RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Eines der wichtigsten Instrumente auf einem Segelboot ist ein Geschwindigkeits-Anzeiger, wenn man optimal fahren möchte. Nun ist zwar die absolute Geschwindigkeit nicht so wichtig wie in einem Auto, aber wie soll man sein Boot richtig trimmen, ohne zu wissen, wie sich durch das Trimmen die Geschwindigkeit ändert? Während einer Regatta ist selbst diese Information zweitrangig, man will nur ankommen, und zwar tunlichst an erster Stelle. Im Pulk mit anderen Booten hat man eine (relative) Geschwindigkeitsanzeige in Form der mitsegelnden Konkurrenz, nämlich ob man diese überholt oder . . . Diese Anzeige ist manchmal hart, aber dafür um so eindeutiger!

Um jedoch schneller, d. h. optimal fahren zu können, muß man genau wissen, welchen Einfluß ein einzelner TrimmVorgang auf die Fahrt des Bootes hat.

Ist es zweckmäßig, die Segel zu fieren oder anzuholen, oder macht das Boot etwa mit mehr Schräglage weniger Fahrt, obwohl es viel spektakulärer aussieht? Oder setzt man zweckmäßigerweise bei stärkerem Wind kleinere Segel?

1994_g_1All diese Werte sollte man vorher ausprobiert haben, um die entscheidenden Einflüsse zu kennen und um sie einsetzen zu können. Wie jedoch soll man auf einem Modellboot die Fahrt messen bzw. sie ablesen, möglichst live am Ufer?

Für jedes Problem gibt es eine Lösung, so auch hier. Die besten Ideen kommen mir immer während des Segelns.

Nachdem ich mir schon vor längerer Zeit für die Verwendung im Modellflugzeug (Segler) ein Variometer, welches Steigen und Sinken während des Fluges mißt und die Meßwerte zum Boden überträgt, gebaut hatte, überlegte ich mir, wie man dieses auf das Boot übertragen könnte.

1994_g_2Der Luftdruck ändert sich mit der Höhe. Das Variometer im Flugzeug mißt diese Luftdruckänderung während des Steigens oder Fallens und wandelt sie in ein entsprechendes elektrisches Signal um. Man müßte nun doch die Fahrtänderung eines Bootes nur in eine Druckänderung umwandeln, die sich dann wie im Flugzeug übertragen und mit einem Empfänger an Land abhören (= anzeigen) läßt.

Zwischen Idee und Lösung lagen nur ein paar Stunden, aber die Probleme kamen erst später, wie bei allen fundamentalen Erkenntnissen der Geschichte.

Im Vario wird der Luftdruck mit einer Drucksonde (Siemens KPY 10) gemessen. Der sich ändernde Druck verändert den Innenwiderstand der Sonde, der in einem Tongenerator eine proportionale Änderung der Tonhöhe verursacht. Dieser Ton wird verstärkt, von einem kleinen einstufigen Sender übertragen und mit einem handelsüblichen Empfänger (Walkie-talkie) abgehört.

Diese Art der hochfrequenten Übermittlung von Daten aus fliegenden oder fahrenden Objekten ist seit kurzem mit Sendern kleiner Leistung - und um einen solchen handelt es sich hier - von der Post genehmigt.

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Im Flugzeug bzw. am Boden abgehört, zeigt ein sich in der Höhe verändernder Ton Steigen und ein tiefer Ton Fallen an. Mit Hilfe einer Venturi-Düse (siehe Skizze), die ja bekanntlich mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit einen steigenden Unterdruck gegenüber dem statischen Druck der Umgebung anzeigt, mußte sich das Problem doch lösen lassen?

Eine überschlägliche Rechnung unter Berücksichtigung der bei einem M-Boot auftretenden Geschwindigkeit und deren Änderung sowie der sich daraus ergebenden Druckschwankungen, ergab eine Venturi-Düse wie in der Skizze gezeigt.

Diese Venturi-Düse wurde mittels Stahlrohr (innen 0,5 mm, außen 1.5 mm) so am Boot befestigt (siehe Bilder 1 und 2), daß sie auch bei Schräglage nicht aus dem Wasser ragte.

1994_g_4Über ein Stück Silikonschlauch (Spritschlauch aus dem Modellflug) wurde die Düse mit der Drucksonde verbunden (Bild3).

1994_g_5Nachdem ich schon vorher in einem Wasserbecken festgestellt hatte, daß bei M-üblichen Geschwindigkeiten die Sache einwandfrei funktionierte (Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser), wurde die Elektronik mit Batterie in einer Plastikschachtel wasserdicht verpackt und mit Klettband auf der Decksluke befestigt, siehe Bild 4. Die etwa 70 cm lange Antenne ist mit Hilfe eines Gummiringes am Mast entlang nach oben geführt.

