RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

 

Aber nun zum eigentlichen Regattaablauf zurück!

Auf dem Rasengelände vor dem Wasser reihten sich die Mannschaften in großer Runde auf. Die "Nordberliner Havel-Majoretten", lauter junge Mädels, begannen mit Gardetänzen. Nachdem Günter Voelz seinen Dank an alle Mithelfer ausgesprochen hatte, begann als erster Redner Herr Steiner, früherer Präsident der NAVIGA, begrüßte Persönlichkeiten aus verbänden und endete mit den Worten: „Ohne Donna Hildegard wäre hier nichts gelaufen". Als Redner schlossen sich der Bezirksbürqermeister von Spandau, Herr Werner Salomon, und der Staatssekretär
Günter Bock, dann der Vertreter der IMYRU, Herr Normann Hatfield und Herr Hans Kukula als Geschäftsführer der NAVIGA an. Auch kamen der Präsident des DSV, Herr Dr. Pochmann und der Präsident des nauticus, Herr Edmund Ewert, zu Wort. Nach einem kurzen Empfang der Mannschaftsführer und der geladenen Gäste durch den Berliner Senat in der nahegelegenen "Kajüte" war die feierliche Eröffnung abgeschlossen.

Um 12.45 Uhr begannen dann die eigentlichen Wettkämpfe mit den Junioren der Klasse F5-M. Wind ca. 2 Bft, gerade richtig für die Jugend. Allerdings mußten dann noch die Läufe zweimal wegen Windmangel. unterbrochen werden. Unser einziger deutscher Jugendlicher, Björn Becker, hatte zeitweise Pech mit seiner Elektronik und landete im Mittelfeld. Sehr sauber segelte der Sohn des bekannten englischen Seglers Stollery mit seinem Swing-Rigg; er siegte nach 10 Läufen verdient.

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Am Sonntag begannen die Wettkämpfe in der Klasse M Senioren, die sehr spannend zu werden versprachen.

64 Yachten aus 22 Nationen waren am Start. Als einzige Nation war Jugoslawien aus ungeklärten Gründen nicht erschienen. Die stärkste Mannschaft kam mit 6 Seglern aus Frankreich, gefolgt von je 4 aus China, der UdSSR und der Bundesrepublik.

An den beiden ersten Tagen wurde nach dem neuen "ltal. Regattasystem" in 5 Gruppen gefahren, Streichläufe gab es nicht. Die erzielten Punkte wurden dann ab Dienstag in das Flottensystem übernommen, das bis zum Schluß gesegelt wurde. Es gab insgesamt einen Streichlauf.

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Die Starter der nächsten Gruppe wurden während des zu Ende gehenden Durchganges mehrfach aufgerufen und mußten sich mit dem Boot am Zugangssteg einfinden, wo vor dem Start die Quarz- bzw. Störungskontrolle durchgeführt wurde. Jeder Startende mußte beim Betreten des Steges seine Start-Nr. mit der Klammer auf die Frequenztafel klemmen, so daß man immer einen Überblick über die belegten Kanäle hatte. Drei Minuten vor dem Start wurde die große, digitale Zeitanzeige in Gang gesetzt, die auf der Oberseite noch ein Blinklicht hatte. Nach dem Startsignal zählte die Uhr weiter und zeigte somit die abgelaufene Zeit an, da für einen Lauf ein Zeitlimit von 20 Minuten angesetzt
war. Bei Überschreitung erfolgte wegen zu wenig Wind eine Startwiederholung.

Das ganze Regattagelände war auf dem Wasser mit knallroten Sperrbojen abgegrenzt. Zusätzlich war gegen evtl. ausbrechende Boote gegen die offene Havel eine Schwimmleine ausgelegt. Sie sollte auch die Großsegler abhalten, trotz der Sperrung in das Gelände einzufahren. Aber einer der großen Kollegen nahm uns am Sonntag doch nicht so ernst: Er fuhr näher ans Ufer und in unser Wettkampfgelände. Obwohl er vom Startstellenleiter Kukula mehrfach zum Umdrehen aufgefordert wurde, winkte er nur lässig ab. Erst der Hinweis, daß er in eine Absperrung fährt, veranlaßte den Großsegler zum Abdrehen. Aber es war zu spät! Er verfing sich zur Gaudi der zahlreichen Zuschauer in der Sperrleine, erntete dadurch mehr Applaus als die Wettkämpfer und mußte beschämt zurückfahren.

