RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

VOILES '94 1. Weltmeisterschaft IYRU-MYRD der 1-Meter-Klasse

Die erste Weltmeisterschaft der IYRU-MYRD in der "International One-Meter-Class" fand vom 1. bis 8. Juli in Frankreich bei Poitiers (ca.370 km südwestlich von Paris) statt. Die 1-Meter-Klasse der IYRU hat erst 1992 durch eine Sonderentscheidung des Permanent Committees der MYRD den internationalen Status erhalten, der für die Ausrichtung von internationalen Meisterschaften nötig ist. Eine Klasse/Vermessung erhält normalerweise erst dann internationalen Status, wenn sie in mindestens sechs IYRU-Mitgliedsländern offiziell betrieben wird. Anfang 1992 war dies noch nicht der Fall, obwohl die erste Fassung der Klassenregeln bereits 1989 veröffentlicht worden ist und seitdem besonders in England und Neuseeland eine sprunghafte Verbreitung gefunden hat; dort übertrifft sie mittlerweile sogar die M-Klasse. In anderen Ländern
erfolgte eine Übernahme allerdings zögerlich, wie z. B. in Deutschland durch den DSV erst 1993, da hier bislang, mit relativ geringer Beteiligung, die 1-Meter-Klasse F5-E der Naviga gesegelt wurde.

1994_wm_iom_1Teilgenommen haben 55 Segler aus 12 Nationen. Der 55.Teilnehmer kam allerdings erst am vorletzten Tag aus Rumänien, nachdem er fünf Tage auf ein DurchreiseVisum für Deutschland warten durfte. 3000 km einfache Fahrt nur für einen Tag, drei Läufe segeln und zuschauen.

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Mitgliederstärkste Teams waren, wie von anderen MYRD Veranstaltungen schon gewohnt, natürlich der Favorit England mit 14 und Gastland Frankreich mit 15 Seglern. Gleich danach mit ganzen fünf Seglern und einer Seglerin schon Deutschland, gegefolgt von Italien und Portugal mit vier und Neuseeland und Brasilien mit drei Skippern. Aus Rußland hatten sich sechs bekannte (von Naviga-Regatten) Segler angemeldet, waren dann aber leider nicht erschienen, angeblich auch wieder wegen Visa-Problemen. Neben international bekannten Namen und Gesichtern waren doch viele der Teilnehmer erstmals bei einer Weltmeisterschaft aktiv, besonders z.B. aus Frankreich und Deutschland, bei denen jeweils nur ein Mitglied internationale Regattaerfahrung mitbrachte.

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Veranstaltungsgelände war ein großer Erholungspark in St. Cyr mit einem großen Bagger-Surfsee. Diese Weltmeisterschaft war ein Bestandteil der internationalen Segelveranstaltung VOILES '94, bei der z. B. zeitgleich auch die Weltmeisterschaft in der EUROPE-Jollen-Klasse in La Rochelle stattfand und weitere verschiedene "Full-Size"-Regatten über die Sommerwochen veranstaltet werden. Dies sorgte wohl auch mit dafür, daß ein kräftiger Background zur Verfügung stand. Die Veranstalter unter Führung von Remy Barbarin haben in puncto Organisation und Ausrichtung dieser Weltmeisterschaft sicherlich ein Beispiel gesetzt. Es war toll, was uns geboten wurde! Sogar ein neues, modernes und sehr schön angelegtes Clubhaus wurde anläßlich dieser WM errichtet, welches dann erst wenige Tage vor der WM fertig geworden war. Es stand ein sehr gut arbeitendes Computerprogramm mit perfekten Ausdrucken zur Verfügung. Die große Bootshalle, das Gelände und auch die Parkplätze wurden die ganzen Tage sehr sorgfältig bewacht. Sightseeing Tour am Ruhetag, Barbeque, festliches Abschlußdinner etc. etc. als Rahmenprogramm. Gab es woanders schon mal große Reklame-Plakate auf den großen Werbewänden an der Straße, gleich neben Marlboro-Mann und Camel-Filter? Kurz gesagt: Die Veranstalter haben sich wirklich nicht lumpen lassen, keine Anstrengung gescheut und uns einen wirklich erstklassig weltmeisterlichen Regattarahmen geboten!

