Der Mast
Das Boot in Knickspant-Bauweise war leicht zu bauen, auch vom Gewicht her ist es leicht. Die Segel waren Dank der Klebeschablone auch einfach herzustellen. Der Mast ist in den meisten Fällen ein Fertigprodukt, und wir brauchen ihn nur auf das Boot zu stellen.
Ganz so einfach ist es aber nicht. Es sind mehrere Forderungen an den Mast zu stellen. Er soll so leicht wie möglich sein. Wenn das Boot im Wellenschlag schaukelt, wirkt der Mast wie ein langes Pendel. Je schwerer dieses Pendel ist, desto langsamer beruhigt es sich. An einem hin - und her flatternden Segel kann sich die Luftströmung aber nicht anlegen, und das Segel zieht nicht, solange es pendelt. Aber auch bei völlig glattem Wasser ist ein schwerer Mast nachteilig, weil sein Gewicht, verbunden mit dem langen Hebel, den er bildet, das Boot leichter krängt.
Der Mast soll aber auch steif sein und sich auf keinen Fall durch den Winddruck biegen. Dadurch wird das Segelprofil nachteilig verändert. Durch aufwendige Verspannung kann man zwar jeden Mast steif bekommen, ein „Drahtverhau" wirkt allerdings in jedem Fall als Bremse. Ein einzelner runder Spanndraht hat einen genauso großen Widerstandswert wie ein zehnmal dickeres Stromlinienprofil. Bei drehbaren Masten wird die Leichtgängigkeit durch jede Want negativ beeinflusst.
Auf dem deutsch en Markt gibt es mehr als ein Dutzend verschiedener Masten, die aber fast alle im Ausland hergestellt werden. Die Mehrzahl von ihnen ist aus Aluminium gezogen und mit einer Keep zur Führung des Segels versehen. Der schwerste dieser Masten hat ein Stromlinienprofil, ist sehr steif, wiegt aber 400 Gramm. Er kommt aus Schweden. Der leichteste hat 12,5 mm Ø und wiegt 120 Gramm. Dieser Mast wird in England hergestellt. Ein Stromlinienmast sollte möglichst drehbar angeordnet werden, nur dann ist er von Vorteil.
Außer Alumasten gibt es CfK-Masten (Carbonfaser-Kunststoff). Diese Kohlefaser-Masten gibt es sowohl als Profilmasten mit Keep (sehr teure Handarbeit) oder als Rundmasten ohne Keep. Bei diesen Masten werden die Segel mit Ringen befestigt. Das ist aber keinesfalls ideal. Wenn kein Spalt zwischen Mast und Segel entstehen soll, müssen die Ringe für die Segelbefestigung sehr eng sein. Dann aber wird das Segel bei schwachem Wind schlecht auf die Leeseite des Mastes rutschen.
Ein sehr guter Kompromiss ist der dünnste Rundmast mit Keep. Man muss daher in Kauf nehmen, dass er nicht sehr steif ist. Dieser Nacht eil ist mit einer sinnvollen Verspannung zu kompensieren. Das heißt in diesem Fall: Oberwanten vom Fock-Vorstag über eine mäßig breite Saling an die Püttings quer ab vom Mast. Die Saling etwa in der Mitte der Oberwanten . Doppelte Unterwanten von der Saling an die Püttings. Backstag vom Masttopp an das Heck . Vorstag im Vorliek der Fock und verstellbares Jumpstag vom Masttopp an die Saling. Alle Stage und Wanten müssen verstellbar sein, damit mit ihrer Hilfe der Mast optimal getrimmt werden kann.
Den Mast trimmen bedeutet aber, dass der Mast verbogen wird. Wir müssen z. B. das Achterstag durchsetzen, um genügend Spannung in das Vorliek zu bekommen. Dabei biegt sich oben der Mast nach hinten und im Mittelteil nach vorn. Durch das Jumpstag und die Unterwanten kann man den Mast aber wieder gerade trimmen. Mit Hilfe der achterlichen Unterwanten kann der Mast im unteren Bereich sogar nach hinten durchgebogen werden.
Durch diese dem Mast aufgezwungenen Verbiegungen kann der Stand des Segels total verändert werden. Durch leichtes Verändern der Verspannung wird die Mastkurve so lange verstellt, bis das Großsegel einen optimalen Bauch an der richtigen Stelle hat. Es ist durchaus möglich, dass der Mast dann nicht mehr gerade ist, sondern eine S-Kurve aufweist. Solch ein optimaler Segeltrimm ist aber nur mit einem feststehenden Mast zu erreichen. Ein drehbarer Mast braucht dafür mehr Verspannungen (Diamond und zweite Saling), er muss aber auch sehr viel steifer sein. Beides ist mit erheblichem Nachteil (Gewicht und Luftwiderstand) verbunden.
Zum Abschluss möchte ich noch auf eine Möglichkeit hinweisen, die meiner Ansicht nach viel zu wenig genutzt wird: Der Mast mit Hemdsegel. Das Hemdsegel ist zwar schwierig herzustellen, hat aber zweifellos große aerodynamische Vorteile. Ein dünner Mast aus einem 8 mm starken Kohlefaserrohr lässt sich wie beschrieben gut trimmen und dürfte wegen des geringen Durchmessers allen anderen Masten in aerodynamischer Hinsicht überlegen sein. Über den vertikalen Zuschnitt eines Hemdsegels wurde in Schiffsmodell 8/81 berichtet. Man würde die Hemdbahn aus sehr leichtem Material machen und die anschließende Bahn mit dem Achterliek aus festem Tuch herstellen. Auch ein Kombischnitt wäre möglich, bei dem die Hemdbahn vertikal verläuft und das übrige Segel horizontal zugeschnitten wird. Das wäre zwar ein ziemlicher Aufwand, aber mit modernem Segelmaterial, das sich ja optimal verkleben lässt, ist das Problem sicherlich zu lösen.
Denn über eines müssen wir uns im Klaren sein: Unsere guten Boote sind fast gleichwertig. Die Überlegenheit einiger Spitzensegler resultiert nur aus ihren überragend guten Segeln und ihrer Fähigkeit, diese Segel optimal einzusetzen.
Original erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell des Neckar-Verlags 1-3/1985 Autor:F.K.Ries. Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.