Stolz hörte ich den Ton in meinem Walkie-talkie, als das Boot sich mit gleichmäßiger Fahrt von mir wegbewegte; noch stolzer war ich, als sich tatsächlich mit zunehmender Fahrt ein Ansteigen des Tones einstellte, wie ich es vom Flugzeug, sobald es in der Thermik steigt, kannte.
Doch um so größer war die Enttäuschung, als die erste Böe das Boot krängen ließ und sich ein unkontrolliertes Schwanken des Tones einstellte, das sich zu einem Heulen und Kreischen ausweitete.

Wie konnte das nur kommen? Es hatte doch vorher so gut geklappt, und sogar die Rechnerei hatte sich als richtig erwiesen, was mich, ehrlich gesagt, eigentlich am meisten gewundert hatte! Was war die Ursache? Die war schnell gefunden.

Wenn auch der Ton unzumutbar war, so war doch zwischen dem auf- und abschwellenden Geräusch und den durch die Böen verursachten Bewegungen des Bootes ein Zusammenhang zu entdecken. Letztendlich hatte sich in meine Uberlegungen ein Denkfehler eingeschlichen: Ich hatte nicht berücksichtigt, daß sich bei der gewählten Art der Befestigung die Düse beim Krängen auf und ab bewegte und sich dadurch die Referenz für die Anzeige, nämlich der statische Druck, änderte. Da das Medium Wasser etwa 1OOO mal dichter ist als das Medium Luft, dessen Druckänderung die Sonde im Flugzeug normalerweise anzeigt, war die Anderung der Druckhöhe im Wasser (etwa 20 cm) auch entsprechend höher und verursachte die zunächst irrational erscheinende Schwankung der Tonhöhe.

1994_g_6Die Erkenntnis der Ursache war gleichzeitig der Weg zur Lösung des Problems. Es galt also, die Venturi-Düse am Boot an einer Stelle anzubringen, wo sie beim Krängen keinen Weg vertikal durch das Wasser macht und sich somit der statische Druck nicht ändert. Da man hinterher immer schlauer ist als vorher, war eine solche Stelle schnell gefunden (Bild 5).

1994_g_7Der Drehpunkt des Bootes beim Krängen liegt in etwa auf der Höhe, in der sich jetzt die Venturi-Düse befindet (Bild 6). Uber die Befestigung mit Klebeband gibt die Abb. 7 Aufschluß.

1994_g_8Da die gewählte Befestigung nicht gewählt wurde, um einen Preis für Industrie-Design zu erhalten, sondern um schnell auf- und ohne Spuren zu hinterlassen wieder abgebaut werden zu können, erfüllt sie vollkommen ihren Zweck. An der Spiegelhinterkante wird das Rohr nochmals mit Gummiringen (mit Klebeband an der Rumpfunterseite befestigt) elastisch abgefangen.

Die ganze Angelegenheit funktioniert nun anstandslos. Es treten zwar immer noch Schwankungen in der Tonhöhe auf, die durch Stampfen des Bootes bei unruhigem Wetter verursacht werden, aber bei normal ruhigem Wasser lassen sich Geschwindigkeitsänderungen durch Verändern des Segeltrimms einwandfrei feststellen, was ja auch der eigentliche Zweck der Sache war, und was mit einem Minimum an Aufwand erreicht wurde.

Nun ist ein dauerndes Pfeifen aus dem Walkie-talkie, erst recht wenn es dauernd auf- und abschwillt, weder dem Modellkapitän selbst und schon gar nicht den anderen Kameraden am Ufer zuzumuten; aber der Lautsprecher Iäßt sich abschalten, und man kann nun der "Musik" über den Ohrhörer lauschen. Das hat vor allem den Vorteil, daß bei einer Wettfahrt die Konkurrenz erst etwas merkt, wenn sie überholt wird, aber das „Warum" bleibt das kleine Geheimnis des Modellkapitäns.

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Zu einem eventuellen Nachbau genügt die Skizze des Venturi-Rohres, ein Drehteil aus Aluminium. Für den am Nachbau Interessierten ist die Schaltung, das Platinenlayout und die Stückliste aufgeführt. Milan Lulic hat das Layout entwickelt und liefert gerne (20-DM-Schein im Briefumschlag) auf Wunsch die Platine.

1994_g_12Ich denke, daß der versierte Bastler mit den hier gelieferten Informationen ohne eine Bauanleitung auskommt. Die beiden Fotos zeigen die erste Entwicklungsausführung, die auf einer Lochrasterplatine montiert wurde und über ein Jahr lang sowohl im Modellflugzeug als Vario wie auch im M-Boot als Fahrtmesser einwandfrei gearbeitet hat.