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Sehr gründlich und aufwendig war auch die Vermessung der Boote vor dem ersten Start, bei der tatsächlich fast alle relevanten Meßwerte mit Maßband, Schablonen, Waage und Wasserbecken nochmal sehr sorgfältig kontrolliert wurden. "Fast" deshalb, weil u.a. bei der Gewichtskontrolle die Ruderblätter (max. Gewicht 75 g) übersehen wurden. Lediglich hatte man auch am ersten Vermessungstag glatt vergessen, nicht nur die Segel zu bestempeln, sondern auch Rumpf, Kiel und Ruder. Bei einigen Teilnehmern waren in dem einen oder anderen Punkt dann auch kleinere Nacharbeiten nötig, sogar beim späteren Weltmeister. Unschön dann die Tatsache, daß am Dienstag einer der durchaus souvenirträchtigen Vermessungsstempel gestohlen
worden ist und alle Boote daraufhin zwar nicht erneut vermessen wurden, dafür aber alle unverzüglich einen neuen, geänderten Stempelabdruck erhielten. Außerdem wurde dann nach jedem Lauf eine ausgeloste Yacht zu einer aktuellen Kontrollvermessung gebeten, wobei auch die benutzte Fernsteuerfrequenz geprüft wurde. Bei den Brasilianern gab es da wohl zunächst leichten Unmut, was ihrem betroffenen Teilnehmer eine besonders gründliche Kontrolle durch den Chefvermesser Alain Tribut einbrachte . . . Der Chronist war bei dieser Sache auch nicht ganz gelassen, bewegte er sich doch mit seinem erst am Vortag fertiggestellten neuen Boot nach eigenen Messungen mit dem max. zulässigen Tiefgang hart am Limit und hatte schon Feilen mitgebracht. Doch siehe da, alles war korrekt. Nur mit den Gewichten stimmte wohl was nicht, zu Hause wog der Kiel auf einer lndustriewaage noch exakte 2491 g, dort waren es dann plötzlich nur noch 2478 g und insgesamt war das einkalkulierte Sicherheits-„Über"gewicht von 4030 g auch auf nur noch 4006 g geschrumpft. Merkwürdig!

Der sportliche Rahmen, d. h. das aktive Wassergeschehen und die Startstelle, war zwar theoretisch und praktisch gut vorbereitet, es lief dann aber leider nicht so perfekt, wie es einer WM angemessen gewesen wäre. Die Rennleitung hatte zwar fünf feste, ständige Observer für die einzelnen Läufe und keine wechselnden Teilnehmer aus dem Starterfeld, was an sich lobenswert ist, jedoch beherrschten diese ihre zugegeben schwierige Aufgabe nicht. So wurden viele ganz klare Vorfälle auf dem Wasser nicht beanstandet oder manchmal erst viel zu spät ausgerufen. Bestes Beispiel: Prominentestes Opfer war Chris Dicks, der seinen Frühstart im vorletzten Lauf erst kurz vor Erreichen der Luvtonne angesagt bekommen hatte. Er hätte darauf, in sehr guter Position liegend und mit Bantock letztendlich um den Finalsieg kämpfend, sofort umkehren müssen, um noch einmal zu starten. Dies tat er jedoch nicht, da er den zu späten Ausruf nicht mehr ernst nahm. Remi Bres dagegen, der zweite Frühstarter, der sich durch Ausluven des Autors ebenfalls zu früh auf der Linie gezeigt hatte, knirschte zwar hörbar, aber er drehte um, segelte zurück und wurde mit Abstand letzter im Lauf. Nach dem Lauf dann natürlich Verhandlung:

