Mit den nachfolgenden Artikeln möchte ich mich an alle diejenigen wenden, die den ungeheuren Reiz, den Modellsegeln ausüben kann, schon entdeckt haben oder noch entdecken werden. Modellsegeln unterscheidet sich vom „großen" Segeln vor allen Dingen dadurch, dass man eben nicht nur segelt, sondern gleichzeitig auch Konstrukteur, Schiffbauer, Segelmacher, Regattasegler usw. ist.
In den letzten Jahren ist die Qualität der Regattajachten jedoch so gestiegen, dass es immer schwieriger wird, allen Anforderungen gerecht zu werden. Als Schiffbaustudent an der TH-Achen und begeisterter Modellsegler habe ich mich besonders mit Fragen des Jachtbaus beschäftigt. Sicherlich werden einige Leser einwenden, dass verschiedene für den großen Jachtbau gültige Feststellungen bei Modellsegeljachten noch lange nicht anwendbar sind. Dies stimmt jedoch nur zum Teil, denn man bedenke die allgemein übliche Praxis, Modellversuchsergebnisse auf die Originalgröße zu übertragen - also warum nicht auch umgekehrt? Richtig ist allerdings, dass nur schwerkraftbedingte Einflüsse (z.B. Wellenbild) ohne weiteres übertragbar sind, während alle strömungsbedingten Einflüsse für das Modell gesondert zu betrachten sind. Ich möchte deshalb auf einige wichtige Voraussetzungen beim Modelljachtentwurf eingehen, zum einen, um Mut zu machen für eigene Entwürfe, zum anderen, um die Möglichkeit zu schaffen, verschiedene Konstruktionen zu bewerten bzw. diese zu verbessern.
Zielsetzungen für den Entwurf
Bevor man sich Gedanken über die Formgebung der Jacht macht, sollte man sich überlegen, für welchen Zweck sie gedacht ist. Ich gehe davon aus, dass es sich um eine auf möglichst hohe Geschwindigkeit ausgelegte Modelljacht handeln sollte, mit der es möglich ist, auch an Regatten teilzunehmen. Die üblicherweise ausgetragenen Regatten finden auf Dreieckskursen statt, damit kommt den „Am-Wind-Eigenschaften" eine besondere Bedeutung zu. Ein auf der Kreuz herausgesegelter Vorsprung ist auf allen anderen Kursen nur noch schwer wieder aufzuholen. Trotzdem sollten die Raumwind- bzw. Gleiteigenschaften so gut wie möglich sein. Zwei Forderungen, die sich, wie wir sehen werden, an und für sich widersprechen. Weiterhin wichtig ist eine möglichst große Wendigkeit bei möglichst großer Kursstabilität. Zuletzt sollte die Jacht auch noch bei den unterschiedlichsten Wetter- und Wellenbedingungen einsetzbar sein.
Einfluss von Rumpf und Segeln auf die Fahrleistung
Ausgesprochen unterschiedlich wird oft der Einfluss des Rumpfes und der Segel bewertet. Dieses Zusammenspiel drückt sich am deutlichsten in der Fahrleistung auf einem „Am-Wind-Kurs" bzw. in der maximal erreichbaren Höhe am Wind aus.
Zunächst einige Erklärungen zu Bild 1. Es zeigt einige wichtige am Rumpf und Segel angreifende Kräfte, zur Vereinfachung in der horizontalen Schwimmlage. Der Auf- trieb L wird jeweils senkrecht zur Anströmrichtung von Wind und Wasser gemessen. Der Widerstand D liegt in Richtung der Anströmrichtung. Die Richtung des scheinbaren Windes ist diejenige, die man an Bord einer in Fahrt befindlichen Jacht misst. Zusätzlich sind die resultierende Segelkraft F sowie der Rumpfwiderstand R eingetragen. Bei gleichmäßiger Geschwindigkeit ist die Kraft F genau gleich dem Rumpfwiderstand R. Aus der Segelkraft F ergibt sich die in Fahrtrichtung wirkende Kraft B. β ist der Winkel zwischen scheinbarem Wind und Fahrtrichtung, und α ist der Winkel zwischen Fahrtrichtung und Mittellängslinie des Rumpfes, das heißt, der Anströmwinkel von Rumpf und Kiel.
In Bild 2 sind die von Edmond Bruce geometrisch hergeleiteten Beziehungen zwischen den L/D-Verhältnissen vom Rumpf und Segel und der erreichbaren „Höhe am scheinbaren Wind" aufgetragen. Die erreichbaren L/D-Verhältnisse für Kieljachten, also auch unserer Modelljachten liegen um 3, während die L/D-Verhältnisse der Segel um 6 liegen. Mit diesen Werten stellt sich eine Höhe am scheinbaren Wind von etwa 28° ein, welches ein durchaus üblicher Wert ist. Eine Verbesserung des L/D-Verhältnisses des Rumpfes von 3 auf 5 würde bei konstantem L/D des Segels die scheinbare Höhe am Wind auf etwa 21° verbessern, während eine Verbesserung des L/D-Verhältnisses der Segel bei konstantem L/D des Rumpfes wesentlich deutlicher ausfallen müsste, um eine nur annähernd gleich gute Verbesserung der Höhe am Wind zu erreichen, das heißt, die Beschäftigung mit dem Rumpf und der Kielflosse (!) ist mindestens ebenso wichtig wie die Verbesserung der Segel.
