasserlinielänge würde sich nur wenig verändern. Bei 30 Grad Krängung verlängert sich die Wasserlinie in glattem Wasser um 16 cm. Das ist ein theoretischer Wert, denn faktisch wandert die Heckwelle bei Fahrt an das Heckende mit der Spitze des Wellenbergs am Heckspiegel.
An dieser Stelle ein Bemerkung zu dem in der Tabelle angegebenen Wert „LWL-Potential“. Dies ist eine Abschätzung meinerseits für die tatsächlich wirksame Wasserlinienlänge bei Verdrängerfahrt, also kurz bevor die Yacht angleiten würde. Bezgl. des Bugüberhangs habe ich mich an konstruktiv vorgegebenen Werten orientiert. Es gelingt übrigens keinem Konstrukteur durch den Bugüberhang eine nennenswerte Verlängerung der Wasserlinie bei Krängung zu erzielen, es ist schon ein gutes Ergebnis, wenn sich die Wasserlinienlange am Bug nicht verkürzt. Das liegt an dem immer mehr oder weniger spitz zulaufendem Bug und wäre nur durch größere Konkavitäten in der Rumpfkontur behebar, ist aber nicht erlaubt.

viryViry Easy (Paul Lucas)

Zur Viry Easy wurde oben schon einiges gesagt. Insbesondere zur Fragestellung warum diese Yacht oft nicht langsamer ist als die längeren 10er. Die Viry Easy ist sozusagen ein gewachsenes M-Boot, mit dem Spiegel auf CWL noch im Wasser. Letzteres mit Vorteilen aufgrund eines definierten Strömungsabrisses, insbesondere bei wenig Wind und damit Rumpfgeschwindigkeit. Die Spantkontur ist nahezu rund, was zur geringsten benetzten Oberfläche der verglichenen 10er führt. Sicherlich ein Hinweis darauf, dass die Viry Easy, ein Lieblingsschiff von Gerhard Schmitt, gut mit M-Yachten als 10er mithalten kann. Der Schärfegrad (Cp) von 0,61 ist ein Wert, der als optimal für den Zustand nahe Fn 0,4, also bei Rumpfgeschwindigkeit , angesehen werden kann.

Die Viry Easy ist ein Schiff bei dem eine Weiterentwicklung sehr gut vorstellbar wäre. Zum Beispiel Verlängerung um 10 cm, Spiegel 2 cm breiter und Tiefgang so erhöht, dass die CWL bei ca. 127 cm bleibt. Möchte jemand ein solches Schiff bauen?

tensionTension (Peter Wiles)

Die Tension ist das Schiff des internationalen Deutschen Meisters 2010. Die Linien sind in keiner Hinsicht extrem. Die Breite ist gering, ähnlich der Diamond und die Spantform mehr rund als uförmig. Das führt zur geringsten Formstabilität aller verglichenen Yachten. Eine Tension benötigt für die gleicher Formstabilität, wie eine Karneol, fast 300 g mehr Blei.

Auffällig finde ich, dass die Tension bei Krängung ihre Wasserlinienlänge in glattem Wasser so gut wie gar nicht verlängert, trotz fast gleicher Breite wie eine Diamond. Schwer zu sagen, ob das so gewollt war. Ich kann keinen Vorteil erkennen. Konstruktiv kann man dies z.B. durch einen breiteren Spiegel verhindern oder mehr mittig konzentrierte Verdrängungsverteilung.

karneolKarneol SL (Gerhard Mentges)

SL steht für „schmaler“ und „leichter“ im Unterschied zu meiner ersten Karneol, die ich mehr als 20 Jahre gesegelt habe. Trotzdem oder auch gerade deshalb habe ich mich nicht von meinen Grundüberlegungen abbringen lassen. Die Yacht ist 7 cm schmaler als meine erste Karneol aber fast 10 cm breiter als eine Diamond. Das führt aufgrund der Breite zu mehr Rumpfwiderstand, aber auch zu einer wesentlich höheren Formstabilität, die man z.B. in geringeres Gewicht umsetzen kann. Diese mache ich im übrigen für die Saison 2011, deshalb zeigen die Angaben in der Tabelle auch Daten für 2011.

Formstabilität ist also ein mir wichtiger Punkt und der weitere mir wichtige Punkt ist wenig Tiefgang zwecks günstiger Druckverteilung und damit geringer Rumpfwiderstand. Ob diese Zielsetzungen so greifen wird die Zukunft zeigen, in jedem Fall hat die Karneol gegenüber den anderen Schiffen bei viel Wind ein deutlich höheres Geschwindigkeitspotential. Der oben erwähnte D/L Koeffizient liegt bei 50 und ist damit der kleinste Wert.

Der flache Breite Spiegel für Gleitfahrt, führt bei Krängung gleichfalls zu einer schnellen Verlängerung der Wasserlinienlänge. Bei einer Krängung von 20 Grad beträgt die maximale Breite der CWL 22 cm. Bei gleichen Bedingungen beträgt die Breite auf CWL bei z.B. der Diamond 18 cm. Der Breitenunterschied wirkt sich also bezgl. der widerstandsbestimmenden Breite CWL viel geringer aus, als durch die maximale Breite anzunehmen. Man betrachte dazu auch die entsprechenden Hauptspanten.

achatAchat (Gerhard Mentges)

Die Achat habe ich entworfen für Hartmut Neubert, der den Wunsch hatte nach einem schmalen und sehr langen 10er. Die Achat ist, wie man an den Tabellenwerten erkennen kann auf schnelle Verlängerung der Wasserlinienlange bei Krängung entworfen. Diesbezüglich erreicht sie fast die Werte der Diamond. Die Achat hat bei reiner Verdrängerfahrt, also bei Geschwindigkeiten unter FN 0,4 ein sehr hohes Potential. Von der Spantform her ist die Yacht uspantig und damit bezgl. des Tiefgangs eher gemäßigt.

Dies Yacht muss eher leicht gebaut werden, damit man mit der vermessenen CWL im Bereich einer M-Yacht bleibt.

capriceCaprice (Gerhard Mentges)

Die Caprice ist ein Entwurf nach Vorgaben von Dietmar Lux auf Basis eines älteren englischen Risses für eine Binnengewässeryacht mit hohen B/T Verhältnis. Interessant ist der Vergleich mit der Karneol, die ebenfalls auf Formstabilität setzt aber mit trapezspantigem Hauptspant. Wie nicht anders zu erwarten, hat die Caprice die größte benetzte Oberfläche, immerhin 13% mehr als die Viry Easy.

 

Schärfegrad auch Zylinderkoeffizient :
Cp = Verdrängung / (Hauptspantfläche x Wasserlinienlänge)
D / L – Displacement / Längen Verhältnis :
DLR = (Verdrängung [lb] / 2240) / (0,01 x LWL [ft]))³
1 lb = 453 g , 1 ft = 30,48 cm