RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Erste gemeinsame WM der NAVIGA und IMYRU
Nun ist sie also vorbei, diese erste gemeinsame Weltmeisterschaft. Mr. Hatfield als Vertreter der IMYRU sagte bei der Eröffnung, daß vor einigen Jahren wohl niemand so etwas für möglich gehalten hätte. Von beiden großen Weltverbänden gab es bisher je eine "Weltmeisterschaft", die letzten Endes aber eben nur so hieß. Und - um es gleich vorweg zu nehmen - man will dabei bleiben.

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Um dies zu ermöglichen, mußten aber zunächst die Regeln vereinheitlicht werden. Entsprechende Beschlüsse wurden gefaßt, die Durchführung war schon etwas schwerer. Hier verdient von Seiten der NAVIGA Herr Kukula aus Österreich besonderes Lob, der als Geschäftsführer der NAVIGA die Löwenarbeit leistete.

Seit einigen Jahren trug man sich mit der Absicht, in Berlin eine Olympiade für alle Modellbausparten auszutragen. Dies scheiterte letzten Endes dann an politischen Problemen, übrig blieb die Weltmeisterschaft der Modellsegler, die in diesem Zusammenhang mit ausgetragen werden sollte. Oft war auch hier das Scheitern näher als das Gelingen. Erst ein sog. "Stadtvaterbrief" des regierenden Bürgermeisters von Berlin an Herrn Kukula ermöglichte es, daß auch die osteuropäischen Staaten in West-Berlin teilnehmen konnten.

Und wer sonst als der MYC von Berlin mit dem unter uns gut bekannten Organisator Günter Voelz käme für die Durchführung in Frage? Ich entsinne mich noch gut seiner Worte nach einer Deutschen Meisterschaft in Berlin: „Nie wieder so eine Arbeit"! Was für ein Glück, daß Günter diesen Ausspruch wieder vergessen hatte, denn die nun anstehende Aufgabe war um ein Mehrfaches größer. Er tat es wohl aber auch für seine Stadt Berlin und hatte in seiner Frau Hildegard eine mit der Materie ganz vertraute Mitarbeiterin.

Nun mußten aber erst mal die Stadtväter von Berlin darüber aufgeklärt werden, daß so kleine "Schiffchenfahrer" in manchen Dingen ganz ernst zu nehmen sind! Weltmeisterschaft? Mit diesen Spielzeugbooten?

Nun ja, Berlin ist weltoffen und aufgeschlossen. Nachdem der "Senat für Schulwesen, Berufsausbildung und Sport" feststellte, daß tatsächlich wegen sowas Leute aus dem fernen Ausland wie Brasilien, China und Neuseeland kommen wollten, war die Grundlage für eine große Hilfsbereitschaft gegeben. Wie sich später ergab, fand in Berlin noch keinerlei sportliche Veranstaltung mit so großer, internationaler Beteiligung statt. Und das will für Berlin schon was heißen. Richtig stolz können wir kleinen Schifflesfahrer sein!

Daß die ganze Organisation eine riesige Arbeit bedeutet, ist zwar jedem klar. Aber was so im einzelnen dranhängt, soll an einigen Beispielen dargestellt werden.

Erst mal: Wer bezahlt das Ganze und wer trägt das Risiko? Der MYC Berlin? Die Familie Voelz? Die NAVIGA oder IMYRU? Erst als der Berliner Senat eine Ausfallbürgschaft übernahm, lief es besser an.

Die Gesamtkosten der WM einschl. der in Eigenarbeit hergestellten Geräte und Auslagen beliefen sich auf Ca. 51 000,- DM, wobei hier jedoch nicht z. B. die Kosten für 60 m neuer Schwimmstege in 4 m Breite enthalten sind, die der Berliner Senat aus diesem Anlaß herstellen ließ. Die allein kosteten schon 300 000,- DM! Aber die verbleiben ja als Dauereinrichtung auf dem Gelände des Wassersportheims an der Havel, wo diese WM stattfand.

In diesem Wassersportheim fanden auch vor allem diejenigen auswärtigen Segler Unterkunft und Verpflegung, die ohne Pkw angereist kamen. Mittagsverpflegung gab es auch für alle anderen Aktiven, so daß von 9-18 Uhr durchgehend gesegelt werden konnte.