1994_g_13Das zweite Foto zeigt den Aufbau auf der hier vorgestellten Platine mit SMD-Bauteilen. Man hätte sicher die Platine noch kleiner machen können, aber bei der Anwendung im Schiff kommt es zugunsten besserer Arbeitsbedingungen nicht auf jedes halbe gramm Gewicht an. Wie Sie sehen, ist der eigentliche Funktionsteil vom Senderteil getrennt auf der Platine angeordnet. Die Bauteile sind deshalb auch nicht fortlaufend numeriert. Das hat den Vorteil, daß derjenige, dem die Platine zu groß erscheint, diese hier trennen und sie dann gestaffelt aufbauen kann.

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Das größte Bauteil ist die Drucksonde KPY-10. Sie wird zweckmäßigerweise stehend eingebaut. Der lange Rüssel kann, nachdem man sie sorgfältig gegen einfallende Späne gesichert hat, am Beginn des zylindrischen Teiles abgetrennt werden. Man klebt hier ein Stück Silikonschlauch auf, den man später mit dem Venturi-Rohr verbindet.

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Da der Chip innerhalb der Sonde offen liegt, empfiehlt sich sehr vorsichtiges Arbeiten. Man sollte daher den Rüssel möglichst nicht kürzen und mit offenporigem Schaumstoff die Schaltung schützen. Da hier nur Mikromengen Luft ausgetauscht werden, wird die Messung nicht behindert.

Zur Elektronik noch einige Hinweise.

Betrieben wird die Schaltung mit 4,8 bis 6,O Volt. Nach dem Einschalten hört man im Empfänger den Ton, der sich nach 10 bis 15 sec in der Tonhöhe nach unten verändert. Dann ist die Elektronik „aufgewärmt" und betriebsbereit. Mit dem Poti P1 kann man bei angelegten 4,O bis 4,2 Volt die Schaltung so einregulieren, daß sie gerade noch arbeitet. Dies gibt Ihnen eine Kontrolle an Land, wenn die Batterie leer wird. Bei nur etwa 12 mA Verbrauch ist diese Möglichkeit aber eigentlich schon überflüssig. Wenn Sie darauf verzichten wollen, drehen Sie das Poti auf vorderen Anschlag oder lassen es weg.

Die beiden Spulen am Ausgang stellen Sie bitte mittels Reichweitenversuch oder Feldstärkemesser auf maximale Abstrahlung ein. Die einfachste und vor allem preiswerteste Abhörmöglichkeit verschaffen Sie sich, indem Sie das billigste Walkie- talkie als Empfänger verwenden. Wenn Sie nun noch durch Ausbauen des Sendequarzes den Sendeteil stillegen und den ausgebauten Quarz im Bordteil verwenden, haben Sie zwei Quarze, die genau zueinander passen. Bei der angegebenen Anten- nenlänge, nach oben herausgeführt und am Mast lose befestigt, habe ich Reichweiten erzielt, die an die Grenzen der Sichtweite langen.

Auf jeden Fall reicht die Empfangsreichweite für die beim Bootsbetrieb üblichen Entfernungen aus. Die maximale Reichweite wird bei auf Mitte gedrehten Kernen der Spulen L1 und L2 erreicht, dies kann sich jedoch je nach Einbauverhältnissen im Boot von der Einstellung am Tisch unterscheiden. Dies muß deshalb im Boot kontrolliert und nachgestellt werden. Man kann auch mit der Antennenlänge spielen, am Achterstag entlanggeführt, kann man die doppelte Länge unterbringen. Dies muß jedoch jeder für seine Einbauverhältnisse sorgfältig ausprobieren. Die LED erfüllt keinen Anzeigenzweck, bei ihrem Einsatz wird nur der Spannungsabfall ausgenutzt. Die Polung von C3 ist gleichgültig.

Bleibt nur noch, dem Erbauer Erfolg zu wünschen und herauszufinden, wie groß bzw. wie minimal der Einfluß der geänderten Parameter auf die Fahrt des Bootes ist. Als nächstes Ziel bleibt nur noch, die Änderung und Ubermittlung des Tones so zu gestalten, daß sie am Ufer ablesbar wird. Doch davon eventuell später.

Bei Anfragen zum Gesamtsystem: Heinrich Lipp Stef.-Lochner-Str. 67 50259 Pulheim Tel. 02238/58874
Bei Anfragen zur Platine und zur Platinenbestellung: Milan Lulic Im Dornenhau 21, 50129 Bergheim Tel. 02238141581.