1988_wm_11Die Rennbeobachter (Observer) registrierten jeden Kontakt oder eine Regelverletzung durch lauten Zuruf mit Nennung des Bootes. Soweit nichts Neues. Aber nach dem Zieldurchlauf des letzten Bootes verkündete der Startstellenleiter nach Rücksprache mit den Beobachtern eine eventuelle Disqualifikation und damit letzten Platz, wenn z. B. eine Regelverletzung nicht durch 2 Vollkreise ihre Entlastung fand. Diese erste Schuldzuweisung wurde auch meistens anerkannt und die Jury dadurch stark entlastet. Wer damit nicht einverstanden war oder sonst
einen Protestgrund hatte, konnte innerhalb einer Viertelstunde nach Laufende schriftlichen Protest einreichen, der dann von der Jury verhandelt wurde. Das hatte manchmal zur Folge, daß die Regatta unterbrochen werden mußte, weil erst zu klären war, ob das Boot absteigt oder nicht. Das ist ein Nachteil des Ital. Systems, weil sonst keine neue Flotteneinteilung stattfinden kann.

Eine Jury-Verhandlung

Man murrte natürlich über diese langwierigen Juryverhandlungen, die manchmal 1/2 bis 1 Stunde dauerten. Aber es Iäßt sich daran wohl kaum etwas ändern. Vor allem, wenn auch noch Dolmetscher eingeschaltet werden müssen. Ganz allgemein gab es aber nur einen Bruchteil der Proteste zu verhandeln, wie vor zwei Jahren in Fleetwood.

Der erste Lauf wurde natürlich aufmerksam verfolgt. Den ersten Lauf ihrer Gruppe gewannen Mentges, Walicki, Lucas, Nalewski und Allen. Am Dienstag, nach Beendigung des Ital. Systems sah es so aus:

1988_wm_131. Walicki
2. Bölter
3. Lucas
4. Bantock
5. Boisnault
6. Mentges
23. Asselborn

Ab Dienstag drehte der Wind und kam ganz ungewöhnlich von der Landseite, was zur Folge hatte, daß der Wind auf dem Wasser ungleichmäßig war und auch das Glück mitspielte. Die Windstärke blieb im Mittel bei 2 Bft.

Bemerkenswert war, daß unser Janusz Walicki zwischenzeitlich auch bei schwachen Winden „vorne" mitsegelte. Es sei vermerkt, daß er von Lauf 8 an die Tabelle anführte und bis Lauf 13 Otmar Bölter an zweiter Stelle lag. Dann hatte dieser eine nicht verschuldete Kollision und fiel in Gruppe B zurück. Mentges war bis zum 13. Lauf an 5. Stelle, mein Vereinskollege Asselborn konnte seine Fähigkeiten nicht voll zur Geltung bringen und lag auf Platz 34. Die Konkurrenz war natürlich auch sehr hart und ebenbürtig.

Zwei Segler (Pirker und Lucas) gaben am Dienstag auf, ohne technischen Grund, einfach so. Schade.

Am Donnerstag um 12 Uhr waren die Wettkämpfe beendet. Hier das Ergebnis, nachdem die ersten drei Boote nachvermessen und kontrolliert waren:

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Lobenswert war, daß jeder Teilnehmer eine Ergebnisliste erhielt und die Mannschaftsführer eine Mappe mit sämtlichen ausgedruckten Laufergebnissen.

Bei den teils mit hohem technischen Aufwand gebauten Booten waren 114 mit den neuen Swing-Riggs ausgerüstet. Aber auch diese kochen nur mit Wasser! Natürlich waren auch Boote mit geringem technischen Komfort vorhanden, vor allem aus den Ostblockländern, wo es ja oft Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung gibt. (Technische Einzelheiten der Boote werden in einem gesonderten Bericht von Herrn Ries vorgestellt und erläutert werden.) Zum Vergleich der Boote wurde mit sehr viel Aufwand die am Ende dieses Artikels abgedruckte Tabelle
erstellt, die es wohl in diesem Umfang mit so vielen Angaben noch nicht gab. Diese Tabelle dokumentiert sämtliche Boote der Klasse F5-M Senioren. Am Donnerstag fand dann um 18 Uhr die Siegerehrung der Klasse M, Junioren und Senioren statt.

1988_wm_10Die drei Erstplazierten der M-Klasse Walicki, Bantock, Elmaleh

Man begann unüblicherweise mit der Ehrung des ältesten Teilnehmers. Dies war Geoffrey Smale mit 64 Jahren. Bravo! Uberaus menschlich wirkte es, als bei der ersten Ehrung der Jugendlichen auf den Podesten nach dem Hissen der Fahnen und Abspielen der Nationalhymne vergessen wurde, die Urkunden auszuhändigen und die Jungs zurückgerufen wurden. Als dann die Sieger abmarschierten, bevor die Mädchen mit den Ländertafeln zur Stelle waren und diese den Siegern nachlaufen mußten, kam wohl jeder ins Schmunzeln. Hildegards treffende Bemerkung
übers Mikrofon: „Wir müssen halt noch üben!"

