RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Vom 11.-18. Juli 1998 traf sich die Elite der Modellyachtsegler der M-Klasse zur Weltmeisterschaft im französischen Viry Chatillon. Der dortige Modell-Yacht-Club ist einem Jollen-Segelverein angeschlossen, der einen relativ großen Baggersee an der Seine (südlich von Paris) sowie ein großes Clubhaus mit Parkflächen besitzt. So gesehen sind ideale Voraussetzungen gegeben.

Die französische Organisation wird von uns bisweilen ja gerne etwas von oben herab gewürdigt, was diese WM betrifft, aber absolut zu Unrecht, denn alles war gut organisiert. Somit waren alle Teilnehmer bestens bedient und rundum zufrieden, ganz im Gegensatz zu den WMs und EMs der vergangenen Jahre.

 

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Aus Deutschland hatten sich sieben Teilnehmer nach Frankreich aufgemacht, alle über vordere Plätze in der Rangliste der beiden letzten Jahre qualifiziert. Neben der Organisation waren aber auch die Windverhältnisse gut, denn gerade in dieser Woche jagte ein  Tiefdruckgebiet das andere, und wir hatten, was eigentlich selten vorkommt, fast zu viel Wind.
Nicht zufrieden konnten die Deutschen letztlich mit ihrem Abschneiden sein (siehe Ergebnisliste), dies ist auf verschiedene Umstände zurückzuführen: Bei manchen fehlt die „internationale Härte", auch das seglerische Können ist oftmals noch verbesserungsfähig, insbesondere im taktischen Bereich. Mitunter kam auch Pech bei den harten, ungewohnten Verhältnissen dazu.

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Ich möchte hier nicht auf den Ablauf der einzelnen Tage eingehen, sondern vielmehr Analysen und Schlüsse aus dem Geschehen und den Erlebnissen ziehen.


wm_m_98_10Das Boot von T. Klem, dem amtierenden Europameister

Von den insgesamt 80 Teilnehmern gehören 30 in die Spitzenklasse. Diese muß man nochmals unterteilen in "Klasse 1a" (im Prinzip die fünf Erstplazierten) und "Klasse 1b".
Von den 1b-Fahrern kann jeder jeden schlagen, m.E. entscheiden Tagesform und Umstände. Entsprechend hart umkämpft waren die einzelnen Rennen. So verwundert es auch nicht, daß der amtierende Europameister Thorwald Klem - ein Fahrer, den man bei leichtem und gleichmäßigem Wind zu den 1a-Fahrern rechnen muß - nur 16. wurde.
Oder Jon Elmaleh, ein Weltmeister früherer Jahre, der gar nur 51. wurde!

Graham Bantock, GBR 95:
wm_m_98_3Mehrmaliger Europa- und Weltmeister (viermal in Folge!) der verschiedensten Klassen. Angereist war er mit einem neuen Boot, im Prinzip eine schmälere Version seiner bekannten PARADOX. Auch Graham hatte mit leichteren Windverhältnissen gerechnet, deshalb der schmälere Rumpf, der lange, schmale und relativ leichte Bleiballast und zudem ein Decksaufbau ähnlich einer Kajüte, um den bekanntlich auf 216 cm limitierten Mast über diese Maßnahme in höhere, vom Wind bevorzugte Zonen zu bringen. Die ersten Tage fuhr Graham eher vorsichtig und verhalten, spielte dann in den letzten beiden Tagen seine Klasse und sprichwörtliche Coolness aus, um doch noch klar zu gewinnen. Die Engländer nennen ihn nicht umsonst „Mr. Consistency".

G. Bantock, alter und neuer Weltmeister mit seinem neuen
Boot, Nachfolger der bekannten PARADOX

Guillermo Beltri, ESP 131:
Ein Newcomer in der Szene, aber ein knallharter Segler. Angeblich ist er zweifacher Weltmeister in der Jollenklasse „Vaurien" und hat dort alle Tricks und Kniffe, die auch beim Modellsegeln nicht viel anders sind, bis zur Perfektion gelernt. Anfangs nahm ihn niemand so richtig ernst, und er kam m.E. in fraglichen Situationen öfters ungeschoren davon, in denen bekanntere Boote Protest bekommen hätten.
Er fuhr ein komplett von Walicki geliefertes Boot und beherrschte dieses extrem gut. In puncto Taktik ein ausgesprochener Fuchs.