Dass unter Modellseglern die Segel sehr oft überbewertet werden, liegt vor allen Dingen an den großen Unterschieden in deren aerodynamischer Qualität. Dies wiederum ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass 1 mm mehr oder weniger Zugabe beim Zuschneiden ein Modellsegel vollkommen unbrauchbar machen kann, während dies bei einem großen Segel lange nicht so katastrophale Folgen hat. Diese viel gleichmäßigeren Segel führen im großen Jachtbau von vornherein zu einer deutlichen Konzentration auf den Rumpf.
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Widerstand des Rumpfes, Froude-Zahl
In der weit verbreiteten Modelljachtklasse: Marblehead- oder M-Boot-Klasse wird es dem Konstrukteur zumindest in einer Hinsicht recht leicht gemacht, denn die Länge über alles ist auf 127 cm festgelegt. Außerdem darf man, wie auch bei den 10-Ratern, nur Monorümpfe fahren. Bei den 10-Ratern ergibt sich die Länge in der Wasserlinie jedoch aus einer Messformel und ist deshalb vom Konstrukteur festzulegen.
Diese Länge in der Wasserlinie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der maximal erreichbaren Geschwindigkeit für reine Verdrängerfahrt (Rumpfgeschwindigkeit). Bei einer M-Jacht ist dies ungefähr 1,4 m/s. Eine Geschwindigkeit, bei der Bug- und Heckwelle sehr ausgeprägt sind und eine weitere Geschwindigkeitssteigerung nur noch mit großem zusätzlichem Kraftaufwand, bei einer Jacht eben in Form von Windenergie, möglich ist.
Um allgemeingültige Aussagen treffen zu können bzw. um Schiffe unterschiedlicher Größe vergleichbar zu machen, bedient man sich im Schiffbau des Froudeschen Ähnlichkeitsgesetzes. Dieses besagt gleichzeitige Ähnlichkeit zwischen Massen- und Schwerkräften. Anschaulich gesagt, heißt das, die Wellenbilder von Modell und Großausführung sind gleich. Als Modelljachtkonstrukteur ist man jedoch in der glücklichen Lage, Versuchsergebnisse unmittelbar übertragen zu können. Die sich aus dem Froudeschen Ähnlichkeitsgesetz ergebende Froudesche Zahl stellt eine dimensionslose Kennzahl dar, für die Wellenbilder in Bezug auf Wellenlänge und Wellenhöhe ähnlich sind. Die Froudesche Zahl kennzeichnet also auch gewisse Geschwindigkeitszustände. Sie ist folgendermaßen definiert:
mit:
V = Schiffsgeschwindigkeit in m/s
g = Erdbeschleunigung = 9,81 m/s²
l = Schiffslänge bzw. Wellenlänge in m
Zum Beispiel beträgt für die erwähnten 1,4 m/s Geschwindigkeit einer M-Jacht die Froudesche Zahl Fn=0,4. In Bild 3 habe ich den Gesamtwiderstand eines M-Jacht-Rumpfes, einschließlich Kiel und Ruder, über der Froudeschen Zahl aufgetragen. Das Diagramm gilt jedoch nur für die ungekrängte Schwimmlage, für Bedingungen, wie sie auf einem ,,Vor-Wind-Kurs" gelten. Die Widerstandskurve entstand bei Schleppversuchen, die ich unter der dankenswerten Mithilfe von Herrn Büsgen, einem bekannten deutschen Modellsegler, im Sommer '82 durchführte. Dabei wurden 3 Schiffe geschleppt, zum einen die ANJA XIV von Lupart, ein FLIPPER von Topp, welcher von Herrn Büsgen modifiziert war, sowie die von mir konstruierte M-Jacht KALAMOUN. Ich habe bewusst nur einen qualitativen und gemittelten Verlauf der Widerstandskurve aufgetragen, da für eine genauere betragsmäßige Erfassung noch ausführlichere Versuche notwendig sind. Bis Fn=0,1 handelt es sich fast ausschließlich um Reibungswiderstand, anschließend setzt sich der Gesamtwiderstand aus Reibungs- und Wellenwiderstand, hier vor allen Dingen verursacht durch die Heckwelle, zusammen. Der relativ gleichmäßige Anstieg des Widerstandes bis zu einer Froude-Zahl von 0,35 zeigt, dass durch entsprechende Gestaltung der Rumpfform es durchaus möglich ist, sehr schnell die Rumpfgeschwindigkeit zu erreichen. Die Praxis bestätigt dies, wenn man bedenkt, dass schon bei leichtem Wind relativ große Geschwindigkeiten erreicht werden, eine starke Zunahme des Windes die Geschwindigkeit jedoch nicht mehr so deutlich steigert.
Im Bereich größer als Fn=0,5, das heißt, in einem Bereich, in dem der Übergang von der Verdrängerfahrt in die Gleitfahrt erfolgt ist, wird der Gesamtwiderstand nicht mehr so stark ansteigen. Eindeutig falsch ist jedoch die manchmal vertretene Meinung, dass bei Gleitfahrt der Gesamtwiderstand geringer würde. Lediglich der prozentuale Anteil des Reibungswiderstandes am Gesamtwiderstand wird größer.
Andere Widerstandsanteile sind der Widerstand infolge Abdrift, auch induzierter Widerstand genannt, sowie der Widerstand infolge Krängung. Der induzierte Wider- stand wird hauptsächlich durch die Kielflosse verursacht, und er wird deshalb auch in einem gesonderten Artikel über die Kielflosse behandelt werden. Der Krängungswiderstand verursacht eine Zunahme des Wellenwiderstands bis zu etwa 15 % für Krängungswinkel von maximal 30°. Diese Zunahme ist jedoch stark von der Form des Rumpfes abhängig.