Bres legte Protest gegen die Rennleitung wegen zu später Bekanntgabe ein, die Rennleitung legte Protest gegen Dicks ein. Resultat: Dicks disqualifiziert und für Bres eine Wiedergutmachung, er blieb damit in der A-Gruppe. Die Rennleitung hatte sich zwar mit der zu späten Bekanntgabe unkorrekt verhalten, daher die Wiedergutmachung für Bres, aber Dicks hätte sich zunächst trotzdem an ihre Anweisung halten müssen. Das sind die Regeln. Es bleibt festzustellen, daß Dicks ein ausgesprochen fairer Segler

ist, der bei einer korrekten Ansage sofort neu gestartet wäre. Ubrigens, der durch das Luven von R. Bres provozierte und deutlich erkennbare Frühstart des Chronisten wurde auch erst zum selben späten Zeitpunkt ausgerufen, als er allerdings bereits längst neu und korrekt gestartet war. Dieses Neustarten war jedoch übersehen worden. . .

Ohne Zweifel kam auch ein gewisses Sprachproblem hinzu, und es half nicht viel, wenn sich die Observer irgendwas auf französisch zuriefen und es dann später übersetzt in englisch wiedergegeben wurde. Das Verhalten vieler Teilnehmer ließ allerdings auch zu wünschen übrig, denn da wurde z.T. bewußt geschummelt und übersehen, wo es nur ging. "Wozu soll ich drehen, wenn keiner was sagt", so ein Segler aus Malta . . . die "Drei-Affen-Regel" wurde kräftig strapaziert. Das war nicht weltmeisterlich, ist aber ein typisch Schlechtes-Segler-Verhalten, wenn sich eine Rennleitung als zu schwach zeigt!

Dabei waren zur Reduzierung von Protestverhandlungen diesmal als Entlastung generell statt zwei nur ein „Kringel" vorgesehen. Von den eigentlich gewohnten, zeitraubenden Protestverhandlungen gab es im Grunde, bis auf Dienstag, auch nicht viele, in diesem Fall aber eben leider kein Zeichen für ein einwandfreies Wassergeschehen. Mary Pera, Jurymitglied und von vergangenen Marblehead-Veranstaltungen da was ganz anderes gewöhnt, fragte schließlich sogar mal nach, ob denn alles in Ordnung wäre, sie hätten so ungewohnt wenig zu tun. . .

Es zeigte sich somit wieder, daß die IYRU-MYRD diese eine Regatta doch erheblich beeinflussende Beobachtungsweise gründlich überdenken und vielleicht auch mal einen nachdenklichen Blick zur „Konkurrenz" Naviga riskieren sollte. Dort werden seit einiger Zeit bei derartigen Veranstaltungen die Läufe auf Video festgehalten, was zwar in doppelter Hinsicht erfahrenes Fachpersonal und entsprechende Technik erfordert, aber verblüffende und nachhaltige „Ähm. . ."-Effekte bei betroffenen Seglern hinterläßt!

Trotz bestem Segel-Wetter, nicht zu großer Kurse und vier mittelgroßer Gruppen (13-14 Segler) wurden an den fünf Tagen nur insgesamt 19 Durchgänge gefahren, was ein schlechtes Ergebnis ist. Hier wären in Anbetracht der idealen Wetterbedingungen ohne weiteres 30 Läufe möglich gewesen. Schade!