Janusz Walicki, GER 06:
wm_m_98_6Eigentlich war er an der Reihe, die WM zu gewinnen: Die Windverhältnisse waren eher ideal für ihn. Zwei Umstände standen dem aber entgegen. Auch Janusz hatte die 10R-WM 1991 an diesem See mit eher leichten Winden in Erinnerung und deshalb die schmalste Version seiner Boote vorgezogen und mit nur 2,9 kg Blei gefahren. So kam es öfters vor, daß auch er bei den stark variierenden Winden und den extremen Böen das Boot nur noch mit Mühe beherrschen konnte. Das kennt man bei ihm normalerweise nicht, vielmehr wird er sonst bei mehr Wind immer besser und überlegener. Die ersten Tage war er auch sehr erfolgreich und führte die WM lange Zeit an. Je cooler aber Graham Bantock wurde, desto nervöser wurde Janusz, der zweite Umstand, den man bei ihm normalerweise nicht kennt.

J. Walicki und J. Brüggen: "Was kann man noch besser einstellen?"

Paul Jones, GBR 08:
Er ist ein ruhiger und sympathischer Mensch, sein Fahrstil ist dementsprechend, aber trotzdem sehr erfolgreich. Mit etwas weniger Pech hätte er auch Zweiter werden können. Er fährt eine PARADOX von Graham Bantock, auch die Segel sind von ihm.

Christian Goubet, FRA 44:
wm_m_98_7Dieser brachte die Weiterentwicklung der "Mar'Go" an den Start, die "Sho'Go" ebenfalls von Paul Lucas. Ob dieses Boot schneller als der Vorgänger ist, läßt sich noch nicht abschließend sagen, da der Siebte, Remi Brês, dicht folgte.
Bei leichten Windverhältnissen spielt es evtl. eine positive Rolle, daß das Heck nicht mehr wie bei der "Mar'Go" mehrere Millimeter eintaucht. Goubet ist ein erfahrener Segler, immer gut für vordere Plätze. Trotzdem war es erstaunlich, daß er vor so bekannt guten Leuten wie Remi Bres, Christoph Boisnault (WM 1990) oder Philippe Sol (Französicher Meister 1998) lag.

C. Goubet, der beste Franzose auf Rang 5 mit der brandneu en "Sho'Go" von P.Lucas

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P Stollery, Sechster im Klassement mit einer ROAR EDGE, einer Konstruktion seines bekannten Vaters R. Stollery


Was ist zu den weiteren deutschen Teilnehmern zu sagen?

Klaus Schröder, GER 03:
„Nur" 15., aber noch vor dem amtierenden Europameister Thorwald Klem. Klaus hatte mit seinem etwas älteren Walicki-Boot einige sehr gute Plazierungen in der A-Flotte, mußte aufgrund der hart umkämpften Plätze aber doch das eine oder andere Mal in B absteigen, und dort kassiert man schnell viele Punkte. Er fuhr relativ vorsichtig und zurückhaltend und war deshalb nur in wenigen Protestsituationen zu finden.

Gerhard Schmitt, GER 61:
Gäbe es einen Preis für den besten Aufsteiger, ich hätte ihn gewonnen. Durch einiges Pech in den Vorläufen startete ich mit meiner "Mar'Go" in der Wertung in der E-Gruppe als 68. Dort bekommt man als Erster das Paket von 65 Punkten und muß zufrieden sein, am Ende noch 22. zu werden. Einmal in die A-Klasse aufgestiegen, war mein Boot schnell genug, um die Gruppe zu halten. Lange Äste am Kiel und die zitierte internationale Härte, insbesondere am Start, machten aber immer wieder Besuche in B nötig.