Anschließend fand eine Dampferfahrt auf der Havel statt, bei der die Stimmung bedeutend höhere Wellen schlug als die, die auf dem Wasser vorhanden waren. Freundschaften wurden geschlossen oder vertieft.

Übrigens hatte bereits am Samstagabend der Spandauer Bürgermeister Salomon zu einem gelungenen Gartenfest mit wunderbar kühlem Bier und Essen eingeladen. Eine so große Pfanne mit Bratkartoffeln hatten meine Segleraugen noch nicht gesehen! Und am Dienstagabend hatte der nauticus zur Gartenparty eingeladen, bei der Präsident Ewert seine Freude über die bisher gut verlaufene WM ausdrückte, bevor er das Mikrofon zwei ausgezeichneten Musikern überließ. Auch hier war das Bier wieder wunderbar frisch, und für die Damen gab es einen Riesentopf voll Bowle. Ich habe niemanden gehört, der sich über diese beiden Abende beklagte! Für die mitangereisten Damen und sonstigen Interessenten war auch an zwei Tagen je eine kostenlose Stadtrundfahrt organisiert worden.

Am Freitag begann man bei leichtem Regen mit den Wettkämpfen der Ten-Rater. Hier waren 39 Teilnehmer (einschl. Jugendlicher) aus 15 Nationen am Start. Die 7 Jugendlichen wurden zum Schluß getrennt gewertet.

Gefahren wurde nach dem Ital. System, wobei diesmal Bojenberührung erlaubt war. Die Kursstrecke war recht lang, und der Wind wehte leider immer noch vom Land her. Am Samstagnachmittag wurde die Regatta sogar wegen Windmangel abgebrochen.

Erstaunlich gut segelten die Chinesen, die über einen großen Zeitbereich alle drei Boote auf den ersten 5 Plätzen hatten. Ab dem 8. Lauf führte Nasarov (UdSSR), der auch der spätere Sieger wurde. Walicki kämpfte sich erst auf dem letzten Drittel auf Platz 2 vor.

Ganz allgemein konnte man feststellen, daß die meisten Ten-Rater nicht den techn. Stand hatten wie die M-Boote. Auch segelten viele Teilnehmer in dieser Klasse, weil sie sich bei den MBooten qualifiziert hatten und eben hier waren. Auch die Qualität der Läufe ließ manchmal zu wünschen übrig.

Am Sonntag wurde noch bis zur Mittagszeit gesegelt. Dann stand nach 13 Läufen das Ergebnis fest:

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Die Jugendlichen erhielten als Sachpreis außerdem je eine Robbe-Fernsteuerung, ich glaube, die freuten sich riesig!

An dieser Stelle sei auch den Firmen Graupner und Robbe gedankt, die Pokale und Sachpreise stifteten oder uns sonst hilfreich unterstützten. Auch die kleine Firma pekabe stiftete 3 Pokale, herzlichen Dank! Die Firma Siemens muß noch erwähnt werden, die mit einer doppelseitigen Anzeige im Programmheft und mit der Stellung ihres Computers einen dankenswerten Beitrag zu unserer WM leistete. Man verzeihe mir, wenn ich nicht alle Spender namentlich aufführen kann, hierfür fehlt mir auch der genaue Einblick.

Abschließend fand eine umfangreiche Ehrung der aktiven Helfer statt, die Medaillen, Teller und/oder Gläser erhielten. Auch das Ehepaar Kaulfuß, das als Heimleiter das Geschehen auf dem Gelände einschl. der Gartenparties zu betreuen hatte und alles bestens bewältigte, erhielt eine Erinnerungsrnedaille. Die beiden hatten wirklich alles prima im Griff, und das bei einer - wie immer - herzlichen Atmosphäre.

Herr Hatfield als „erfahrener Hase" auf dem Gebiet des Regatta-Geschehens lobte die wirklich erstklassige organisation dieser Weltmeisterschaft. Der einzige Sonderwunsch, eine Sprechverbindung von der Startstelle zur Jury, wurde auch noch kurzfristig erfüllt.

Diese Weltmeisterschaft setzte bezüglich der Organisation künftige Maßstäbe für solche Veranstaltungen, es wird schwer sein, sie zu übertreffen.

Zum Schluß nochmals herzlichen Dank an Familie Voelz und deren Helfer vom MYC-Berlin. Die nächste WM soll auf Gran Canaria stattfinden.