Ein anderer Teil von Seglern und Helfern fand in Mannschaftsunterkünften im Olympiastadion ein vorübergehendes Zuhause. Nicht nur das traditionsreiche Gelände und dessen Ausmaße blieben in Erinnerung. Nein, auch das nächtliche Getümmel und Getöse nach einem dort ausgetragenen Fußballspiel, hervorgerufen durch nächtlich emsig arbeitende Reinigungsfirmen haben in der Erinnerung ihren Stellenwert. Das erlebt man nicht so oft in seinem Leben.

Von Familie Voelz mußten zunächst mal alle 46 Weltverbände angeschrieben und um ihr Interesse befragt werden. Das liegt nun schon über 1 1/2 Jahre zurück. Telefonische Rückfragen kamen wegen der Zeitverschiebung oft nachts im Schlafzimmer an, aber Hildegard und Günter verkrafteten auch solche Vorkommnisse.

Auch etwa 1 1/2 Jahre brauchte es an Zeit, bis die Bundespost und die Alliierten für diese Veranstaltung zusätzliche Fernsteuerfrequenzen
genehmigten, mit denen die Seglerfreunde im Ausland zugange sind.

Wo bekommt man 24 Nationalhymnen auf Band her? Wie gut, daß man auch Modellbaufreunde in Bonn hat! Und wer leiht die 24 Fahnenmasten mit den 24 Fahnen? Das Bezirksamt Spandau war hier sehr hilfsbereit. Und wo kommen 24 Jungs und Mädchen her, die die Ländertafeln tragen? Auch hier gab es Schwierigkeiten, die man gar nicht im einzelnen aufzählen kann.

Für die Beschilderung zur Wettkampfstätte mußten 7 Behörden ihre Zustimmung erteilen. Ein ganz "normaler" Vorgang, der aber Zeit, Arbeit und Nerven kostete.

Kosten auch sonst überall. Ein notwendiges Telegramm an die chinesische Mannschaft wegen deren Zuschüsse und Einreisebewilligungen kostete 184,- DM. Einnahme: 48,- DM Startgebühr.

Für den Ablauf der Veranstaltung waren viele Geräte erforderlich, so z. B. Kurstafeln, Frequenzbord, Informationswand,  Vermessungsständer, Vermessungsschablonen, eine ganz tolle digitale Zeitanzeige, Formulare und nicht zuletzt ein Computer-Programm, das von Nils Asmussen in 14 Tagen Vollarbeit geschrieben wurde und problemfrei ablief. Im Rechenzentrum halfen außerdem Vater und Bruder, damit alles klappte. Bei den übrigen Sachen halfen die Freunde vom MYC Berlin. Aber alles mußte organisiert und überwacht werden.

1988_wm_5Kein Wunder, daß ein Tagebucheintrag von Hildegard Voelz lautet: "Verdammter Mist, Günter ist nur noch sauer". Und dann die freimütige Außerung bei der Schlußfeier: "In 28 Jahren Ehe haben wir nicht so oft Streit gehabt, wie in dem letzten Jahr wegen der WM." Günter hätte oft beim Nachhausekommen ängstlich an die Haustür geschaut, ob nicht seine Zahnbürste außen angeklebt sei. Na, das wird sich aber bald wieder ändern!

Die Segel werden vermessen und abgestempelt

Offizieller Anreise- und Vermessungstag war der Freitag. Bei der Truppe der Vermesser war auch ich zu finden. Die Boote wurden zunächst in den von Voelz gebauten Ständer gesetzt, wo die Länge und der Ruderüberstand kontrolliert wurden. Alle Bootsteile wurden abgestempelt, ebenso die Segel, die auf ihre Hauptmaße hin kontrolliert wurden. Ansonsten fanden nur stichprobenartige Kontrollen statt. Bei den Zehnern wurde natürlich die Wasserlinienlänge in dem Becken des MYC kontrolliert. Angenehm fiel auf, daß es nur sehr wenig Beanstandungen
gab.

1988_wm_7Eine Hiobsbotschaft für die Chinesen verbreitete sich schnell: Die Boote der Chinesen sind auf der Reise verlorengegangen! Auch alle Rückfragen und Telefonate mit der Botschaft konnten diese nicht herbeizaubern. 7 ganze Tage im Zug von Peking bis Moskau und dann nochmals 28 Stunden im Zug bis Ost-Berlin. Und jetzt? Ein späteres Einsteigen in die Regatta ist praktisch nicht möglich. Berliner sind hilfsbereit! Diese Modellsegler holten ihre Boote und liehen sie den Chinesen solange, bis - hoffentlich - die eigenen Boote bald da sind. Nun, am Dienstag früh kamen die großen Kisten mit einem Kurierauto der Botschaft an. Die Freude hierüber kann man sich vorstellen.