Gesegelt wurde die ganze Woche bis auf wenige Ausnahmen mit dem A-Rigg, bei z.T recht frischem Wind auch bisweilen über den Grenzbereich dieses Riggs hinaus. Doch die Boote halten das große Rigg länger aus, als wir immer angenommen haben. Da der Sprung zum deutlich kleineren B-Rigg beträchtlich ist, und man sich bei vorschneller Wahl erhebliche Nachteile einhandelte, wurde bei zunehmendem Wind stets die Konkurrenz gut im Auge behalten. Dies war am Montagmittag bei kontinuierlich stärker werdendem Wind gut zu beobachten, als schließlich unmittelbar vor dem Start, wie auf ein geheimes Zeichen hin, plötzlich die komplette A-Gruppe schnell auf B-Rigg umgetakelt hatte. Nur die drei Einteilungsläufe am ersten Tag fanden bei sehr schwachem Wind und lähmender Hitze statt. Der Kurs erinnerte manchmal an den Wolfgangsee mit seiner zuweilen tückischen Bucht-Boje. So eine gab es dort auch. Im ganzen betrachtet waren die Kurse jedoch gut ausgerichtet, berücksichtigt man die gelegentlichen, kurzfristigen Winddrehungen. Für die Skipper sowie die Rennleitung gab es ein etwas erhöht aufgebautes Podest für einen guten Überblick über das Wasser, vor dem eine sehr große Tafel den jeweils aktuellen Kurs eigentlich deutlich markierte. Trotzdem gab es immer noch Skipper, die im Rennen die falschen Bojen ansteuerten. . .

1994_wm_iom_6Wie erwartet siegten die Engländer auf der ganzen Linie. Allein sieben Segler unter den Top-Ten und „letzter" auf Platz 29. Wahrscheinlich nicht ohne Grund wurde diese WM inoffiziell deshalb auch „Internationale Englische Meisterschaft" genannt. Man merkte ihnen deutlich an, daß diese Segel-Klasse in ihrem Land einen hohen Stellenwert besitzt und entsprechend viele und vor allem auch anspruchsvolle Regatten veranstaltet werden. So fanden sich z. B. auch etliche  erfolgreiche und erfahrene M-Bnot-Segler hier wieder. Favorit Graham Bantock, inzwischen Weltmeister der Klasse M 1992 und 1994, und Chris Dicks, Europameister der Klasse M 1993, lieferten sich dabei bis zuletzt ein spannendes Match mit mehreren Führungswechseln, bis Dicks schließlich durch die Disqualifikation verlor. Beide waren die dominierenden Segler dieser Regatta, Bantock hatte dreimal die A-Gruppe gewonnen und siebenmal den zweiten Platz ersegelt, Dicks sogar fünfmal den ersten Platz erreicht. Allenfalls um den dritten Platz gab es bei den Folgenden Gerangel, wobei sich letztendlich Mark Dicks auch hier sicher durchsetzte. Die Plätze 4, 5 und 6 entschieden sich erst bei den drei letzten Läufen, wobei sich der Autor, der nach schwachen Einteilungsläufen nur auf Platz 19 (B-Gruppe) eingeordnet wurde und dann seit dem 2. Regattatag - aber mit z.T deutlichem Rückstand - auf dem 6. Platz klebte, schließlich doch noch behaupten konnte. Letztlich verhaspelten sich nämlich auch Remi Bres und John Cleave mehrmals, und das war es dann. Mit etwas mehr und vor allem konstanter Leistung wären alle drei gut für den dritten Platz gewesen. Jens Amenda, einziger Deutscher, der die Wertungsläufe in der A-Gruppe begann (Platz 7 Zwischenwertung), landete auf einem guten 14. Platz, obwohl er teilweise am Regattageschehen zu verzweifeln drohte. Ihm fehlte u.a. die Erfahrung, wie bei internationalen Regatten Proteste ablaufen bzw. wie man sich auf dem Wasser besser verteidigt. Tja, dem Rest unseres ausgesprochen harmonischen Teams ging es seglerisch zwar nicht so berauschend, etwas bessere Ergebnisse hatten wir uns doch erhofft, aber die gute Stimmung verdarb dies nicht. Es war klar festzustellen, daß die Konkurrenz einfach besser geübt war und mehr bzw. härtere Regattapraxis hatte. Hier müssen wir noch mehr lernen bzw. haben halt bereits gelernt; z.B. ruhig auch mal knallhart zu luven oder ähnliche Tricks in Erwägung zu ziehen. Allein ein nettes Gesicht und freundliche Worte reichen bei sowas nicht aus, denn "Wettsegeln ist ein Kampf miteinander und kein Nebeneinanderherfahren" (M. Curry, 1925).