In manchen Büchern über Schiffe findet man ein seltsames Boot. Es sieht aus, als gäbe es außer kleinen Aufbauten nur mehrere riesige Schornsteine. Es sind die Rotorschiffe, die den Wind für den Vortrieb ausnutzen (Magnus-Effekt). Im Prinzip zählen diese Schiffe zu den Segelschiffen. Das wohl bekannteste ist das Flettner- Rotorschiff (Konstrukteur: Ing. Anton Flettner; 1885-1961).
Anstelle von Segeln waren zwei große, drehende, vertikale Zylinder angebracht. Die Manövrierbarkeit des Rotorschiffs war erstaunlich gut.
Der Versuch wurde erstmals 1852 von dem Physiker Heinrich Magnus (1802-1870) durchgeführt. Er entdeckte, dass bei einem rotierenden Zylinder senkrecht zu seiner Anströmrichtung eine Kraft (Auftrieb A) entsteht (Abb. 1). Zu Ehren des Entdeckers wird die Erscheinung Magnus-Effekt genannt.
Betrachten wir uns zuerst das ideale Strömungsbild eines ruhenden Zylinders in einer gleichmäßigen Strömung in Abb.2. Die Strömungslinien teilen sich vor dem Hindernis auf und kommen dahinter wieder zusammen. Und: Ein rotierender Zylinder reißt die ruhende Luft in seiner näheren Umgebung mit (Wandreibung), und es entsteht eine Kreisströmung um den Zylinder (Abb. 3).
Durch die Überlagerung von Parallel- und Kreisströmung ergibt sich folgendes idealisiertes Strömungsbild Nr. 4 um den rotierenden Zylinder (idealisiert deshalb, weil in der Praxis immer Wirbel entstehen, die hier nicht gezeichnet werden). Das Strömungsbild ist gegenüber der Parallelströmung unsymmetrisch und zeigt eine starke Ablenkung durch den rotierenden Zylinder.
Auf der Zylinderoberseite addieren sich Parallel- und Kreisströmung, da beide Bewegungen in die gleiche Richtung weisen.
Voben = Vparallel + VKreis
Auf der Zylinderunterseite subtrahieren sich Parallel- und Kreisströmung, da die Kreisströmung der Parallelströmung entgegenwirkt.
Vunten = Vparallel - VKreis
(V steht für Geschwindigkeit).
Die Strömungsgeschwindigkeit ist daher an der Oberseite größer als an der Unterseite. Man erinnere sich jetzt an die vorangegangenen Artikel: hohe Strömungsgeschwindigkeit => Unterdruck.
Durch den Unterdruck auf der Oberseite wird der Zylinder und somit das ganze Schiff angezogen. Diese physikalische Erklärung fand erst 1925 der Physiker Ackeret. Im Idealfall muss der Wind senkrecht zum Schiff blasen, damit es vorwärts kommt. Will das Schiff rückwärts fahren, wird die Drehrichtung der Zylinder geändert. Der experimentierfreudige Modellbauer kann sich getrost an ein Rotorschiff heranwagen, denn es funktioniert auch als Modell - nur Wind muss man haben!
Original erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell des Neckar-Verlags 8/1983 Autor:Gerhard Saemann. Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.