Werner Gerhardt, GER 97:
Unser amtierender VDMYS-Präsident wird mit dem Alter zwar immer besser, die harten Wetterverhältnisse forderten aber auch bei ihm Tribut. Werner war in den ersten Tagen weit vorne mit dabei, sein Gerechtigkeitssinn ließ ihn aber immer mehr mit der Startstellenleitung hadern, und das wirkt sich nie positiv auf die Leistung aus. Eigentlich hatte er recht, denn viel zu viele Kontakte blieben ungeahndet, der Startstellenleiter mußte sich aber auf seine Observer verlassen und diese waren - obwohl sie diesmal aus dem Teilnehmerfeld kamen - nicht immer Herr der Lage. Werner fährt eine PARADOX, konnte die „Wundersegel" von Bantock, die dieser bei der EM in Kroatien fuhr, aber nur selten einsetzen, da kaum Wind für das A-Rigg war.

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U.Neumann (SWE 110) Nur U-Boot-Fahren ist schöner!

Wilhelm Graffy, GER 31:
Wilhelm befindet sich z.Zt. in einem Formtief, das sich auch bei der WM fortsetzte. Meine Hilfe bei der Segeleinstellung und der Ratschlag, etwas weniger eng zu fahren, brachten auch keine Verbesserung. Er war schließlich so entnervt, daß er beschloß, ein komplettes Walicki-Boot zu kaufen und seine PARADOX in die Ecke zu stellen. Prinzipiell ein weiser Entschluß, aber auch dieses Boot muß eingestellt und gefahren werden.

Dirk Nolting, GER 50:
Er war anfangs im oberen Mittelfeld zu finden, konnte diesen Platz aber auf Dauer nicht halten. Er fuhr ein älteres Walicki-Boot, was eigentlich für die herrschenden Verhältnisse von Vorteil war. Dirk fehlt aber die Praxis, da er dieses Jahr viel zu wenig auf Regatten war, und dadurch wird man viel zu oft von cleveren Mitbewerbern an die Wand gedrückt.

Jens Brüggen, GER 80:
Jens ist eigentlich mit seinem Walicki-Boot lieber bei Starkwind unterwegs. Obwohl aus dem kühlen Norden stammend, ist Jens als Hitzkopf bekannt. In Frankreich aber war er fast zu brav und ging meist jedem Risiko aus dem Weg. Mit seinem Verhalten hat er zwar neue Freunde gewonnen, aber halt auch nur den 63. Platz gemacht.


Was ist sonst zu sagen? Eine Nationenwertung hätten die Engländer überlegen gewonnen (8 Teilnehmer unter den ersten 20), gefolgt von Frankreich (4) und Deutschland (2).

wm_m_98_5 C. Helder (NED 16) benutzt diese pfiffige Lösung zum Aufbewahren und zum Transport der Segel auf dem Dachgepäckträger

Die Engländer dominieren in jeder Hinsicht, sie fahren ruhig, sachlich, clever, taktisch. Sie wissen alle wer vor, neben oder hinter ihnen ist, nennen ihn im Zweifelsfall mit der Segel-Nummer, geben klare und vollumfängliche Warnhinweise, und wenn es sein muß, auch Protest. Da haben wir noch viel zu lernen in puncto Übersicht und Verhalten.

wm_m_98_4P. Sol ist ein bekannt aggressiver Segler, man sieht es am Bugfender seines Bootes ...

Die großen Verlierer waren die Franzosen, denn sie wollten bei Heimvorteil zeigen, daß sie vor Jahren die WM in England nicht zufällig gewonnen hatten. Goubet und Bres fuhren eine gute WM im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Bei dem ehemaligen Weltmeister Boisnault war aber deutlich zu spüren, daß er in letzter Zeit nicht sehr aktiv war. Sol ist zwar französischer Meister 1998, in vielen Situationen aber so aggressiv, daß zwangsläufig Proteste eine bessere Plazierung verhinderten und sein Bugfender schon nach einigen Läufen arg ramponiert war.

Auch die Italiener blieben weit unter ihrer sonstigen Klasse. Sie sind exzellente Leichtwindfahrer und kennen Verhältnisse wie bei dieser WM noch weniger als wir Deutschen.

Mit ramponierten Schwerwetter-Riggs, einem mit Rosewein gefüllten Glas-Eiffelturm und vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen ging es nach einer erlebnisreichen Woche wieder nach Hause.

 

 

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 11/1998 Autor: Gerhard Schmitt.
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